Leitsatz (amtlich)
1. Unterlässt es der Zusteller bei der Ersatzzustellung durch Einlegung in den Briefkasten, entgegen § 180 Satz 3 ZPO das Datum der Zustellung auf dem Umschlag des zuzustellenden Schriftstücks zu vermerken, berührt dies weder die Wirksamkeit der Zustellung noch den Lauf der dadurch in Gang gesetzten Fristen.
2. Die Entscheidung über eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Einspruchsfrist gegen einen Bußgeldbescheid kann im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht nachgeholt werden.
Verfahrensgang
AG Freiburg i. Br. (Entscheidung vom 22.02.2018) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Freiburg vom 22.02.2018 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur Entscheidung darüber, ob dem Betroffenen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Einspruchs gegen den Bußgeldbescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 06.12.2016 zu gewähren ist, an das Amtsgericht Freiburg zurückgegeben.
Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens und die dem Betroffenen hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen hat die Staatskasse zu tragen.
Gründe
I.
Das Regierungspräsidium Karlsruhe erließ am 06.12.2016 einen Bußgeldbescheid gegen den Betroffenen, mit dem wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit ein Bußgeld von 440 EUR und ein zweimonatiges Fahrverbot unter Anwendung der Vier-Monats-Regelung des § 25 Abs. 2a Satz 1 StVG festgesetzt wurden. Die Zustellung des Bußgeldbescheids erfolgte am 09.12.2016 im Weg der Ersatzzustellung durch Einlegung in den Briefkasten. Nachdem der Betroffene mit Schreiben vom 24.03.2017 an die Abgabe des Führerscheins erinnert worden war, trug er mit am 03.04.2017 bei der Bußgeldbehörde eingekommenem Schreiben vor, den Bußgeldbescheid nicht erhalten zu haben. Den damit erhobenen Einspruch verwarf das Regierungspräsidium mit Bescheid vom 05.04.2017, der dem Betroffenen am 08.04.2017 zugestellt wurde, als unzulässig, weil es die Einspruchsfrist nicht als gewahrt ansah. Mit am 24.08.2017 eingekommenem Schreiben beantragte der Betroffene gerichtliche Entscheidung. Mit Verteidigerschriftsatz vom 18.05.2017 wurde ergänzend vorgetragen, dass der Betroffene den Bußgeldbescheid erst am 29.04.2017 "vorgefunden" habe. Dazu wurde ein Umschlag, mit dem der Bescheid zugestellt worden sein soll, vorgelegt, auf dem der Vermerk über das Datum der Zustellung nicht ausgefüllt ist. Da die Bußgeldbehörde - wie sich aus einem Aktenvermerk vom 31.05.2017 ergibt - deshalb davon ausging, dass die Zustellung des Bußgeldbescheids zwar nicht unwirksam war, aber die Einspruchsfrist nicht in Gang gesetzt hatte, veranlasste sie die erneute Zustellung des Bußgeldbescheids, den der Betroffene am 03.06.2017 erhalten hat. Nach erneuter Einspruchseinlegung am 12.06.2017 verurteilte das Amtsgericht Freiburg den Betroffenen am 22.02.2018 wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit unter Festsetzung der gleichen Rechtsfolgen wie im Bußgeldbescheid, nachdem es sich auf der Grundlage der Postzustellungsurkunde und der Vernehmung des Zustellers davon überzeugt hatte, dass der Zusteller den Bußgeldbescheid wie in der Zustellungsurkunde dokumentiert in den Briefkasten des Betroffenen eingelegt hatte. Mit seiner auf die Sachrüge gestützten Rechtsbeschwerde vertritt der Betroffene die Auffassung, dass die (erste) Zustellung des Bußgeldbescheids unwirksam war und deshalb Verfolgungsverjährung eingetreten ist. Die Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe hat beantragt, die Rechtsbeschwerde als unbegründet zu verwerfen. Nach Erteilung eines rechtlichen Hinweises haben die Beteiligten an ihren Anträgen festgehalten. Wegen der in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beurteilten Auswirkungen des unterbliebenen Vermerks des Datums der Zustellung auf dem zugestellten Schriftstück hat der Einzelrichter die Sache mit Beschluss vom 05.07.2018 gemäß § 80a Abs. 3 Satz 1 OWiG auf den Senat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen.
II.
Die frist- und formgerecht eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde hat (formal) Erfolg.
Das angefochtene Urteil ist aufzuheben, weil die vom Senat von Amts wegen vorzunehmende Prüfung der Verfahrensvoraussetzungen zum Ergebnis führt, dass das Amtsgericht wegen der Bestandskraft des Bußgeldbescheids keine eigene (Sach-) Entscheidung mehr hätte treffen dürfen.
1. Der Bußgeldbescheid vom 06.12.2016 ist bestandskräftig, weil gegen ihn nicht innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 67 Abs. 1 Satz 1 OWiG Einspruch eingelegt wurde und das dafür allein zuständige Amtsgericht über eine in Betracht kommende Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Einspruchsfrist keine Entscheidung getroffen hat.
a) Einspruch gegen den Bußgeldbescheid wurde nicht fristgemäß eingelegt.
1) Gemäß § 67 Abs. 1 Satz 1 OWiG kann der Betroffene innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung gegen den Bußgeldbescheid Einspruch einlegen. Für die Zustellung, durch die die Einspruchsfris...