Leitsatz (amtlich)
Den Anforderungen an den Beleg der Einkünfte für die letzten zwölf Monate beim Einwand eingeschränkter oder fehlender Leistungsfähigkeit gemäß § 252 Abs. 4 FamFG kann genügt sein, wenn zwar nicht sämtliche Lohnabrechnungen des letzten Jahres vorgelegt werden, aber aus den übersandten Belegen sich der Jahresnettoverdienst ergibt. Die Unterlagen können auch - trotz fehlender Unterschrift - in einem Anhang per E-Mail übersandt werden, wenn das erstinstanzliche Gericht die Unterlagen ausdruckt und zur Akte nimmt.
Verfahrensgang
AG Freiburg i. Br. (Aktenzeichen 480 FH 183/21) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Freiburg vom 27.12.2021 (480 FH 183/21) aufgehoben.
2. Von der Erhebung von Gerichtskosten wird abgesehen. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
3. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.870 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Antragsgegner wendet sich mit der Beschwerde gegen die Festsetzung von Unterhaltszahlungen im vereinfachten Verfahren über den Unterhalt Minderjähriger.
Für den Sohn ..., geb. am ..., des Antragsgegners hat die Kindesmutter eine Beistandschaft beim ... gemäß § 1712 BGB einrichten lassen. Durch den Beistand hat das Kind am 14.10.2021 einen ergänzenden Antrag auf Festsetzung von Unterhalt im vereinfachten Unterhaltsverfahren beim Amtsgericht Freiburg gestellt. Mit Verfügung vom 18.10.2021 veranlasste das Amtsgericht Freiburg, dass eine Antragsmitteilung nebst Abschrift des Antrags mit Daten- und Hinweisblatt an den Antragsgegner zugestellt wird. Ausweislich der Zustellungsurkunde erfolgte die Zustellung an ihn am 25.10.2021.
Mit Schreiben vom 29.10.2021 an das Amtsgericht Freiburg teilte der Antragsgegner mit, dass er aktuell einen monatlichen Lohn von durchschnittlich 1.300 EUR erhalte. An die Mutter der beiden Kinder - Frau ... - zahle er monatlichen Unterhalt von 150 EUR. Weitere Zahlungen könne er nicht aufbringen, was an seiner gegenwärtigen Einkommenssituation liege sowie daran, dass er als Vater für insgesamt sechs minderjährige Kinder aufkommen solle. Beigefügt war dem Schreiben das ausgefüllte Datenblatt für Einwendungen gegen den Antrag auf Festsetzung von Unterhalt, allerdings fehlten Verdienstbescheinigungen für die letzten zwölf Monate ab Antragstellung.
Mit Schreiben des Amtsgerichts Freiburg vom 10.11.2021 und 03.12.2021 wurde der Antragsgegner aufgefordert, alle Lohnbescheinigungen der letzten 12 Monate (November 2020 - Oktober 2021) einzureichen und anzugeben, ob er bereit sei, den monatlichen Unterhaltsbetrag von 150 EUR weiterhin zu bezahlen und für den Zeitraum vom 01.01.2021 bis 31.10.2021 die Unterhaltsleistungen durch Kontoauszüge nachzuweisen. Mit E-Mail vom 14.12.2021 wandte sich der Bereichsleiter Markt und Integration des Jobcenters ..., Herr ..., an das Amtsgericht Freiburg und teilte mit, dass der Antragsgegner im Jobcenter als Reinigungskraft arbeite und er ihn von Zeit zu Zeit bei der Beantwortung von Anfragen unterstütze, da die sprachliche Verständigung mit dem Antragsgegner nicht immer einfach sei. Zu der gerichtlichen Anfrage vom 03.12.2021 wies Herr ... für den Antragsgegner darauf hin, dass sein Einkommen Schwankungen unterliege und daher die Unterhaltszahlungen für die Kinder ... und ... nicht immer gleich hoch seien, sich mindestens aber monatlich auf 150 EUR beliefen. Der E-Mail beigefügt als PDF-Datei waren drei Kontoauszüge, welche Zahlungen unter dem Betreff "Kinder" von 150 EUR am 05.05.2021 und 10.08.2021 sowie von 500 EUR am 05.10.2021 belegen sowie ein Schreiben der Kindesmutter, welches die monatlichen Überweisungen von 150 EUR bestätigt. Der E-Mail vom 14.12.2021 war als Anhang ferner eine PDF-Datei beigefügt, welche acht Lohnabrechnungen der Firma ... für den Zeitraum vom Oktober 2020 bis Oktober 2021 enthielt. Der zuletzt erwähnten Lohnabrechnung kann entnommen werden, dass der Antragsgegner im Jahr 2021 bis einschließlich Oktober 2021 durchschnittlich monatlich 1.227,95 EUR netto verdient hat.
Durch Festsetzungsbeschluss vom 27.12.2021 verpflichtete das Amtsgericht Freiburg antragsgemäß den Antragsgegner zur Zahlung laufenden und rückständigen Unterhalts, da er trotz der gerichtlichen Schreiben vom 10.11.2021 und 03.12.2021 die geforderten Unterlagen nicht vollständig eingereicht habe. Dieser Beschluss wurde dem Antragsgegner am 04.01.2022 zugestellt.
Mit Schreiben vom 18.01.2022, beim Amtsgericht Freiburg eingegangen am 20.01.2022, legte der Antragsgegner Beschwerde gegen den Beschluss ein und teilte im Einzelnen mit, in welcher Weise er Unterhalt an seine sechs Kinder, die er mit vier verschiedenen Müttern hat, erbringe. Zugleich beanstandete er, dass die verlangten Nachweise, die er mit Hilfe von Herrn ... mit der E-Mail vom 14.12.2021 vorgelegt habe, bei der Beschlussfassung keine Berücksichtigung gefunden hätten.
Das Landratsamt ... hat mit Schreiben vom 22.02.2022 zu der Beschwerde Stellung genommen und vertritt die Auffassung,...