Leitsatz (amtlich)
1. Zu den Anforderungen in Bezug auf die bei Abschluss eines langfristigen Mietvertrages einzuhaltende Schriftform bei Vermietung einer noch herzustellenden Hotelanlage.
2. Zum Umfang der Heilung von Schriftformverstößen durch Abschluss von Nachträgen zum Mietvertrag.
3. Zur Wirksamkeit einer sog. Schriftformvorsorgeklausel.
4. Zum Anspruch des Erwerbers auf Abschluss eines formgültigen Mietvertrages aufgrund einer Schriftformvorsorgeklausel.
Normenkette
BGB §§ 535, 550, 566, 578
Verfahrensgang
LG Essen (Urteil vom 28.03.2012; Aktenzeichen 20 O 2/11) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Essen vom 28.3.2012 wird zurückgewiesen. Klarstellend wird der Urteilstenor in der Hauptsache wie folgt neu gefasst:
Es wird festgestellt, dass der bis zum 1.9.2022 befristete Mietvertrag vom 28.3.2002 nebst den Nachträgen Nr. 1 und Nr. 2 zwischen der Klägerin und der Beklagten über das Hotel in F, T-Straße 58-60, fortbesteht und nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 29.4.2009 beendet worden ist.
Die Kosten des Berufungsverfahrens und die Kosten der Nebenintervention trägt die Beklagte.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin bzw. die Streithelferin vor einer Vollstreckung eine Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages erbringt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Die Parteien streiten im Hinblick auf § 550 BGB im Wege der Feststellungsklage um die Frage, ob zwischen ihnen ein befristetes Mietverhältnis bis zum 1.9.2022 oder ein Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit besteht und somit eine Kündigung der Beklagten vom 29.4.2009 wirksam war.
Die Streithelferin und die Beklagte schlossen am 28.3.2002 einen Mietvertrag (vgl. Anlage K 14, Blatt 916-988 der Akte, im Folgenden: MV) über ein in Bau befindliches Hotelgebäude mit der Adresse T-Straße 58 in F für eine monatliche Nettokaltmiete von 115.440 EUR netto. Das Hotelgebäude steht auf einer einheitlichen Tiefgarage wie das anliegende Bürogebäude mit der Adresse T-Straße 60.
Hotel- und Bürogebäude sind als Teil eines Objektes aneinander gebaut und lediglich oberhalb der Tiefgarage durchgängig durch eine Brandmauer voneinander getrennt. Sie weisen - was streitig ist - unterschiedliche Geschosshöhen auf. Unterhalb des Hotelgebäudes und des gesamten Bürogebäudes befindet sich eine Tiefgarage. Es handelt sich insgesamt um einen einheitlichen Baukörper, wobei Hotelgebäude und Bürogebäude nicht plan aneinander anschließen, sondern das Bürogebäude leicht zur Straße T-Straße hinaus kragt. Hotelgebäude und Bürogebäude sind mit unterschiedlichen, aber doch ähnlichen Fassaden ausgestattet. Die dem Hotel zugewiesenen Garagenplätze befinden sich unter dem Hotelbereich. Die Zufahrt dorthin führt durch den Tiefgaragenbereich unterhalb des Bürogebäudes. Die Zufahrt zu den Tiefgaragenplätzen des Hotels ist durch eine weitere Schrankenanlage begrenzt. Ob eine bauliche Trennung im Bereich der Tiefgarage existiert, ist streitig.
In der Präambel des Mietvertrages heißt es:
"Die Vermieterin ist Eigentümerin des aus dem diesem Vertrag als Anlage 1 beigefügten Lageplan ersichtlichen Grundbesitzes "T-Straße" in F. Den Grundbesitz hat die Mieterin besichtigt. Dieser ist ihr bekannt.
Auf diesem Grundbesitz errichtet die Vermieterin zur Zeit ein Hotel- und Geschäftsgebäude nebst Tiefgarage ("BV T-Straße, F"). Hoteltrakt einerseits sowie Bürotrakt andererseits sind so konzipiert, dass sie unabhängig voneinander genutzt werden können; die Tiefgarage ist zur gemeinsamen Nutzung bestimmt.
[... Hervorhebung im Original]."
In Art. 1 Abs. 1 MV - "Mietgegenstand" heißt es weiter:
"Die Vermieterin vermietet der Mieterin das auf dem vorgenannten Grundbesitz in Bau befindliche Hotelgebäude.
Das Hotelgebäude umfasst u.a. gemäß Anlage 2 zu diesem Mietvertrag (Grundrisse Hotelgebäude):
Gästezimmer à ca. 44,5 m2 BGF
(einschließlich der umgelegten Konferenzbereiche, Restaurant, Bistro, Lobby etc.)
1 Konferenzbereich im EG von ca. 376 m2 BGF (in v. g. BGF enthalten)
1 Konferenzbereich im 3. OG von ca. 198 m2 BGF (in v. g. BGF enthalten)
1 Restaurant/Bistro im EG von ca. 120 m2 (in v. g. BGF enthalten)
1 Rezeption/Lobby im EG von ca. 182 m2 (in v. g. BGF enthalten)
Darüber hinaus vermietet die Vermieterin der Mieterin in der noch in Bau befindlichen Tiefgarage
90 Pkw-Stellplätze.
Wesentlicher Bestandteil des Mietvertrages sind die als Anlagen 3a und 3b beigefügten allgemeinen Kurzbaubeschreibungen Innenausbau und Haustechnik.
[Hervorhebungen im Original]"
In Art. 1 Abs. 3 MV - "Mietgegenstand" heißt es noch:
"Die Vermieterin ist unter Berücksichtigung der Grundsätze des § 315 BGB berechtigt, die Pläne (Anlage 2) sowie die Allgemeinen Kurzbaubeschreibungen (Anlage 3a und 3b) zu ändern, wenn dies im Zuge der Bauausführung aufgrund behördlicher Anordnungen, Auflagen oder Bedingungen und/oder aus technischen Gründen ...