Leitsatz (amtlich)
Die Unterschiedlichkeit der Lebenswelten der Kindeseltern kann zum Fehlen einer für die Übertragung gemeinsamer elterlicher Sorge notwendigen tragfähigen sozialen Beziehung beitragen.
Verfahrensgang
AG Freiburg i. Br. (Beschluss vom 14.10.2014; Aktenzeichen 44 F 2321/12) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird Ziff. 1 des Beschlusses des AG - Familiengericht - Freiburg vom 14.10.2014 (44 F 2321/12) wie folgt abgeändert:
Der Antrag des Antragstellers auf Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge für das Kind J. (geb ...) wird zurückgewiesen.
2. Gerichtskosten werden für das Beschwerdeverfahren nicht erhoben.
Außergerichtliche Auslagen werden nicht erstattet.
3. Der Verfahrenswert wird festgesetzt auf 3.000 EUR.
Gründe
I. Die Antragsgegnerin wendet sich mit der Beschwerde gegen die Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge für das jetzt fünf Jahre alte Kind J. (geboren am ...) auf den Antragsteller.
Der Antragsteller ist jetzt 50 Jahre alt (geboren am ...). Die Vaterschaft zu J. hat er durch Erklärung vom 11.8.2010 gegenüber dem Standesamt anerkannt. Er hat noch einen erwachsenen Sohn aus einer nach seinen Angaben 1996 geschiedenen Ehe. Der Antragsteller gibt an, nach Trennung von seiner Frau im Jahre 1995 ein Aussteigerleben geführt und auch dreieinhalb Jahre "gesessen" zu haben, u.a. in der Justizvollzugsanstalt ... Kurz nach dem ersten Anhörungstermin am 9.10.2012 im vorliegenden Verfahren zog er zurück in seine Heimat nach ... Er bezieht eine kleine Rente von der Berufsgenossenschaft und darüber hinaus Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach SGB II.
Die Antragsgegnerin ist 44 Jahre alt (geb. am ...). Sie arbeitet in Teilzeit in der Wäscherei eines Altersheims und lebt zusammen mit J. bei ihrer Mutter in ...
Die Kindeseltern haben sich zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt über das Internet kennengelernt. Der Antragsteller hat zumindest von Juni 2009 bis Oktober 2009 bei der Antragsgegnerin und deren Mutter gewohnt. Etwa ein Vierteljahr vor der Geburt von J. erfolgte die Trennung. Der Antragsteller hat zu J. nach seinen Angaben bis auf einen Besuch in der Klinik nach der Geburt keinen weiteren persönlichen Kontakt gehabt; die Antragsgegnerin spricht dagegen von einigen Besuchen des Antragstellers in den ersten Lebenswochen von J..
Anfang des Jahres 2012 beantragte der Vater die gerichtliche Feststellung seiner Vaterschaft, nachdem die Antragsgegnerin ihre Zustimmung zur Anerkennung zunächst nicht erteilt hatte. In der mündlichen Verhandlung vom 12.6.2012 stimmte die Antragsgegnerin der Anerkennung schließlich zu Protokoll des Gerichts doch zu (AG ...). Der Antragsteller beantragte daraufhin am 4.9.2012 die Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge und in einem weiteren Verfahren ... die Regelung des Umgangs mit J..
Nach einer ersten Anhörung am 9.10.2012 und Eingang des Jugendamtsbericht vom 7.11.2012 kamen das vorliegende Verfahren und das Umgangsverfahren für rund zwei Jahre zum Stillstand. Schließlich wurde Mitte September 2014 ein zweiter Anhörungstermin für den 6.10.2014 anberaumt.
Der Antragsteller macht geltend, die Antragsgegnerin verweigere jeglichen Kontakt und jegliche Information. Er zahle Kindesunterhalt, habe Interesse am Kind, wolle am Leben der Tochter und an deren Erziehung teilnehmen. Er habe lediglich ein einziges Bild erhalten und verfüge ansonsten über keine Informationen über J.. Wenn er versuche, Kontakt aufzunehmen, erreiche er die Antragsgegnerin in der Regel nicht, sondern werde von deren Mutter abgewiesen. Wenn er dort auftauche, werde sofort die Polizei gerufen. Nachdem ein Umgang hier nicht zustande gekommen sei, sei er nach ... zurückgegangen. Dort könne er in seinem Haus wohnen. Er könne allerdings sofort in den ... Raum zurückkehren. In den vergangenen etwa zwei Jahren habe er nicht mehr eingesehen, Unterhalt zu zahlen.
Die Antragsgegnerin ist dem Antrag entgegen getreten. J. besuche einen Ganztagskindergarten und sei ein lebenslustiges und frohes Kind, allerdings sehr schüchtern. Der Antragsteller habe sich jahrelang nicht um J. gekümmert. Er habe sie, die Antragsgegnerin, vehement mit Drohbriefen attackiert. Er habe auch gedroht, ihr das Kind wegzunehmen. Sein Annäherungsversuch im Frühjahr 2012 habe darauf beruht, dass seine Beziehung zu einer Frau in ... zu jener Zeit in die Brüche gegangen sei. Sie lebe in ständiger Furcht, vom Antragsteller verfolgt zu werden. Dieser habe ihr schon mehrfach vor der Wohnung aufgelauert, so dass die Polizei habe eingeschaltet werden müssen. Für eine Kommunikation mit dem Antragsteller gebe es keine Grundlage.
Mit Beschluss vom 14.10.2014 hat das AG den Eltern die gemeinsame Sorge für J. übertragen. Nach den zu § 1626a BGB entwickelten Maßstäben erscheine es nicht möglich, den Vater von der gemeinsamen elterlichen Sorge für J. auszuschließen. Die Antragsgegnerin habe bislang Versuche, miteinander zu kommunizieren, unterbunden. Der Antragsteller habe sich in der Vergangenheit zwar vereinzelt zumi...