Entscheidungsstichwort (Thema)
Lebensversicherung: Auslegung eines Nachtrags zum Versicherungsschein, Begriff der "Versicherungssumme"
Leitsatz (amtlich)
Unter (hier vorliegenden) besonderen Umständen kann die von dem Versicherer in einem Nachtrag zum Versicherungsschein einer Kapitallebensversicherung genannte "Versicherungssumme" die bis zu diesem Zeitpunkt bereits angefallene Überschussbeteiligung beinhalten.
Verfahrensgang
LG Siegen (Urteil vom 15.10.2008; Aktenzeichen 5 O 156/08) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 15.10.2008 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des LG Siegen wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Die Klägerin hatte bei der Beklagten einen Lebensversicherungsvertrag abgeschlossen. Ausweislich des Versicherungsscheins (Bl. 8 f. d.A.) vom 20.10.1982 mit der Nr. 6561 561-10 waren u.a. folgende Vereinbarungen getroffen worden:
- Beginn der Versicherung 1.11.1982; Ablauf der Versicherung 1.11.2007; Beitrag 328,65 DM monatlich
- Versicherungssumme 105.000 DM (entspricht 53.685,65 EUR)
- der Versicherungsschutz erhöht sich um die Leistungen aus der Überschussbeteiligung.
Zudem war unstreitig die Geltung der allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Lebensversicherung der Beklagten (AVB) vereinbart worden.
Es kam in der Folgezeit zu 3 Nachträgen.
Im Nachtrag vom 16.8.1994 (Bl. 10) heißt es u.a.:
"Art der Änderung
Der Vertrag wird durch Nachzahlung der Beiträge wiederhergestellt. Wir gehen davon aus, dass die Abtretung oder Verpfändung im ursprünglichen Umfang auch wieder für das wiederhergestellte Vertragsverhältnis gilt. Sollte dies nicht zutreffen, bitten wir innerhalb von 2 Wochen um ihre Nachricht.
Versicherungsschutz
105.000 DM Versicherungssumme bei Tod, spätestens bei Ablauf
Beteiligung
Der Versicherungsschutz erhöht sich um Leistungen aus der Überschussbeteiligung
Die Überschussbeteiligung, die beitragsfreie Versicherungssumme, sowie die Rückkaufswerte richten sich wieder nach der obigen Versicherungssumme unter Berücksichtigung des versicherungstechnischen Beginns 1.11.1983."
Im zweiten Nachtrag vom 12.4.1995 heißt es u.a. (Bl. 31):
"Art der Änderung
Mit Ablauf auf der in unserem Mahnschreiben gesetzte Nachfrist wurde die Versicherung beitragsfrei gestellt.
Eventuell eingeschlossene Zusatzversicherungen sind erloschen.
Versicherungsschutz
70.545 DM Versicherungssumme bei Tod, spätestens bei Ablauf
Die beitragsfreie Versicherungssumme wurde unter Einbeziehung der aus der Überschussbeteiligung zur Verfügung stehenden Werte ermittelt.
Überschussbeteiligung
Der Versicherungsschutz erhöht sich um die Leistungen aus der künftigen Überschussbeteiligung."
Im dritten und letzten Nachtrag vom 13.6.1995 heißt u.a. (Bl. 43):
"Art der Änderung
Ein Teil der zum 1.6.1995 vorhandenen Werte der Überschussbeteiligung i.H.v. 3.535,86 DM wird ausgezahlt.
Versicherungsschutz
65.691 DM Versicherungssumme bei Tod, spätestens bei Ablauf."
Während der Vertragslaufzeit erhielt die Klägerin Überschussmitteilungen, so u.a. vom 24.2.1992 (Bl. 12) und 21.2.1994 (Bl. 11). Darin heißt es jeweils:
"Die Überschussbeteiligung für ihre Versicherung erfolgt nach dem Bonussystem.
Das bedeutet, dass die jährlich anfallenden Überschussanteile zur Bildung zusätzlicher beitragsfreier Versicherungssummen (Bonusse) verwendet werden."
Bei Fälligkeit zum 1.11.2007 zu Lebzeiten der Klägerin rechnete die Beklagte den Lebensversicherungsvertrag wie folgt ab:
Lebensfallsumme 27.291 EUR
Wert aus dem Überschuss 21.144 EUR
insgesamt 48.435 EUR
Diese Abrechnung hat die Klägerin für unzutreffend gehalten, da sich der letzte Nachtrag auf eine Versicherungssumme von 65.691 DM entsprechend 33.587,27 EUR belaufe. Davon hat sie die abgerechnete Lebensfallsumme i.H.v. 27.291 EUR (entspricht 53.376,56 DM) abgezogen und ist zu einer restlichen Versicherungssumme von 6.296,27 EUR (entspricht 12.315 DM) gekommen. Zudem hat sie gemeint, dass ihr daraus noch ein weiterer Überschuss zustehe. Diesen hat sie aus dem Verhältnis der Überschussbeteiligung zur Lebensfallsumme gerechnet, nämlich 77 % multipliziert mit 6.296,27 EUR = 4.848,13 EUR. Aus der Summe von 6.296,27 EUR und 4.848,13 EUR hat sie die Klageforderung errechnet.
Die Beklagte hat die Richtigkeit der klägerischen Rechnung bestritten.
Die im Juni 1995 mit 3. Nachtrag mitgeteilte Versicherungssumme i.H.v. 65.691 DM habe bereits die bis dahin erwirtschafteten Überschussanteile enthalten.
Der 2. Nachtrag aus April 1995 sei insoweit eindeutig und habe der Klägerin in korrekter Weise mitgeteilt, wie die neue beitragsfreie Versicherungssumme errechnet werde und welche Werte sie beinhalte.
Dem von der Klägerin in Bezug genommene 3. Nachtrag aus Juni 1995 fehle in der Tat der Hinweis, wie er im Nachtrag aus April 1995 erfolge, dass nämlich die Versicherungssumme unter Einbeziehung bisheriger Überschüsse berechnet worden sei und sich die Versicherungssumme daher lediglich noch um künftige Überschüsse erhöhen könne. Dieser 3. Nachtrag sei jedoch im Zusammenhang mit den vorherige...