Verfahrensgang
Tenor
Die Beklagte wird unter Abänderung des am 22.10.2008 verkündeten Urteils des LGs Bielefeld - AZ 18 O 14/08 - verurteilt, an die Klägerin 5.363,23 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.10.2007 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 10 % und die Beklagte zu 90 %.
Das Urt. ist vorläufig vollstreckbar.
Die Rev. wird nicht zugelassen.
Gründe
(ohne Tatbestand gem. § 313a ZPO)
Die zulässige Berufung ist in zuerkanntem Umfang begründet.
I. Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von 5.363,23 EUR aus § 1 Abs. 1 S. 1 Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG) iVm. § 116 Abs. 1 SGB X.
1. Der Versicherten der Klägerin, Frau S, ist ein Anspruch auf Schadensersatz gegen die Beklagte in Höhe der Behandlungskosten für den Austausch des Herzschrittmachers der Marke H, Modell "H2", Seriennummer H3, in Höhe von 5.363,23 EUR aus § 1 Abs. 1 Satz 1 ProdHaftG entstanden.
Dieser Anspruch richtet sich gegen die Beklagte. Gemäß § 1 Abs. 1 ProdHaftG trifft die Haftung den Hersteller des fehlerhaften Produktes. Die Beklagte ist zwar nicht selbst Herstellerin i.S.d. § 4 Abs. 1 ProdHaftG. Der Herzschrittmacher wird von der in den USA ansässigen Muttergesellschaft der Beklagten, der H Corporation mit Sitz in H4 hergestellt. Die Beklagte steht aber gem. § 4 Abs. 2 ProdHaftG dem Hersteller gleich. Sie ist alleinige Importeurin des hier zu beurteilenden Herzschrittmachers in den Europäischen Wirtschaftsraum. Als solche haftet sie neben dem Hersteller.
Der Herzschrittmacher Marke H, Modell "H2", Seriennummer H3 weist auch einen Produktfehler i.S.d. § 3 ProdHaftG auf.
Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die Klägerin mit ihrer erstmals in der Berufungsinstanz vorgetragenen Argumentation, der streitgegenständliche Herzschrittmacher weise einen Produktfehler auf, nicht gem. § 531 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen. Denn dieser Vortrag stellt kein neues Angriffsmittel i.S.d. §§ 530, 531 ZPO dar. Der Begriff des Angriffsmittels umfasst nach § 282 Abs. 1 ZPO den Tatsachenvortrag der Parteien (Behauptungen und Bestreiten), Einwendungen und Einreden, sowie Beweismittel und Beweiseinreden (Musielak, ZPO, 6. Aufl., § 530 Nr. 11). Nicht zu den Angriffsmitteln gehören hingegen Rechtsausführungen, da das Gericht das Recht ohnehin "von Amts wegen" richtig anzuwenden hat (Zöller/Grummer/Heßler, ZPO, 27. Auflage, § 530, Rdnr. 8). Nach den vorstehenden Grundsätzen ist zwischen dem Tatsachenvortrag, der einen Fehler i.S.d. § 1 Abs. 1, 3 ProdHaftG begründen soll, und der rechtlichen Wertung, ob die Tatsachengrundlage für diese Annahme ausreichend ist, zu unterscheiden. Es ist unbeachtlich i.S.d. § 531 ZPO, wenn die Klägerin - wie im vorliegenden Fall - lediglich ihre Rechtsmeinung ändert. Die Klägerin hat in der Berufungsinstanz ihren tatsächlichen Vortrag, der die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Produktfehlers betrifft, nicht geändert. Sie hat sich weiterhin auf das berufen, was sie erstinstanzlich vorgetragen hat. So hat sie bereits erstinstanzlich unter Bezugnahme auf das "Sicherheitsschreiben" der Beklagten vom 22.07.2005 vorgetragen, ein in dem Herzschrittmacher "verwendetes Bauteil zur hermetischen Verriegelung unterliege möglicherweise einem sukzessiven Verfall". Außerdem hat sie die hieraus resultierenden möglichen Folgen, wie zB vorzeitige Batterieerschöpfung, Verlust der Stimulationsfunktion usw., erstinstanzlich vorgetragen. Die sich aus diesem Tatsachenvortrag ergebende Frage, ob eine Fehlfunktion weniger Geräte die Fehlerhaftigkeit der ganzen Serie und damit einen Produktfehler des hier zu beurteilenden Schrittmachers begründen kann, ist hingegen eine Rechtsfrage.
Der hier zu beurteilende Herzschrittmacher gehört zu einer Untergruppe des Modells "H2", bei der ein Bauteil zur hermetischen Verriegelung verwendet worden ist, das möglicherweise einem sukzessiven Verfall unterliegt, was zu einer Fehlerrate für die noch implantierten, aktiven Herzschrittmacher von mindestens 0,17 bis 0,51 % führt (vgl. Sicherheitsinformation der Herstellerin vom 22.7.2005, Bl. 518 d.A.), und die der Hersteller in seinem veröffentlichten Informationsschreiben vom 23.1.2006 sogar mit 0,31 % - 0,88 % angegeben hat (Anlage 2 des Gutachtens vom 07.09.2009). Hierin liegt ein Produktfehler i.S.d. § 3 ProdHaftG.
Ein Produkt hat gem. § 3 ProdHaftG einen Fehler, wenn es nicht die Sicherheit bietet, die der Verkehr unter Berücksichtigung aller Umstände im Zeitpunkt des In-Verkehr-Bringens erwarten kann. Grundsätzlich muss ein Produkt daher bezüglich der Konstruktion, der Fabrikation und Instruktion so beschaffen sein, dass es die körperliche Unversehrtheit nicht beeinträchtigt. Maßstab sind hier die berechtigten Erwartungen, die ein Endverbraucher nach der Verkehrsauffassung an die Sicherheit des Produkts stellen kann (Sprau in Palandt, BGB, 69. Aufl., § 3 P...