Leitsatz (amtlich)
1. Der große Schadensersatz in einem "Dieselfall" ist bei einem vorsteuerabzugsberechtigten Kläger auf Ersatz des Nettokaufpreises (abzüglich der Nutzungsentschädigung) gerichtet. § 17 UStG führt nicht zu einer anderen Bewertung.
2. Auch bei einem vorsteuerabzugsberechtigten Kläger schätzt der Senat die Nutzungsentschädigung auf Grundlage des Bruttokaufpreises, weil dieser den zugrunde zu legenden Marktwert bestimmt.
3. Steuervorteile des Klägers aufgrund einer Absetzung für Abnutzung (AfA) sind nicht schadensmindernd zu berücksichtigen. Es handelt sich nicht um außergewöhnliche Steuervorteile, weil die Schadensersatzleistung wegen der Aufdeckung von stillen Reserven steuerpflichtig ist.
Normenkette
BGB §§ 823, 826
Verfahrensgang
LG Dortmund (Aktenzeichen 4 O 370/20) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 06.02.2023 verkündete Urteil des Landgerichts Dortmund (4 O 370/20) - unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung - abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte bleibt verurteilt, an die Klägerin 45.688,82 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.12.2020 zu zahlen, darüber hinaus an die Klagepartei weitere 15.364,38 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten seit dem 12.04.2022 zu zahlen, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Kraftfahrzeuges Porsche Cayenne S V8 4.2 TDI Euro 5 mit der FIN FIN01 nebst Schlüsseln und Fahrzeugpapieren.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits I. Instanz tragen die Klägerin zu 33 % und die Beklagte zu 67 %. Die Kosten der II. Instanz tragen die Klägerin zu 30 % und die Beklagte zu 70 %.
Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Beide Parteien dürfen die Vollstreckung der jeweils anderen Partei durch Sicherheitsleistung i.H. von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn die jeweils andere Partei nicht vor der Vollstreckung Sicherheit i.H. von 110 % des vollstreckbaren Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Die vorsteuerabzugsberechtigte Klägerin bestellte am 00.10.2014 beim C. als Neuwagen den streitgegenständlichen Porsche Cayenne S 4,2 l Diesel zu einem Preis von 96.918,11 EUR netto (= 115.332,55 EUR brutto, vgl. Anlage K 1). Am 19.01.2015 zahlte die Klägerin den Kaufpreis. Sie erwarb Felgen zum Preis von 1.050,42 EUR netto (1.250,00 EUR brutto), Distanzscheiben zum Preis von 341,50 EUR netto (406,39 EUR brutto) und ein Endrohr für netto 585,00 EUR (brutto 696,15 EUR). Die Klägerin kreditierte den Wagen teilweise, wofür 15.364,38 EUR Zinsen anfielen.
Der Wagen ist mit einem von der Beklagten entwickelten und hergestellten Motor ausgestattet und verfügt über eine EG-Typengenehmigung nach der Schadstoffklasse EU 5. Er unterfällt einem verbindlichen Rückruf des Kraftfahrtbundesamtes (KBA). Dieses hat angeordnet, dass unzulässige Abschalteinrichtungen zu entfernen seien. Sonst könne der Wagen stillgelegt werden.
Das Landgericht hat die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 64.491,82 EUR und 15.364,38 EUR nebst Zinsen zu zahlen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs, zudem festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet sowie die Beklagte verurteilt, die Klägerin von vorgerichtlichen Anwaltskosten i.H. von 2.085,95 EUR freizustellen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Dem Grunde nach stehe der Klägerin ein Anspruch aus § 826 BGB zu. Denn die Beklagte habe durch die Implementierung der unzulässigen Abschalteinrichtung die Klägerin sittenwidrig geschädigt. Die Klägerin könne im Ausgangspunkt den Bruttobetrag ersetzt verlangen, weil der Vorsteuerabzug gem. § 17 UStG rückgängig gemacht werden müsse. Auch der Preis für die Extras in Form von Felgen, Distanzscheiben und Endrohr seien zum Kaufpreis zu addieren. Auf dieser Grundlage sei die Nutzungsentschädigung unter Zugrundelegung einer Gesamtlaufleistung von 300.000 km zu errechnen, weswegen 53.193,27 EUR abzuziehen seien. Die Klägerin könne auch die Finanzierungskosten ersetzt verlangen, aber nicht die geltend gemachten Reparaturkosten, die zu den gewöhnlichen Unterhaltungskosten zählten.
Wegen des weiteren erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes inkl. der Anträge sowie der Begründung im Einzelnen wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.
Die Beklagte wendet sich teilweise gegen ihre Verurteilung. Sie akzeptiert dem Grunde nach die Verurteilung. Der Höhe nach habe das Landgericht aber fehlerhaft geurteilt. Es sei im Ansatzpunkt nur auf den Nettokaufpreis und nicht auf den Bruttokaufpreis abzustellen. Im Wege der Vorteilsausgleichung sei zu berücksichtigen, dass die Aufwendungen für den Wagen sich als Betriebsvermögen durch die AfA steuermindernd ausgewirkt hätten. Dies führe zu einem steuerlichen Vorteil i.H. von 29.875,01 EUR, der in Abzug zu bringen sei. Bei der Nutzungsentschädigung sei nur von einer Gesamtlaufleistung von 250.000 km auszugehen. Die vom Landgericht akzeptier...