Entscheidungsstichwort (Thema)
Begriff des neuen Umstandes i.S. von § 33 Abs.1 IRG
Leitsatz (amtlich)
Ein neuer Umstand i.S.d. § 33 Abs. 1 IRG liegt auch vor, wenn der Anspruch des Verfolgten auf Wahrung seines rechtlichen Gehörs nicht hinreichend beachtet wurde.
Tenor
1. Die Auslieferung des Verfolgten nach Italien zur Strafverfolgung aufgrund des Europäischen Haftbefehls der Untersuchungsrichterin beim Gericht in B. vom 05. März 2010 (Nr. ...) ist weiterhin zulässig.
2. Der Antrag des Verfolgten auf Aufhebung des Auslieferungshaftbefehls vom 22. März 2010 wird erneut zurückgewiesen.
3. Die Auslieferungshaft hat fortzudauern.
Gründe
I. Der Senat hat mit Beschluss vom 21.05.2010 die Auslieferung des Verfolgten nach Italien zur Strafverfolgung aufgrund des Europäischen Haftbefehls der Untersuchungsrichterin beim Gericht in B. vom 05.03.2010 (Nr. ...) für zulässig erklärt, festgestellt, dass die Entschließung der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe vom 19.04.2010, keine Bewilligungshindernisse geltend machen zu wollen, rechtsfehlerfrei getroffen ist, den Antrag des Verfolgten, den Auslieferungshaftbefehl des Senats vom 22.03.2010 aufzuheben, zurückgewiesen und die Auslieferungshaft für fortdauernd erklärt. Nach Maßgabe des Senatsbeschlusses hat die Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe die Auslieferung des Verfolgten nach Italien am 25.05.2010 bewilligt.
Am 26.05.2010 ist beim Senat per Telefax ein Schreiben des Rechtsbeistands des Verfolgten vom 25.05.2010 eingegangen, in welchem dieser die Aufhebung des Auslieferungshaftbefehls des Senats vom 22.03.2010 beantragt. Unter Hinweis auf eine ihm vom Senat aufgrund einer Verfügung vom 14.5.2010 mit Telefax vom 17.05.2010 übermittelten Erklärung des Gerichts in B. vom 10.05.2010 trägt er vor, ihm sei unerklärlich, dass den italienischen Justizbehörden nicht bekannt sei, dass der Verfolgte im April 2009 festgenommen und einen Tag nach seiner Festnahme wegen Urkundenfälschung und Ausspähung von Daten vom Amtsgericht in C. zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten zur Bewährung verurteilt worden sei, weil er mit dem dortigen Mitangeklagten ... im April 2009 mit einer verfälschten Postbankkarte einen Betrag von 500 € unberechtigt abgehoben habe. Die Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe ist dem Antrag entgegengetreten.
II. Die Auslegung des Begehrens des Verfolgten ergibt, dass dieser nicht nur die Aufhebung des Auslieferungshaftbefehls vom 22.03.2010 anstrebt, sondern sich letztendlich auch dagegen wendet, dass der Senat mit Beschluss vom 21.05.2010 seine Auslieferung nach Italien für zulässig erklärt hat.
Insoweit bleibt sein Antrag im Ergebnis ohne Erfolg, weil nach der Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung keine neuen Umstände eingetreten sind, welche eine andere Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung begründen könnten (§ 33 Abs.1 IRG). Sein diesbezüglicher Antrag ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Zwar handelt es sich beim Vortrag des Verfolgten im Schreiben seines Rechtsbeistandes vom 25.05.2010, er sei im April 2009 in Italien festgenommen und zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten auf Bewährung verurteilt worden, an sich nicht um einen neuen Umstand im Sinne des § 33 Abs.1 IRG, sondern diese Aburteilung datiert bereits vor der Zulässigkeitsentscheidung des Senats (vgl. Vogler in: Grützner/Pötz/Kreß, Internationaler Rechtshilfeverkehr in Strafsachen, 3. Aufl., § 33 Rn. 18), sodass eine erneute Berücksichtigung im Nachtragsverfahren nach § 33 IRG nicht ohne weiteres möglich ist. Auch hat der Senat die Erheblichkeit dieser vom Verfolgten bereits bei seiner richterlichen Anhörung am 12.03.2010 vorgebrachten Einwendung im Senatsbeschluss vom 21.05.2010 nach zuvor erfolgter Einholung einer Stellungnahme der italienischen Justizbehörden ausdrücklich geprüft und verneint. Gleichwohl sieht der Senat die im Schreiben des Rechtsbeistandes vom 25.05.2010 enthaltene Präzisierung seines Vortrags deshalb als neuen Umstand im Sinne des § 33 Abs.1 IRG an und nimmt ihn zur Kenntnis, weil diesem zwar die Erklärung des Gerichts in B. vom 10.05.2010 am 17.05.2010 und damit vor dem Senatsbeschluss vom 21.05.2010 zur Kenntnis gebracht, jedoch versehentlich ihm keine - wegen der Inhaftierung des Verfolgten ohnehin nicht länger zu bemessende - ausdrückliche Erklärungsfrist eingeräumt wurde. Insoweit kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Rechtbeistand im Falle einer Fristsetzung seinen Schriftsatz vom 25.05.2010 früher abgefasst und übermittelt hätte, so dass das rechtliche Gehör des Verfolgten betroffen sein kann (Schomburg/Lagodny/Gleß/Hackner, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, 4. Aufl. 2006, IRG § 33 Rn. 12).
Der Vortrag des Verfolgten im Schreiben seines Rechtsbeistandes vom 25.05.2010 ist jedoch nicht geeignet, eine andere Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung zu begründen und gibt auch keinen Anlass zur Vornahme einer weiteren Sachaufklärung.
Das Gericht in B. hat auf ausdrückliche Nachfrage der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe am ...