Entscheidungsstichwort (Thema)
Leistungsfähigkeit beim Elternunterhalt bei vollständigem Einkommensverbrauch für den Familienunterhalt
Leitsatz (amtlich)
Verwendet das gegenüber einem Elternteil unterhaltspflichtige Kind ebenso wie sein Ehegatte sein Einkommen vollständig für den Familienunterhalt, so ist die unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit des Kindes ausschließlich nach seinem eigenen Einkommen zu beurteilen. Dabei kommt eine Herabsetzung des angemessenen Selbstbehalts unter Berücksichtigung des finanziellen Vorteils aus der gemeinsamen Haushaltsführung mit dem Ehegatten in Betracht. Mangels Bestehens eines Taschengeldanspruchs gegen den Ehegatten ist das Kind nicht verpflichtet, einen Teil seines eigenen Einkommens in Höhe eines fiktiven Taschengeldes ohne Beachtung des angemessenen Selbstbehalts für den Elternunterhalts einzusetzen.
Normenkette
BGB §§ 1601-1602, 1603 Abs. 1; SGB XII § 94 Abs. 1
Verfahrensgang
AG Bad Oeynhausen (Urteil vom 24.01.2007; Aktenzeichen 23 F 155/05) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten sowie die Anschlussberufung des Klägers wird das am 24.1.2007 verkündete Urteil des AG - FamG - Bad Oeynhausen unter Zurückweisung der weitergehenden Rechtsmittel abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 4.772 EUR zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger zu 60 % und die Beklagte zu 40 % zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Der Kläger klagt aus übergegangenem Recht Unterhaltsansprüche der Mutter der Beklagten, Frau K. ein. Die Mutter der Beklagten befand sich seit dem 13.5.2003 in einem Pflegeheim und erhielt vom Kläger Sozialhilfe in unterschiedlicher Höhe. Mit Schreiben vom 8.7.2003 forderte der Kläger die Beklagte auf, monatlich 100 EUR als Unterhalt für ihre Mutter zu zahlen, nachdem er zuvor mit Schreiben vom 19.5.2003 auf die Überleitung des Unterhaltsanspruchs auf sich hingewiesen hatte. Mit Schriftsatz vom 21.1.2005 wurde die Beklagte zur Zahlung von monatlich 240 EUR ab dem 13.5.2003 aufgefordert.
Die jetzt 58 Jahre alte Beklagte war während des gesamten Unterhaltszeitraums als Sekretärin mit 25 Wochenstunden beschäftigt. Sie ist verheiratet. Ihr Ehemann ist Lehrer. Aus der Ehe sind drei Kinder hervorgegangen, die alle volljährig sind. Die Tochter B. hat in diesem Zeitraum einen Meisterkurs mit finanzieller Unterstützung der Eltern absolviert. Die Tochter C. hat im November 2005 das medizinische Examen abgelegt und ist seit Dezember 2005 als Assistenzärztin mit eigenem Einkommen beschäftigt.
Die Beklagte hat einen Bruder, H.K.-F., dem der Kläger den Streit verkündet hat; dieser ist dem Rechtsstreit nicht beigetreten. Der Bruder der Beklagten hat durch Übergabevertrag v. 20.11.1972 den Hof seiner Eltern übernommen gegen Zusage der Versorgung mit Kost, Wohnung und Taschengeld. Seit dem Aufenthalt der Mutter im Pflegeheim zahlt er anstelle dieser Leistungen mtl. 604,72 EUR an den Kläger.
Der Kläger hat mit seiner Klage Unterhaltszahlungen der Beklagten für deren Mutter i.H.v. monatlich 240 EUR ab dem 13.5.2007 geltend gemacht. Dabei hat er eine ausreichende Leistungsfähigkeit der Beklagten unter Berücksichtigung des Familieneinkommens, d.h. ihres Anspruchs auf Familienunterhalt gegen den Ehemann, als gegeben angesehen. Letztlich hat er die Beklagte auf die Verwendung ihres Taschengeldanspruchs gegen ihren Ehemann zur Bestreitung des Unterhalts der Mutter verwiesen.
Die Beklagte hat ihre Leistungsfähigkeit bestritten. Mit ihrem eigenen Einkommen als Sekretärin unterschreite sie den Mindestselbstbehalt. Eine Erhöhung des ihr zuzurechnenden Eigeneinkommens im Hinblick auf die Wahl der Lohnsteuerklasse V sei nicht vorzunehmen. Zusammen mit ihrem deutlich mehr als sie verdienenden Ehegatten habe sie ihr beiderseitiges Gesamteinkommen für den Familienunterhalt vollständig verbraucht.
Das FamG hat der Klage für die Zeit vom 13.5.2003 - 31.1.2005 nur i.H.v. monatlich 100 EUR stattgegeben mit der Begründung, die Mahnung vom 21.1.2005, mit welcher der Kläger erstmals monatlich 240 EUR verlangt habe, nachdem vorher nur eine Forderung von monatlich 100 EUR geltend gemacht worden sei, habe keine Rückwirkung.
Das FamG hat für die Folgezeit der Klage uneingeschränkt stattgegeben. Dabei ist es unter Zugrundelegung des von der Beklagten dargelegten und belegten Familieneinkommens und der hiervon abzuziehenden Aufwendungen für den Familienunterhalt von einer vollständigen Leistungsfähigkeit der Beklagten ausgegangen.
Mit ihrer Berufung verfolgt die Beklagte weiterhin die vollständige Klageabweisung. Sie wiederholt und vertieft hierzu ihren erstinstanzlichen Vortrag. Dabei macht sie insbesondere geltend, das FamG habe sich nicht mit ihrem Einwand auseinandergesetzt, das Familieneinkommen sei vollständig verbraucht worden für die Lebenshaltung, so dass mit Ausnahme für die Aufwendungen für das Familienheim keinerlei Vermögensbildung betrieben worden sei.
Nicht berücksichtigt worden sei außerdem der Wegfall der Eigenheimzulage (mit Vollendung des 27. Lebensjahres ...