Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsauslegung bei unwirksamer Bürgschaft
Leitsatz (amtlich)
Die Rechtsprechung des BGH zur ergänzenden Vertragsauslegung bei einer formularmäßig unwirksam vereinbarten Vertragserfüllungsbürgschaft auf erstes Anfordern (BGH, Urt. v. 4.7.2002 - VII ZR 502/99, BGHReport 2002, 913 = MDR 2002, 1365 = BauR 2003, 1533 ff.) ist nicht auf den Fall einer formularmäßig unwirksam vereinbarten Gewährleistungsbürgschaft auf erstes Anfordern zu übertragen.
Verfahrensgang
LG Essen (Urteil vom 22.05.2003; Aktenzeichen 18 O 496/02) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 22.5.2003 verkündete Urteil der 18. Zivilkammer des LG Essen abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, die Bürgschaftsurkunde Nr. #1 der O-Bank über 60.610,36 Euro, ausgestellt am 25.2.1999, an die Klägerin herauszugeben.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 75.000 Euro abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 61.000 Euro für die Vollstreckung in der Hauptsache oder i.H.v. 110 % des jeweils beitreibbaren Kostenbetrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
A. Sachverhaltsdarstellung
Der Senat nimmt Bezug auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil. Der Sachverhalt stellt sich nunmehr wie folgt dar:
Die Rechtsvorgängerin der Beklagten, die Fa. X GmbH & Co. KG, erstellte als Generalunternehmerin für die Fa. H mbH das Bauvorhaben Technologiezentrum III in E.
Am 31.3.1992/3.4.1992 schloss die Klägerin mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten einen Nachunternehmervertrag über die Ausführung von heizungs-, lüftungs- und klimatechnischen Arbeiten an dem Bauvorhaben ab (Bl. 6-11 d.A.). Der von der Rechtsvorgängerin der Beklagten vorformulierte Nachunternehmervertrag enthält unter Ziff. 7.0 "Sicherheitsleistung" einen Verweis auf die "Allgemeinen Vorbemerkungen und Leistungs-/Funktionsbeschreibung" der Auftraggeberin (Bl. 12-27 d.A.). Diese Vorbemerkungen sind ebenfalls vorformuliert und gem. Ziff. 1.0 des Nachunternehmervertrages Vertragsbestandteil.
Ziff. 6.2.5 der Allgemeinen Vorbemerkungen und Leistungs-/Funktionsbeschreibung (Bl. 17 d.A.) bestimmt, dass 5 % der Abrechnungssumme für die Dauer der Gewährleistung einbehalten werden und "dieser Sicherheitseinbehalt gegen Vorlage einer Gewährleistungsbürgschaft nach Muster des Hauptunternehmers" ablösbar ist. Ziff. 9 sieht vor, dass einzelne unwirksame Bestimmungen den Bestand des Vertrages nicht berühren und "vielmehr durch eine rechtswirksame (Bestimmung), die dem wirtschaftlichen Sinn am nächsten kommt, zu ersetzen" sind (Bl. 18 d.A.). Gemäß Ziff. 2 (Bl. 12 d.A.) ist die VOB/B ergänzend vereinbart.
Das Bürgschaftsmuster der Auftraggeberin der Beklagten und Hauptunternehmerin enthält die ebenfalls vorformulierten Klauseln, dass die Bürgschaft auf erstes Anfordern zu zahlen sei und dass die Bürgin u.a. auf die Einrede gem. § 768 BGB verzichte. In der Berufungsinstanz hat die Beklagte im Hinblick auf die Entscheidung des BGH (BGH, Urt. v. 26.2.2004 - VII ZR 247/02, MDR 2004, 805 = BGHReport 2004, 801) vorgetragen, nicht mehr feststellen zu können, ob das Bürgschaftsformular der Hauptunternehmerin den Vertragsunterlagen bei ihrer Unterzeichnung bereits beigefügt gewesen oder ihnen erst später beigefügt worden sei.
Nach dem vorstehend beschriebenen Bürgschaftsmuster stellte die O-Bank am 25.2.1999 die streitgegenständliche Bürgschaft über 118.543,56 DM (60.610,36 Euro) aus (Bl. 28 d.A.).
Die Auftraggeberin der Beklagten nimmt diese im Verfahren 1 O 457/02 LG Duisburg auf Zahlung von Schadensersatz i.H.v. 729.798,24 Euro nebst Zinsen in Anspruch, wobei die Beklagte der Klägerin in dem Verfahren den Streit verkündet hat, weil sie die Auffassung vertritt, dass die von ihrer Auftraggeberin gerügten Mängel das Gewerk der Klägerin beträfen.
In Bezug auf das vorliegende Verfahren hat die Klägerin gemeint, dass die Bürgschaftsklausel unwirksam und die Beklagte zur Herausgabe der Bürgschaft verpflichtet sei.
Sie hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie die am 25.2.1999 ausgestellte Bürgschaftsurkunde Nr. #1 der O-Bank über 60.610,36 Euro herauszugeben.
Die Beklagte hat beantragt, dem Klageantrag nur Zug um Zug gegen eine inhaltsgleiche Bürgschaft eines Kreditinstitutes oder Kreditversicheres mit Zulassung in der Europäischen Gemeinschaft oder in einem Staat der Vertragsparteien des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder in einem Staat der Vertragsparteien des WTO-Übereinkommens über das öffentliche Beschaffungswesen ohne die Verpflichtung zur Zahlung auf erstes Anfordern stattzugeben.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass der aufgrund der unwirksamen Sicherungsabrede lückenhafte Vertrag dahin gehend ergänzend ausgelegt werden könne, dass der Bauunternehmer nur eine befristete, selbstschuldnerische Bürgschaft schulde.
Mit seinem Teilanerkenntnis- und Sc...