Entscheidungsstichwort (Thema)
Ehelichkeitsanfechtung – Anfechtungsfrist – Fristbeginn – Zweifel. Familiensache. Ehelichkeitsanfechtung. Prozeßkostenhilfe
Leitsatz (amtlich)
Die sichere Kenntnis des Klägers zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes vom Bestehen eines intimen Verhältnisses der Kindesmutter mit einem anderen Mann bietet bei objektiver Beurteilung genügend Anhaltspunkte für einen anderweitigen Geschlechtsverkehr und somit die nicht fernliegende Möglichkeit der Nichtvaterschaft. Damit wird die Anfechtungsfrist in Lauf gesetzt. Dies gilt erst recht, wenn die Mutter dem Kläger erklärt, er sei der Vater und werde nie auf Unterhalt in Anspruch genommen.
Normenkette
BGB § 1600b Abs. 1-2
Beteiligte
Anastasia gesetzl. vertr. d.d. Mutter |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluß des Amtsgerichts – Familiengericht – H. vom 11.2.2000 (31 F 213/99) wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Der Kläger begehrt Prozeßkostenhilfe für die Anfechtung der Ehelichkeit der am 3.10.1984 während des Bestehens der Ehe des Klägers mit der Mutter der Beklagten geborenen Beklagten. Die Ehe des Klägers mit der Mutter der Beklagten ist geschieden.
Der Kläger trägt vor, er habe erst Anfang 1999, nachdem für die Beklagte Kindesunterhalt verlangt worden sei, Kenntnis davon erlangt, daß die Mutter der Beklagten Dritten gegenüber geäußert habe, er sei nicht der Vater der Beklagten. Nach der Geburt wegen eines außerehelichen Verhältnisses der Mutter bestehende Zweifel an seiner Vaterschaft habe diese mit der Versicherung, nur er sei der Vater und im übrigen werde sie nie Kindesunterhalt geltend machen, zerstreut.
Die Beklagte hat sich zur Klage bisher nicht geäußert.
Das Familiengericht hat mit Beschluß vom 11.2.2000 die Prozeßkostenhilfe versagt, da der Kläger die Anfechtungsfrist von 2 Jahren nicht gewahrt habe, nachdem er bereits bei der Geburt der Beklagten Zweifel gehabt habe.
Hiergegen richtet sich die am 20.3.2000 eingegangene Beschwerde des Klägers, mit der er nochmals vorträgt, daß er bei der Geburt trotz Bestehens eines Verhältnisses seiner Frau mit einem anderen Mann keine sichere Kenntnis von der Vaterschaft dieses anderen Mannes gehabt habe.
Das Familiengericht hat der Beschwerde durch begründeten Beschluß vom 26.6.2000 nicht abgeholfen und sie dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die Beschwerde ist gem. § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO zulässig, aber unbegründet. Das Familiengericht hat dem Kläger zu Recht Prozeßkostenhilfe versagt, da seine beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Erfolgsaussicht hat, § 114 ZPO.
Der Kläger hat nicht dargetan, daß die Anfechtungsfrist von 2 Jahren gem. 1600 b Abs. 1 S. 1 BGB gewahrt ist. Die Frist beginnt in dem Zeitpunkt, in dem der Anfechtungsberechtigte von den Umständen erfährt, die gegen die Vaterschaft sprechen, § 1600 b Abs. 1 S. 2 BGB. Die für den Fristbeginn maßgebliche Kenntnis liegt vor, wenn Tatsachen bekannt werden, die bei sachlicher Beurteilung geeignet sind, Zweifel an der Vaterschaft zu wecken und die nicht ganz fernliegende Möglichkeit der Nichtvaterschaft zu begründen (Palandt/Diederichsen, BGB, 59. Aufl., § 1600 b, Rn. 7 m.w.N.). Bei der Kenntnis ist zu unterscheiden zwischen den für die Nichtvaterschaft sprechenden objektiven Umständen, von denen volle oder sichere Kenntnis des Anfechtungsberechtigten vorliegen muß (Staudinger/Rauscher, BGB, 13. Aufl., § 1600 b, Rn. 20) und der daraus als Schlußfolgerung zu gewinnenden möglichen Überzeugung von der Nichtvaterschaft. Der Anfechtungsberechtigte muß nicht persönlich aus den ihm bekannten Tatsachen die Überzeugung gewinnen, daß das Kind nicht von ihm abstammt, es genügt vielmehr der objektive Verdacht, d. h. daß aus der Sicht eines verständigen, medizinisch-naturwissenschaftlich nicht vorgebildeten Laien die Vaterschaft ernstlich in Frage gestellt ist bzw. die Nichtvaterschaft nicht gänzlich fern liegt (BGH NJW 1990, 2813, 2814; OLG Hamm NJW-RR 1995, 643 f.; Palandt/Diederichsen, aaO., Rn. 9).
Der Kläger behauptet, erst Anfang 1999 ernsthafte Zweifel an seiner Vaterschaft entwickelt zu haben, nachdem die Mutter der Beklagten ihn entgegen früheren Zusicherungen erstmals auf Kindesunterhalt in Anspruch genommen habe. Aus der eidesstattlichen Versicherung des Klägers vom 14.3.2000 ergibt sich jedoch, daß er bereits bei der Geburt Kenntnis von einem außerehelichen Verhältnis der Mutter der Beklagten und daher Zweifel an seiner Vaterschaft hatte. Aufgrund der Beschwichtigung, daß kein Kindesunterhalt geltend gemacht werde und des Fehlens einer Gewißheit darüber, ob er oder der andere Mann der Vater sei, habe er von der Anfechtung abgesehen. Durch die sichere Kenntnis des Klägers von dem Bestehen eines Verhältnisses der Mutter mit einem anderen Mann liegen bei objektiver Beurteilung genügend Anhaltspunkte für einen anderweitigen Geschlechtsverkehr und damit die nicht fernliegende Möglichkeit der Nichtvaterschaft vor, damit wurde die Frist des § 1600 b Abs. 1 S. 1 BGB in Lauf gesetzt. Der Kläger trägt insoweit selbst ...