Leitsatz (amtlich)

1. Im Rahmen der Prüfung, ob die Beiordnung eines Rechtsanwalts geboten ist, ist zu berücksichtigen, ob es dem Antragsteller möglich und zumutbar gewesen wäre, den Antrag auf Erlass einer Gewaltschutzanordnung über die Rechtsantragstelle des AG einzureichen.

2. Die Notwendigkeit einer Anwaltsbeiordnung für Anträge auf einstweilige Anordnung von Gewaltschutzmaßnahmen kann nicht aus einem zusätzlichen Handlungserfordernis im Hinblick auf die Vollstreckung hergeleitet werden.

 

Verfahrensgang

AG Konstanz (Beschluss vom 04.09.2014; Aktenzeichen 5 F 171/14)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Konstanz vom 4.9.2014 (5 F 171/14) wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Die Antragsteller haben beim Familiengericht Konstanz den Erlass einer Gewaltschutzanordnung gegen den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung beantragt.

Mit dem Beschluss des Familiengerichts Konstanz vom 4.9.2014 wurde den Antragstellern jeweils ratenfreie Verfahrenskostenhilfe bewilligt, die beantragte Beiordnung eines Rechtsanwalts jedoch abgelehnt, da die Voraussetzungen des § 78 Abs. 2 FamFG nicht gegeben seien. Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschluss des Familiengerichts verwiesen.

Gegen die unterbliebene Anwaltsbeiordnung richtet sich die am 17.9.2014 beim AG eingegangene sofortige Beschwerde der Antragsteller. Neben überwiegend allgemeinen Ausführungen zur Frage der Notwendigkeit einer Beiordnung tragen die Antragsteller vor, dass ihnen schwere Eingriffe in ihre Rechte drohen, da das begehrte Näherungs- und Kontaktverbot voraussichtlich nicht eingehalten werde.

Das Familiengericht Konstanz hat der sofortigen Beschwerde durch Beschluss vom 23.9.2014 nicht abgeholfen und die Akten dem Beschwerdegericht zur Entscheidung vorgelegt.

II. Die sofortige Beschwerde der Antragsteller ist gem. § 76 Abs. 2 FamFG, §§ 127 Abs. 2, 569 ff. ZPO zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

Gemäß § 78 Abs. 2 FamFG ist in Verfahren, in denen - wie in der hier anhängigen Gewaltschutzsache - kein Anwaltszwang besteht, die Beiordnung eines Rechtsanwalts nur vorgesehen, wenn wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint. Dies ist vorliegend nicht der Fall.

1. Die Erforderlichkeit der Beiordnung i.S.v. § 78 Abs. 2 FamFG hängt davon ab, ob ein Bemittelter in der Lage des Unbemittelten vernünftigerweise einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt hätte (BGH FamRZ 2010, 1427; BVerfG NJW 1997, 2103, 2104; BVerfG NJW-RR 2007, 1713, 1714). Dies setzt eine konkrete, an den objektiven wie subjektiven Gegebenheiten des konkreten Falls orientierte Notwendigkeitsprüfung voraus (BGH FamRZ 2010, 1427; Keidel/Zimmermann, FamFG, 18. Aufl. 2014, § 78 Rz. 4; Zöller/Geimer, ZPO, 30. Aufl. 2014, § 78 FamFG Rz. 4). Maßgeblich ist insofern sowohl der Umfang und die Schwierigkeit der Sache als auch die Fähigkeit des Beteiligten, sich mündlich und schriftlich auszudrücken (BVerfG NJW-RR 2007, 1713, 1714). Für ein Regel-Ausnahme-Verhältnis lässt das Kriterium der Erforderlichkeit in Hinblick auf die Vielfalt der Lebenssachverhalte keinen Raum (BGH FamRZ 2010, 1427; MünchKomm/Viefhues, FamFG, 2. Aufl. 2013, § 78 Rz. 5).

Jeder der genannten Umstände kann für sich allein die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der bewilligten Verfahrenskostenhilfe erforderlich machen (BGH FamRZ 2010, 1427). Dabei steht der Amtsermittlungsgrundsatz einer Anwaltsbeiordnung nicht von vornherein entgegen, denn als Verfahrenssubjekt mit persönlichen Rechten und Pflichten werden die Beteiligten durch den Amtsermittlungsgrundsatz ihrer Mitwirkungs- und Verfahrensförderungsmöglichkeit nicht enthoben. Ihre Rolle im familiengerichtlichen Amtsverfahren kann nicht darauf reduziert werden, einerseits Sachanträge zu stellen, im Folgenden jedoch mangels eigener Fähigkeiten zur Verfahrensgestaltung Objekt des Verfahrens zu sein (BVerfG NJW-RR 2007, 1713; BGH FamRZ 2010, 1427).

2. Nach Maßgabe dieser Grundsätze hat das Familiengericht die Notwendigkeit einer Anwaltsbeiordnung zutreffend verneint. Der vorliegende Fall erscheint weder in objektiver noch in subjektiver Hinsicht schwierig. Ein Beteiligter, der selbst zur Aufbringung der entstehenden Kosten in der Lage wäre, würde die Beauftragung eines Rechtsanwaltes vernünftigerweise nicht für erforderlich erachten.

Die Antragsteller begehren den Erlass einer Gewaltschutzanordnung gegen den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung. Dazu tragen sie vor, dass der Antragsgegner bereits im Sommer 2011 in das Haus der Antragsteller eingedrungen und den Antragsteller Ziff. 2 bedroht habe. Eine weitere Bedrohung habe am Rosenmontag anlässlich einer zufälligen Begegnung zwischen dem Antragsteller Ziff. 2 und dem Antragsgegner stattgefunden. Im Mai 2014 habe sich der Antragsgegner vor dem Auto der Antragsteller positioniert und sie erneut bedroht. In regelmäßigen Abständen komme es im Einkaufsmarkt ... zu unsc...

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