Tenor
Der Bescheid der Beklagten vom 29.04.2010 wird aufgehoben; die Beklagte wird verpflichtet, den Antrag der Klägerin vom 23.07.2009 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes neu zu bescheiden.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Geschäftswert wird auf 12.500,00 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin ist seit dem ####### als Rechtsanwältin zugelassen. Sie ist seit dem 11.01.2005 Fachanwältin für Familienrecht und betreibt eine Einzelpraxis in X.
Mit Antrag vom 22.07.2009 beantragte sie, ihr die Erlaubnis zur Führung der Bezeichnung "Fachanwältin für Erbrecht" zu erteilen. Sie legte zum Nachweis der besonderen Kenntnisse eine Bescheinigung der #################### vom 18.06.2008 vor und fügte ihrem Antrag eine Fallliste mit 107 Fällen bei. Sie wurde mit Schreiben der Beklagten vom 14.08.2009 angehalten, ergänzende Angaben zu den Akten zu reichen. Mit Schreiben vom 28.10.2009 übermittelte sie Arbeitsproben und überreichte eine Ergänzungsfallliste, die 32 Fälle umfasst.
Mit Verfügung der Beklagten vom 29.04.2010, der Klägerin am 06.05.2010 zugestellt, wies die Beklagte den Antrag zurück. Die Klägerin hätte nur 69,5 Fälle belegt und damit die erforderliche Fallpunktzahl verfehlt. Hiergegen erhob die Klägerin am 01.06.2010 Klage, die am selben Tage beim AGH eingegangen ist.
Die Beklagte vertritt die Auffassung, die Tätigkeiten der Klägerin im Rahmen von Nachlasspflegschaften könnten nicht als Erbrechtsfälle im Sinne der FAO gewertet werden. Die von ihr im einzelnen (auf Blatt 3 der Verfügung vom 29.04.2010) genannten "Nachlasspflegschaftsfälle" (Nummern 15, 16, 17, 19, 22, 23, 24, 25, 29, 30, 34, 35, 36, 37, 38, 39, 40, 42, 45, 46, 47, 49, 50, 51, 52, 54, 63, 64, 65, 68, 69 und 70 der Ausgangsliste) und Nummern 1 - 26 der Ergänzungsliste hätten ihren Schwerpunkt in "der Inbesitznahme und Ordnung des Nachlasses, d.h. Ermittlung der Aktiva und Überprüfung bestehender Ansprüche gegen Nachlass", ggf. auch in der Erbenermittlung und in der quotenmäßigen Befriedigung der Gläubiger. Es hätte sich bei den Fällen zwar noch das "eine oder andere Problem gestellt", insgesamt sei aber die Anerkennung als Fall im Sinne des § 14 FAO nicht gerechtfertigt. Nachlasspflegschaften seien nur dann als rechtsförmliche Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit anzuerkennen, "wenn der Schwerpunkt der Tätigkeit des Nachlasspflegers in der Anwendung des materiellen Erbrechts lag". Diese Auffassung vertrete der Fachausschuss der Beklagten auch in vergleichbaren Fällen.
Letzteres bestreitet die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 02.07.2010 und verweist auf § 14 f FAO. Dort sei die Nachlasspflegschaft als ein Gebiet des Erbrechts im Sinne der Fachanwaltsordnung genannt. Bei allen Nachlasspflegschaften stellten sich zwangsläufig eine Frage aus dem Nachlasspflegschaftsrecht, beginnend mit der Bestellung, über die Annnahme des Amtes sowie die ordnungsgemäße Verwaltung und endend mit den Fragen des Vergütungsrechts. Sie verweist auf das von ihr vorgelegte "Merkblatt für Nachlasspflegerinnen und Nachlasspfleger" sowie die von ihr in den Fällen 19, 25, 34, 35, 38, 39, 40, 42, 47, 49, 52 und 70 entfaltete Tätigkeit der Erbenermittlung. Sie nimmt auf weitere Fälle und die von ihr vorgelegten Arbeitsproben Bezug, aus denen sich im einzelnen ergebe, dass Tätigkeiten entfaltet worden seien, die über die typischen Aufgaben der Nachlasspflegschaft hinausgereicht hätten. Sie verweist weiter auf Rechenfehler der Beklagten und einen nicht berücksichtigten Fall der Testamentsvollstreckung (Nr. 50), der irrtümlich als Nachlasspflegschaft eingestuft worden sei. Die Beklagte habe ferner die Fälle der Ergänzungsfallliste mit den Nummern 29, 30 und 32 nicht berücksichtigt.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Rechtsanwaltskammer I vom 29.04.2010, zugestellt am 06.05.2010, aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihr antragsgemäß die Erlaubnis zur Führung der Fachanwaltsbezeichnung "Erbrecht" zu erteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte verweist auf die im Rahmen des Verwaltungsverfahrens angestellten Überlegungen. Unterstelle man erneut dieselben hypothetischen Überlegungen wie im angefochtenen Bescheid, ergebe sich, dass die Fälle der Nachlasspflegschaften nur mit 0,1 Punkten je Fall in Ansatz zu bringen seien. Würden die Fälle der Ergänzungsfallliste berücksichtigt, müssten die Fälle mit den Nummern 8 und 84 gestrichen werden, da diese außerhalb des 3-Jahres-Zeitraums lägen. Dies führe insgesamt bei "hypothetischer Betrachtung" dazu, dass die nötige Fallpunktzahl immer noch nicht erreicht sei.
Der Sach- und Streitstand ist in der mündlichen Verhandlung vom 29.10.2010 mit den Parteien erörtert worden. Auf Nach...