Leitsatz (amtlich)

1. Ein Mangel der Eigentumswohnung kann auch darin bestehen, dass - abweichend von dem in der Teilungserklärung zugrunde liegenden Aufteilungsplan - die Außenanlage der Wohnungseigentumsanlage in einer Weise gestaltet wird, dass die der Nachbarwohnung zugewiesene Terrasse unmittelbar vor dem Badezimmerfenster der anderen betroffenen Wohnung verläuft. Die Nutzungsmöglichkeit dieses sensiblen Bereiches als Terrasse für die Bewohner der Nachbarwohnung kann eine erhebliche Beeinträchtigung des Wohngebrauchs darstellen.

2. Dies kann selbst dann gelten, wenn der Bereich vor dem Badezimmerfenster zwar tatsächlich nicht dem Sondernutzungsrecht der Nachbarwohnung unterliegt, aufgrund der Gestaltung der Pflasterung aber den Eindruck vermittelt, dieser Bereich gehöre zur Terrasse der Nachbarwohnung.

 

Verfahrensgang

LG Essen (Urteil vom 04.04.2006; Aktenzeichen 9 O 209/04)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird - unter Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels - das am 4.4.2006 verkündete Urteil des LG Essen abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 5.105 EUR zu zahlen Zug um Zug gegen Beseitigung des Mangels an der Eigentumswohnung der Beklagten Nr. 3 im Hause I-Strasse in I, der darin besteht, dass der Bereich vor dem Badezimmer der Wohnung der Beklagten gepflastert und dadurch zur Terrasse der Nachbarwohnung Nr. 4 gehörig erscheint.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen werden gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

(abgekürzt gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO)

Die zulässige Berufung hat in der Sache teilweise Erfolg.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte noch einen Restwerklohnanspruch gem. § 631 Abs. 1 BGB i.H.v. 5.105 EUR, der entgegen dem landgerichtlichen Urteil auch fällig ist. Gegenüber diesem Restwerklohnanspruch steht der Beklagten jedoch ein Leistungsverweigerungsrecht zu, weil die Klägerin gem. § 634 Nr. 1, 635 BGB noch einen Mangel beseitigen muss und zwar mit einem voraussichtlich die Forderung übersteigenden Kostenaufwand.

I. Die Klägerin hat gegen die Beklagte aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Bauträgervertrag vom 30.8.2002 Anspruch auf Zahlung der Schlussrate. Nachdem die Beklagte auf die Schlussrate einen Betrag i.H.v. 2.000 EUR gezahlt hat, steht noch ein Betrag i.H.v. 5.105 EUR zur Zahlung offen.

II. Dieser Restwerklohnanspruch ist auch fällig.

Die Fälligkeitsvoraussetzung für die Schlussrate gem. § 8 Nr. 3 Buchst. I) des notariellen Vertrages vom 30.8.2002, die vollständigen Fertigstellung des Objektes, ist trotz des noch vorliegenden Mangels gegeben.

Was unter dem Begriff der "vollständigen Fertigstellung", wie er in dem Notarvertrag in Anlehnung an die Formulierung in § 3 Abs. 2 MaBV verwendet wird, zu verstehen ist, wird in der Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beurteilt.

Nach einer Ansicht soll die vollständige Fertigstellung mit Blick auf § 12 Abs. 1 VOB/B dem Zeitpunkt der Abnahmereife entsprechen (OLG Düsseldorf v. 14.7.1981 - 20 U 26/81, BauR 1982, 168 f.). Sie liegt danach vor, wenn die Bauleistung funktionell soweit fertig gestellt ist, dass sie ungehindert und bestimmungsgemäß in Gebrauch genommen werden kann; das Gewerk muss danach (nur) im Wesentlichen mangelfrei sein.

Nach anderer Auffassung soll von einer vollständigen Fertigstellung erst dann auszugehen sein, wenn alle Mängel vollständig beseitigt sind. Dabei sollen allerdings "unwesentliche" Mängel über § 242 BGB unberücksichtigt bleiben (OLG Naumburg, IBR 1999, 532, OLG Koblenz v. 18.12.1998 - 10 U 362/98, NJW-RR 1999, 671, OLG Hamm, BauR 2002, 641, OLG Düsseldorf, BauR 2003, 93).

Dem ist für den vorliegenden Fall zu folgen.

Hätten die Parteien eine Gleichsetzung der vollständigen Fertigstellung mit der Abnahmereife gewollt, so hätten sie den Begriff der vollständigen Fertigstellung im Vertrag nicht zu verwenden brauchen, sondern es bei der Abnahme als gesetzlicher Fälligkeitsvoraussetzung bewenden können. Im Hinblick darauf, dass die 11. Rate an die Bezugsfertigkeit und Besitzübergabe knüpft, muss aber die zur Fälligkeit der Schussrate erforderliche "vollständige Fertigstellung" ein anderer Zeitpunkt sein als die Abnahme oder Abnahmereife (OLG Düsseldorf, a.a.O.).

Danach ist zwar mit dem LG davon auszugehen, dass Fälligkeit der Schlussrate vorliegend mit der Fertigstellung des Objekts nicht nur die Abnahme, sondern darüber hinaus auch die Beseitigung aller Mängel erfordert. Einschränkend kann dies allerdings bei vorausgegangener Abnahme nur für solche Mängel gelten, die bei der Abnahme bereits zutage getreten und gerügt worden sind, sog. Protokollmängel. Denn in einer Abnahme unter Mängelvorbehalt ist die Erklärung zu erblicken, das Bauvorhaben dann als vollständig fertig gestellt anzusehen, wenn die vorbehaltenen Mängel beseitigt worden sind. Selbst wenn dann später Mängel gerügt werden, die nicht in dem Abnahmeprotokoll aufgeführt sind, i...

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