Leitsatz (amtlich)
§ 1666 BGB liegt ein einheitliches Verständnis des Begriffs der Kindeswohlgefährdung und des insoweit erforderlichen Grades der Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts zu Grunde. Das Gewicht des zur Abwehr der Gefahr erforderlichen Eingriffs spielt insoweit keine Rolle.
Tenor
1. Auf die Beschwerde des Jugendamts des Landratsamts LRA1 wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Freiburg vom 16.05.2018 (48 F 59/18) aufgehoben.
Der Mutter M werden das Recht zur Aufenthaltsbestimmung und zur Beantragung von Maßnahmen nach dem SGB VIII für ihre Tochter T (geb. ...) entzogen. Im Umfang der Entziehung des Sorgerechts wird Ergänzungspflegschaft angeordnet.
Zum Ergänzungspfleger wird das Jugendamt des Landratsamts LRA2 bestimmt.
2. Gerichtskosten werden in beiden Instanzen nicht erhoben. Außergerichtliche Auslagen werden nicht erstattet.
3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
4. Der Verfahrenswert wird für beide Instanzen festgesetzt auf 8.000,00 EUR.
Gründe
I. Das Beschwerdeverfahren betrifft die Ausübung der elterlichen Sorge für die am ... geborene T. Hintergrund ist das Zusammenleben der Mutter mit dem u.a. wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern vorbestraften L.
1. Inhaberin des alleinigen Sorgerechts für T war seit ihrer Geburt ihre Mutter M. Der biologische Vater Ts ist nach Angaben der Mutter V. Er war nicht mit der Mutter verheiratet und hat die Vaterschaft auch weder anerkannt, noch wurde diese festgestellt. T hat einen Halbbruder, den am ... geborenen B, dessen Mutter ebenfalls M ist.
Die Mutter zog aus der Gegend ... im Jahr 2006 nach .... Dort lernte sie V kennen. Die Schwangerschaft war nicht geplant. Wegen gewalttätiger Übergriffe von V ihr gegenüber schaltete die Mutter die Polizei und das Jugendamt ein. Es kam eine sozialpädagogische Familienhilfe (SPFH) zum Einsatz. Im Jahr 2008 kehrte die Mutter nach Beendigung der Beziehung zu V mit T und B nach Baden-Württemberg zurück. Die Familie wohnte zunächst bei der Großmutter der Mutter in .... Auch hier wurde die Familie durch eine SPFH unterstützt, nachdem B Auffälligkeiten zeigte, die nach Angaben der Mutter auf die negativen Erfahrungen mit Ts Vater zurückzuführen waren sowie darauf, dass ihre Großmutter Alkoholikerin war. In diesem Zusammenhang befand sich B nach Inobhutnahme am 04.04.2009 bis zum 01.02.2011 in einer Pflegefamilie. T und ihre Mutter zogen kurz zu den Eltern der Mutter und sodann nach .... In dieser Zeit lernte die Mutter X kennen, der ihr Lebensgefährte wurde. Mit ihm zog die Familie im Frühjahr 2011 nach .... B wurde zum 01.02.2011 gegen Bedenken des Pflegekinderdienstes in die Familie zurückgeführt; zur Unterstützung der Mutter wurde eine SPFH eingesetzt.
Unter dem 14.02.2012 regte das Jugendamt des LRA1 beim Amtsgericht ... an, der Mutter die elterliche Sorge für B zu entziehen. Im Rahmen des Verfahrens (53 F ...) wurde ein Gutachten bei Dipl.-Psych. ... eingeholt, der zu dem Schluss kam, angesichts der Erkrankung (ADS und Bindungsstörung) von B und seiner psycho-sozialen Auffälligkeiten sei eine stationäre Jugendhilfemaßnahme erforderlich. Nachdem die Mutter ihre Bereitschaft erklärt hatte, hieran mitzuwirken und die erforderlichen Anträge zu stellen, stellte das Amtsgericht die Erledigung des Verfahrens fest. Im Anschluss wurde B in die Einrichtung "..." in ... aufgenommen. Er wechselte später in die Einrichtung "...", die allerdings den Aufenthalt Bs am 12.08.2017 wegen eines Vorfalls beendete, der anschließend Gegenstand des jugendgerichtlichen Verfahrens beim Amtsgericht ... 1 Ds ... war. B lebte dann bei seiner Mutter und L, bis es am 01.12.2017 zur erneuten Inobhutnahme und einer Unterbringung in der Jugendhilfeeinrichtung ... kam. Aktuell lebt B bei seinem Großvater (mütterlicherseits) ..., der auch zu seinem Vormund bestellt wurde, nachdem das Amtsgericht ... der Mutter mit (rechtskräftigem) Beschluss vom 18.05.2018 die elterliche Sorge für B insgesamt entzogen hat.
Die Beziehung der Mutter zu X endete Ende 2014, nachdem es nach Angaben der Mutter zu von X ausgehender häuslicher Gewalt gekommen war. Die Mutter zog vorübergehend zu ihren Eltern und hatte ab November 2015 eine eigene Wohnung in .... Bereits seit Januar 2015 kam für T eine SPFH, Frau S, zum Einsatz.
Zu Fastnacht 2016 traf die Mutter auf L, den sie bereits aus ihrer Kindheit kannte. Es entwickelte sich eine Beziehung.
2. L wurde am ... geboren.
Im Zeitraum zwischen Mai 2009 und April 2013 war L unter verschiedenen Aliasnamen im Internetforum ... angemeldet und suchte dort Kontakt zu weiblichen Kindern im Alter zwischen zehn und 13 Jahren. Er veranlasste die Mädchen, sich bei Skype mit ihm auszutauschen, sich zu entblößen und ihm Bilder ihres Intimbereichs zu übersenden. Die Bildsequenzen nahm er auf und speicherte sie in seinem Computer.
Im schwerwiegendsten Einzelfall (Geschädigte ...) setzte er die Geschädigte unter Druck, nachdem diese freiwillig nicht bereit war, Aufnahmen von sich zu fertigen, indem er mitteilte, er werde Aufnahmen d...