Leitsatz (amtlich)

Die Regeln der Straßenverkehrsordnung (StVO) sind auf einem öffentlich zugänglichen Parkplatz grundsätzlich anwendbar.

Einen Vertrauensgrundsatz zugunsten des "fließenden" Verkehrs gegenüber dem wartepflichtigen Ein- oder Ausfahrenden gibt es grundsätzlich nicht.

Etwas anderes kann gelten, wenn die angelegten Fahrspuren zwischen den Parkplätzen eindeutig Straßencharakter haben und sich bereits aus ihrer baulichen Anlage ergibt, dass sie nicht dem Suchen von Parkplätzen dienen, sondern der Zu- und Abfahrt der Fahrzeuge (hier: Durchfahrtsstraße im Bereich der LKW-Stellplätze auf einem Rastplatz an einer Bundesautobahn).

 

Normenkette

StVG § 7; BGB § 823 Abs. 1; StVO § 10

 

Verfahrensgang

LG Paderborn (Urteil vom 07.01.2014; Aktenzeichen 2 O 364/13)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 7.1.2014 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 2. Zivilkammer des LG Paderborn (2 O 364/13) unter Klageabweisung und Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert:

Die Beklagten werden verurteilt, an den Kläger als Gesamtschuldner weitere 10.993,28 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.8.2013 zu zahlen sowie den Kläger von vorgerichtlichen weiteren Rechtsanwaltsgebühren i.H.v. 156 EUR freizustellen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten als Gesamtschuldner.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Der Kläger macht gegen die Beklagten vollen Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall geltend, der sich am 18.6.2013 gegen 17:12h auf dem an der BAB 44 auf Höhe Km 88,5 gelegenen Rastplatz Eringerfeld in Geseke ereignet hat. Der Angestellte des Klägers, Herr T, befuhr mit dem Lastzug des Klägers einen im weiteren Verlauf zur Auffahrt zur BAB führenden Zufahrtsweg, an den rechtsseitig ca. 18 schräg angeordnete Lkw-Stellplätze angrenzen, von denen die Einfahrt in die Zufahrtstraße möglich ist. Auf dem letzten Stellplatz führte der Beklagte zu 2) mit dem Lastzug der bei der Beklagten zu 3) haftpflichtversicherten Beklagten zu 1) Rangierbewegungen durch. Dabei kam es im Bereich der rechten Fahrspur der Zufahrtstraße zur Kollision beider Lastzüge. Die Beklagte zu 3) hat vorprozessual auf der Grundlage einer 50%igen Haftung unter Kürzung einzelner Schadenspositionen hinsichtlich des Fahrzeugsachschadens die von dem Kläger geltend gemachten Forderungen reguliert.

Durch das angefochtene Urteil, auf das wegen der tatsächlichen Feststellungen gem. § 540 Abs. 1 ZPO Bezug genommen wird, soweit sich aus dem Nachfolgenden nichts anderes ergibt, hat das LG auf der Grundlage einer hälftigen Haftung dem Kläger einen weiteren Betrag von 1.295,46 EUR nebst Zinsen zuerkannt und die Beklagten zur Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe weiterer 52 EUR verurteilt. Nach Ansicht des LG sei der Unfall in gleichem Ausmaß von den Beteiligten verursacht worden. Die von dem Fahrer des klägerischen Lastzugs befahrene Zufahrtsstraße diene nicht dem fließenden Verkehr und vermittle gegenüber dem aus dem Stellplatz anfahrenden Beklagten zu 2) kein Vorfahrtsrecht. Zudem sei der Fahrer T mit den in der Klageschrift angegebenen ca. 40 km/h zu schnell unterwegs gewesen, da er jederzeit mit ausparkenden Fahrzeugen habe rechnen müssen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers, mit der dieser auf der Grundlage einer 100%igen Haftung der Beklagten Ausgleich des restlichen Schadens verlangt. Entgegen der Ansicht des LG, und durch die vorgelegten Lichtbilder belegt, handele es sich bei der von dem Fahrer T befahrenen Fahrbahn um eine dem fließenden Verkehr dienende Straße, auf der der Zeuge T gegenüber dem aus der rechts gelegenen Parkbox einfahrenden Beklagten zu 2) die Vorfahrt zugestanden habe.

Ein Mitverschulden des Zeugen T an dem Zustandekommen des Verkehrsunfalls liege nicht vor. Soweit das LG im angefochtenen Urteil von mindestens 40 km/h ausgehe, sei dies nicht bewiesen. Die Auswertung des Fahrtenschreibers habe nichts ergeben.

Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil teilweise abzuändern und die Beklagten zu verurteilen, an ihn weitere 10.993,28 EUR nebst Zinsen i.H.v. 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz s.d. 10.8.2013 zu zahlen, sowie ihn von weiteren 651,80 EUR vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten freizustellen.

Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das angefochtene Urteil.

II. Die Berufung des Klägers hat in der Hauptsache überwiegend Erfolg. Abstriche waren lediglich hinsichtlich des Zinsforderung und der Höhe der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten vorzunehmen.

Dem Kläger steht gegen die Beklagten ein weiterer Schadensersatzanspruch i.H.v. 10.993,28 EUR gem. §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1, 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG, § 823 Abs. 1 BGB zu. Denn die Beklagten haften dem Kläger in vollem Umfang auf Ersatz der diesem durch den Verkehrsunfall entstandenen Schäden.

A. Unzweifelhaft hat sich der Unfall beim Betrieb der beteiligten Kraftfahrzeuge ereignet. Es kann nicht festgestellt werden, dass es sich be...

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