Entscheidungsstichwort (Thema)
Räumung
Verfahrensgang
LG Offenburg (Beschluss vom 21.10.1996; Aktenzeichen 4 T 221/96) |
AG Lahr (Beschluss vom 19.09.1996; Aktenzeichen 3 M 1208/96) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde der Schuldner wird der Beschluß der 4. Zivilkammer des Landgerichts Offenburg vom 21.10.1996 – 4 T 221/96 – wie folgt abgeändert:
Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin gegen den Beschluß des Amtsgerichts Lahr vom 19.9.1996 – 3 M 1208/96 – wird zurückgewiesen.
2. Die Gläubigerin hat die Kosten der Beschwerdeverfahren zu tragen.
3. Der Beschwerdewert beträgt DM 20.000,–.
Tatbestand
I.
Die Gläubigerin hat gegen die Schuldner ein rechtskräftiges Versäumnisurteil des Amtsgerichts Lahr vom 26.6.1996 – 2 C 258/96 – erwirkt, durch das diese verurteilt sind, das von der Gläubiger in angemietete Haus H.str. … in L. zu räumen und an diese herauszugeben. Im schriftlichen Mietvertrag war den Mietern unter Verbot der Tierhaltung mit Ausnahme von Ziervögeln und Zierfischen im übrigen – die Haltung von 2 Gänsen gestattet. Ein Vollstrekungsschutzantrag der Schuldner nach § 765 a ZPO ist ohne Erfolg geblieben (Beschlüsse des AG Lahr vom 10.9.1996 bzw. des Landgerichts Offenburg vom 11.9.1996).
Der Gerichtsvollzieher hat am 12.9.1996 die Zwangsräumung eingestellt. Er hat in seinem Protokoll festgestellt, daß sich auf dem Grundstück neben den Schuldnern und vier Kindern 108 Tiere befinden (darunter 29 Gänse, 16 Enten, 12 Hühner und 3 Küken, 3 Stallhasen, 6 Katzen, ein Hund sowie 10 Wellensittiche). Nachdem er die Stadt L. – Amt für öffentliche Ordnung – schon mit Schreiben vom 23.8.1996 aufgefordert habe, für die Übernahme der sich auf dem Grundstück befindlichen Tiere Sorge zu tragen, beim Räumungstermin vom 12.9.1996 von der Behörde indes niemand erschienen sei, habe er die Zwangsräumung eingestellt (unter Hinweis auf LG Oldenburg, DGVZ 1995, 44, 45 und den in DGVZ 1995 erschienenen Aufsatz von Geißler).
Die hiergegen gerichtete Erinnerung der Gläubigerin hat das Amtsgericht Lahr mit Beschluß vom 19.9.1996 zurückgewiesen.
Auf die sofortige Beschwerde der Gläubiger in hat das Landgericht Offenburg den Beschluß des Amtsgerichts im Kostenpunkt aufgehoben und im übrigen dahingehend abgeändert, daß der zuständige Gerichtsvollzieher angewiesen wird, die Zwangsräumung fortzusetzen. Die Schuldner haben gegen diese Entscheidung „Einspruch” eingelegt und bekämpfen die Entscheidung des Landgerichts Offenburg.
Entscheidungsgründe
II.
1. Die sofortige weitere Beschwerde der Schuldner ist zulässig (§§ 793 Abs. 2, 568 Abs. 2 ZPO; zur Beschwerdebefugnis des Schuldners nach der Anweisung des Gerichtsvollziehers zur Fortsetzung der Zwangsvollstreckung im Rahmen eines Erinnerungsverfahrens nach § 766 ZPO vgl. Stein-Jonas-Münzberg, ZPO, 20. Aufl., § 766 Rdn. 46; s. auch OLG Frankfurt, OLGZ 1982, 238). Sie machen auch eine Beeinträchtigung eigener Rechte geltend (vgl. Zöller-Stöber, ZPO, 20. Aufl., § 793 Rdn. 4 mit § 766 Rdn. 12).
2. Das Rechtsmittel der Schuldner ist auch begründet. Das Amtsgericht hat mit Recht die Einstellung der Zwangsräumung durch den Gerichtsvollzieher nicht beanstandet; der Senat kann sich der gegenteiligen Auffassung des Landgerichts nicht anschließen.
a. Nach § 885 Abs. 2 ZPO hat der Gerichtsvollzieher im Rahmen einer Räumungsvollstreckung bewegliche Sachen, die nicht Gegenstand der Zwangsvollstreckung sind, wegzuschaffen und dem Schuldner oder einer Hilfsperson des Schuldners zu übergeben oder zur Verfügung zu stellen. Ist weder der Schuldner noch eine derartige Hilfsperson anwesend, so hat der Gerichtsvollzieher die Sachen auf Kosten des Schuldners in das Pfandlokal zu schaffen oder anderweit in Verwahrung zu bringen (§ 885 Abs. 3 ZPO). Im Falle der Verzögerung der Abholung durch den Schuldner kann das Vollstreckungsgericht den Verkauf der Sachen und die Hinterlegung des Erlöses anordnen (§ 885 Abs. 4 ZPO). Das Landgericht hat keine Bedenken gesehen, diese Vorschriften auch auf die Tiere eines Schuldners anzuwenden, der von einer Räumungsvollstreckung betroffen ist.
b. Der Senat folgt demgegenüber der Ansicht von Geißler, DGVZ 1995, 145, 146 f., der es als ausgeschlossen ansieht, Tiere unter den Begriff der „beweglichen Sache” in § 885 Abs. 2 ZPO zu subsumieren. Dies mag nicht schon aus dem durch das Gesetz zur Verbesserung der Rechtsstellung des Tieres im bürgerlichen Recht vom 20.8.1990 eingeführten § 90 a BGB zu entnehmen sein; nicht zu übersehen ist allerdings, daß dieses Gesetz gerade für das Zwangsvollstreckungsrecht Neuerungen eingeführt hat (§§ 765 a Abs. 1 S. 2, 811 c ZPO), denen praktische und damit weitergehende Bedeutung zukommt als den materiellrechtlichen Vorschriften des Gesetzes. Geißler ist aber darin zuzustimmen, daß Tiere nicht in das genau abgestimmte System der Absätze 2–4 des § 885 ZPO „hineinpassen”:
Man kann es sich noch vorstellen, daß der Gerichtsvollzieher befugt sein soll, Tiere von dem zu räumenden Grundstück wegzunehmen und dem Schuldner oder einem Beauftragten des Schuldners zu überge...