Entscheidungsstichwort (Thema)
Ordnungswidrigkeit nach der EVO
Verfahrensgang
AG Mannheim (Urteil vom 20.10.1977) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Mannheim vom 20. Oktober 1977 wird kostenpflichtig verworfen.
Gründe
Der Betroffene wurde vom Amtsgericht wegen vorsätzlicher Zuwiderhandlung gegen nach §§ 708, 709 KVO erlassene Unfallverhütungsvorschriften in Tateinheit mit vorsätzlicher Zuwiderhandlung gegen eine vollziehbare Anordnung nach § 712 Abs. 1 Satz 2 EVO aufgrund von §§ 710 Abs. 1, 717a Abs. 1 Nr. 3 RVO, 19 OWiG zu einer Geldbuße von 400.– DM verurteilt. Seine form- und fristgerechte Rechtsbeschwerde greift das Urteil in vollem Umfange an und rügt die Verletzung sachlichen Rechts.
Das Rechtsmittel ist unbegründet.
1. Keinen Bedenken begegnet der Schuldspruch aus § 717a Abs. 1 Nr. 3 RVO. Nach den im angefochtenen Urteil rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen hat der Betroffene der nach § 712 Abs. 1 Satz 2 RVO zur Abwendung besonderer Unfall- und Gesundheitsgefahren getroffenen vollziehbaren Anordnung des technischen Aufsichtsbeamten der Großhandels- und Lagerei-Berufsgenossenschaft vom 14.10.1975 zuwidergehandelt, indem er sie weder sofort noch innerhalb der ihm gesetzten Nachfristen bis 24.2.1976 befolgte und die in der Anordnung näher umschriebenen Gefahrenquellen beseitigte, obwohl er dazu –unabhängig von den Eigentumsverhältnissen und der Mitbenutzung durch Dritte– verpflichtet war und ihm dies möglich gewesen wäre. Die Feststellungen ergeben auch, dass der Betroffene die ihn gem. § 9 Abs. 1 Nr. 1 OWiG als treffende Pflicht zur Befolgung der Anordnung vorsätzlich verletzte. Ein etwaiger Irrtum über seine Pflicht zur Befolgung der Anordnung war vermeidbar und schloss den Vorsatz nicht aus.
2. Nicht zu beanstanden ist auch der Schuldspruch aus § 710 Abs. 1 RVO wegen Verstosses gegen die Unfallverhütungsvorschriften UVV 12a § 20 (Prüfung von Flurförderfahrzeugen) und UVV 20 §§ 6 und 20 (Beschaffenheit von Leitern) -Abschn. II lit. a und g der Gründe des amtsgerichtlichen Urteils (vgl. Urteilsgründe Seite 6 unten). Die dazu getroffenen Feststellungen tragen den Schuldspruch, und zwar auch wegen vorsätzlicher Begehungsweise. Diese Unfallvorschriften verweisen auf § 710 RVO (vgl. UVV 12a § 34a und UVV 20 § 28), obwohl es hierauf nicht entscheidend ankommt, da sie sämtlich vor dem 1.1.1975 erlassen sind (vgl. Art. 321 Abs. 2 EGStGB).
3. Dahingestellt bleiben kann, ob die Annahme des Amtsgerichts zutrifft, die Ordnungswidrigkeiten nach §§ 710 und 717a RVO seien tateinheitlich begangen. Einer näheren Prüfung bedarf es schon deshalb nicht, weil der Betroffene durch die Annahme von Tateinheit –statt Tatmehrheit– nicht beschwert ist.
4. Unklar ist, ob das Amtsgericht die Zuwiderhandlung gegen § 710 Abs. 1 RVO auch darin gesehen hat, dass die Stufen der Außentreppe schadhaft und die Galerie nicht ordnungsgemäss gesichert waren, dass das elektrisch betriebene Tor keinen gesicherten Hauptschalter hatte und die Arbeitsgrube für die Fahrzeuginstandhaltung nur einen Ausstieg aufwies. Diese Mängel waren dem Betroffenen in dem diesem Verfahren zugrundeliegenden Bußgeldbescheid der Großhandels- und Lagerei-Berufsgenossenschaft vom 24.6.1976 als Verstösse gegen die UVV 1 zur Last gelegt worden und sind auch im Tatbestand des angefochtenen Urteils unter Abschnitt II lit. b bis f aufgeführt, jedoch sind in der rechtlichen Würdigung des Urteils nur die Verstösse gegen die UVV 12a und die UW 20, nicht auch solche gegen die UVV 1 erwähnt. Das Urteil lässt aber andererseits auch nicht zweifelsfrei erkennen, dass das Amtsgericht in diesen Mängeln keine Verstösse gegen die UVV 1 gesehen bat. Unter diesen Umständen sieht sich der Senat zu folgenden Hinweisen veranlasst:
a) Einen Verstoss gegen die UVV 1 §§ 20, 27 und 30 ergeben die Urteilsfeststellungen nicht. Der Angabe, dass „die Stufen der Aussentreppe schadhaft waren” (Abschn. II lit. d der Urteilsgründe), kann nicht entnommen werden, welcher Art der Schaden war und ob dadurch die Eignung der Treppe, unfallsicher zu sein, beeinträchtigt war. Die weitere Angabe im Urteil (Abschn. II lit. c), dass an der „Galerie Fußbodenluken, Treppenöffonungen, Gruben oder sonstige gefahrdrohende Vertiefungen nicht gegen ein Hineinstürzen von Personen gesichert waren”, erschöpft sich in einer Wiedergabe des Wortlauts der Regelung in § 27 der UVV 1, sie enthält aber keine Schilderung eines konkreten gefahrenträchtigen Zustands.
b) Ein Verstoss gegen § 710 Abs. 1 RVO kann nicht darin gesehen werden, dass der Hauptschalter am elektrisch betriebenen Tor nicht gesichert und die alte Arbeitsgrube für die Fahrzeuginstandhaltung nur mit einem Ausstieg versehen war (Abschn. II lit. e und f der Urteilsgründe).
aa) Dass Tore mit elektrischem Antrieb einen Hauptschalter besitzen müssen, mit dem sie allpolig abgeschaltet werden können und der gegen irrtümliches und unbefugtes Einschalten gesichert werden kann, ist erst durch die Regelung in Nr. 4.12.1 und 4.12.2 d...