Leitsatz (amtlich)
1. Eine Fristsetzung zur Fertigstellung der geschuldeten Leistung soll dem Schuldner, der sich bereits in Verzug befindet, nur noch eine letzte Gelegenheit gewähren, seine weitgehend fertig gestellte und im Wesentlichen abgeschlossene Leistung nunmehr endlich voll zu erbringen und damit den Vertrag zu erfüllen.
Wenn bis zum vereinbarten Fertigstellungszeitpunkt eines Bauvorhabens noch nicht einmal? der Bauleistung erbracht worden sind, ist diese noch nicht weitgehend fertig gestellt und im Wesentlichen abgeschlossen, so dass eine Fristsetzung entbehrlich sein kann, was aber eine Würdigung aller Umstände erfordert.
2. Eine zu knapp bemessene Nachfrist setzt grundsätzlich eine angemessene Frist in Lauf.
Das gilt nicht, wenn festgestellt werden kann, dass der Gläubiger die Frist nur zum Schein gesetzt hat und dem Schuldner keine realistische Chance einräumen wollte, seine Leistung noch zu erbringen oder dann, wenn der Gläubiger zu erkennen gegeben hat, dass er die Leistung keinesfalls annehmen werde, selbst wenn sie innerhalb einer angemessenen Frist erbracht werden sollte, so dass für den Schuldner keine Veranlassung mehr bestand, sich um eine Erfüllung seiner Leistungspflicht zu bemühen.
Für diese Ausnahmetatbestände ist der Schuldner darlegungs- und beweispflichtig.
3. Angemessen ist die Frist, in der die Fertigstellung der geschuldeten Leistung unter größten Anstrengungen des Unternehmers erfolgen kann. Das kann eine erhebliche Erhöhung der Zahl der Arbeitskräfte und der täglichen Arbeitsstunden bis hin zu Doppelschichten und Samstagsarbeit erfordern.
4. Die Bezugsfertigkeit einer Eigentumswohnung setzt voraus, dass dem Erwerber zugemutet werden kann, die Wohnung zu beziehen; sie muss von diesen zu dem nach dem Vertrag vorausgesetzten Gebrauch genutzt werden können. Solange das Bauvorhaben insgesamt noch eine Großbaustelle darstellt, ist die Bezugsfertigkeit einer einzelnen Wohnung zu verneinen.
5. Ein Gericht darf dem Sachverständigen nicht die Entscheidung übertragen, was unter "größten Anstrengungen" und "Bezugsfertigkeit" zu verstehen ist.
6. Die Koordinierung größter Anstrengungen zur Fertigstellung eines Bauvorhabens innerhalb der angemessenen Frist setzt einen detaillierten Bauzeitenplan des Auftragnehmers sowie dessen unverzügliche und erkennbar effiziente Umsetzung voraus.
Verfahrensgang
LG Münster (Urteil vom 05.11.2004; Aktenzeichen 14 O 113/04) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 5.11.2004 verkündete Urteil der 14. Zivilkammer des LG Münster wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits einschließlich
der Kosten der Streithelfer des Beklagten.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Gründe
A. Die Klägerin begehrt vom Beklagten Schadensersatz wegen Nichterfüllung eines Bauträgervertrags. Zur Begründung stützt sie sich auf die Entscheidung des OLG Stuttgart vom 26.4.2001 (19 U 217/00 = BauR 2003, 108) in dem Vorprozess umgekehrten Rubrums, durch die eine Klage des jetzigen Beklagten abgewiesen wurde. Der BGH hat die Revision durch Beschluss vom 2.5.2002 (VII ZR 199/01) nicht angenommen.
Die Klägerin schloss am 11.3.1995 mit dem Beklagten einen Bauträgervertrag, in dem sie sich verpflichtete, am Elbufer in Dresden ein Wohngebäude mit 19 Wohnungen und einem Atelierhaus mit weiteren 3 Wohnungen sowie einer Tiefgarage zu errichten. Der Beklagte erwarb die noch zu bildenden Wohnungseigentumsrechte an den Wohnungen Nr. 12 und Nr. 13, die zu einer Wohneinheit zusammengefasst wurden, mit dem Abstellraum Nr. 10 sowie den Sondernutzungsrechten an den Stellplätzen Nr. 9 und Nr. 10 in der Tiefgarage. Er zahlte die von ihm geschuldete Vergütung i.H.v. 1,3 Mio. DM am 11.5.1995 gegen Stellung einer Bürgschaft auf erstes Anfordern.
Die Klägerin verpflichtete sich in § 3 Nr. 6 des notariellen Vertrags, den Vertragsgegenstand bis zum 30.6.1996 bezugsfertig zu errichten. Wenn Außenarbeiten, jahreszeitlich bedingt, nicht bis zur Bezugsfertigkeit ausgeführt würden, hatte der Verkäufer diese nach der vertraglichen Vereinbarung zu geeigneter Zeit unverzüglich zu erbringen.
Die Wohnung sollte von der Familie des Sohns des Beklagten, der bis dahin mit seiner Frau und den Kindern in einer beengten Wohnung wohnte, am 1.7.1996 bezogen werden. Er sollte in Dresden eine Niederlassung des Familienunternehmens aufbauen und leiten.
Der Baubeginn erfolgte nicht, wie vorgesehen, am 1.6.1995, sondern erst am 1.09. 1995, weil die von der Klägerin am 26.4.1995 beantragte Baumfällgenehmigung wegen gefährdeter Vogelarten erst nach dem Ende der Brutzeit am 28.8.1995 erteilt wurde. Eine weitere Verzögerung der Baumaßnahme wurde von der Klägerin auf den außergewöhnlich strengen Winter 1995/1996 zurückgeführt.
Der Beklagte bat die Klägerin in dem Schreiben vom 1...