Entscheidungsstichwort (Thema)
Beschwerdemöglichkeit bei gleichzeitiger Revision
Leitsatz (amtlich)
Die Beschwerde gegen die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis ist auch neben der gegen das Berufungsurteil eingelegten Revision statthaft. Jedoch kann - eingeschränkt - nur überprüft werden, ob die materiell-rechtlichen Voraussetzungen des § 69 StGB vorliegen und von dem nach § 111a Abs. 1 StPO eingräumten Ermessen rechtsfehlerfrei Gebrauch gemacht wurde.
Normenkette
StGB § 69; StPO § 111a Abs. 1, § 304 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Waldshut-Tiengen (Entscheidung vom 15.09.2016; Aktenzeichen 7 Ns 23 Js 9095/15) |
Tenor
Die Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Landgerichts Waldshut-Tiengen vom 15.09.2016 wird kostenpflichtig (§ 473 Abs. 1 StPO) als unbegründet verworfen.
Gründe
I.
Der Angeklagte wurde mit Urteil des Amtsgerichts Waldshut-Tiengen vom 02.05.2016 vom Vorwurf der fahrlässigen Gefährdung des Straßenverkehrs und des unerlaubten Entfernens vom Unfallort in Tateinheit mit fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr freigesprochen; mit Beschluss vom gleichen Tage wurde die im Ermittlungsverfahren angeordnete vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis aufgehoben. Mit - nicht rechtskräftigem - Urteil vom 15.09.2016 hat das Landgericht Waldshut-Tiengen das amtsgerichtliche Urteil auf die Berufung der Staatsanwaltschaft aufgehoben und den Angeklagten wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs und unerlaubten Entfernens vom Unfallort in Tateinheit mit vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr zu einer Gesamtgeldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 50 Euro verurteilt, ihm die Fahrerlaubnis entzogen und eine Sperrfrist für die Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis von "zwölf Monaten" festgesetzt. Mit dem angegriffenen, in der Hauptverhandlung unmittelbar nach der Urteilsverkündung ergangenem Beschluss hat die Strafkammer dem Angeklagten erneut die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen.
Gegen das Urteil hat der Angeklagte am 21.09.2016 Revision und mit beim Vordergericht am selben Tag eingegangenem Schriftsatz zudem Beschwerde gegen die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis eingelegt, der die befasste Strafkammer nicht abgeholfen hat. Mit Schriftsatz vom 27.09.2016 hat der Angeklagte seine Beschwerde weiter begründet. Die Revision liegt dem Senat noch nicht zur Entscheidung vor.
II.
Die Beschwerde des Angeklagten ist zwar zulässig, bleibt aber in der Sache ohne Erfolg.
1. Nach § 304 Abs. 1 StPO ist die Beschwerde gegen den zugleich mit dem nicht rechtskräftigen Berufungsurteil ergangenen Beschluss über die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis auch neben der gegen das Urteil eingelegten Revision statthaft. Der in Teilen der obergerichtlichen Rechtsprechung (OLG Köln VRS 105, 343 ff.; Brandenburgisches Oberlandesgericht NStZ-RR 1996,170 f.; OLG Düsseldorf DAR 1995,1252) und Kommentarliteratur (KK-StPO/Bruns, StPO, 7. Aufl. 2013, § 111a, Rn. 22) vertretenen Ansicht, ein Beschluss nach § 111a StPO, der mit oder nach einem die Maßregel nach § 69 StGB anordnenden Urteil ergangen ist, könne aus systematischen Gründen nicht gesondert angefochten werden, vermag der Senat nicht zu teilen (so bereits Senat, Beschluss vom 26.10.1998, 2 WS 247/98, NZV 1999, 345 f., Rn. 3 ([...]); OLG Karlsruhe DAR 2004, 408; OLG Hamm NZV 2015, 355; Thüringer Oberlandesgericht VRS 115, 353 ff.; KG VRS 100, 443 f.; OLG Düsseldorf NZV 2000, 383; OLG Frankfurt NStZ-RR 1996, 205 f.; LR-Hauck, StPO, 126 Aufl., § 111a, Rn. 92 mwN). Eine gesetzliche Grundlage für die Annahme der Unzulässigkeit einer Beschwerde nach § 304 Abs. 1 StPO, die gegen alle von den Gerichten im ersten Rechtszug und im Berufungsverfahren erlassenen Beschlüsse zulässig ist, ist nicht ersichtlich; ein Fall des § 305 S.1 StPO liegt nicht vor.
2. Die Beschwerde ist jedoch - gemessen an dem vom Senat angenommenen eingeschränkten Prüfungsmaßstab des Beschwerdegerichts bei zugleich eingelegter Revision - unbegründet.
Es liegen dringende Gründe für die Annahme vor, dass dem Angeklagten die Fahrerlaubnis endgültig entzogen werden wird (§ 111a StPO), so dass ihre vorläufige Entziehung gerechtfertigt ist.
a. Nach den Feststellungen des bereits schriftlich vorliegenden Berufungsurteils habe der Angeklagte am 12.11.2015 gegen 1:45 Uhr am Steuer seines Pkw der Marke Mercedes-Benz mit dem amtlichen Kennzeichen XX den nördlichen Abschnitt der P-Straße (zwischen der Einmündung der B-straße und der Einmündung in die W-Straße) sowie die W-Straße in W befahren, obwohl er zuvor solche Mengen alkoholischer Getränke konsumiert gehabt habe, dass er nicht mehr fahrtüchtig gewesen sei. Die Untersuchung einer ihm am 12.11.2015 um 3:30 Uhr entnommenen Blutprobe habe eine mittlere Blutalkoholkonzentration von 1,61 Promille ergeben. Seine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit habe der Angeklagte bei der von ihm zu fordernden kritischen Selbstprüfung auch zumindest erkennen können und müssen. Aufgrund seiner Alkoholisierung sei der Angeklagte in Höhe des Anwesens W-Straße 23 auf die linke Fahrbahnhälfte geraten und sei mit ...