Entscheidungsstichwort (Thema)
Kaufkraftausgleich im grenzüberschreitenden Unterhaltsrecht
Leitsatz (amtlich)
1. Die von Eurostat herausgegebene Tabelle "Vergleichende Preisniveaus des Endverbrauchs der privaten Haushalte einschließlich indirekter Steuern" enthält nur den Kaufkraftausgleich. Eine Währungsumrechnung ist ggfs. gesondert vorzunehmen (entgegen OLG Oldenburg Rn. 65).
2. Die Leistungsfähigkeit eines im Ausland lebenden Unterhaltspflichtigen ist zu ermitteln, indem die auf deutsche Verhältnisse zugeschnittenen Mindestbedarfswerte auf die im Ausland geltende Kaufkraft umgerechnet werden.
Verfahrensgang
AG Lörrach (Beschluss vom 08.04.2014) |
Tenor
1. Dem Antragsgegner wird wegen der Versäumung der Frist zur Einlegung der Beschwerde gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Lörrach vom 08.04.2014 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
2. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Lörrach vom 08.04.2014 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass zur Klarstellung Ziffern I. und II. des Beschlusses wie folgt neu gefasst werden:
I. Der Antragsgegner wird verpflichtet, für das Kind Da. D. (geb. am ... 2006) ab 01.07.2012 100 % des jeweiligen Mindestunterhalts der jeweiligen Altersstufe abzüglich hälftigen Kindergeldes für ein erstes Kind zu zahlen. Die Zahlung hat für den Zeitraum von Juli 2012 bis einschließlich Juni 2015 in Höhe von 180 EUR, für den Zeitraum von Juni 2015 bis einschließlich Dezember 2015 in Höhe von 192 EUR und für den Zeitraum von Januar 2016 bis einschließlich Juli 2016 in Höhe von 194 EUR an den Leistungsträger der Unterhaltsvorschusskasse des Landes Baden-Württemberg zu erfolgen. Im Übrigen ist die Unterhaltszahlung zu Händen der Kindesmutter (Antragstellerin) zu leisten.
II. Der Antragsgegner wird verpflichtet, für das Kind Di. D. (geb. am ... 2007) ab 01.07.2012 100 % des jeweiligen Mindestunterhalts der jeweiligen Altersstufe abzüglich hälftigen Kindergeldes für ein zweites Kind zu zahlen. Die Zahlung hat für den Zeitraum von Juli 2012 bis einschließlich Juni 2015 in Höhe von 180 EUR, für den Zeitraum von Juni 2015 bis einschließlich Dezember 2015 in Höhe von 192 EUR und für den Zeitraum von Januar 2016 bis einschließlich Juli 2016 in Höhe von 194 EUR an den Leistungsträger der Unterhaltsvorschusskasse des Landes Baden-Württemberg zu erfolgen. Im Übrigen ist die Unterhaltszahlung zu Händen der Kindesmutter (Antragstellerin) zu leisten.
3. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
4. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.964 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Beteiligten streiten um die Verpflichtung des Antragsgegners zur Zahlung von Mindestunterhalt für die beiden gemeinsamen Kinder.
Die Beteiligten sind die Eltern der gemeinsamen Kinder Da. D. (geb. am ... 2006) und Di. D. (geb. am ... 2007). Die Beteiligten leben seit Mai 2011 getrennt. Die Kinder leben bei der Antragstellerin in Deutschland, der Antragsgegner lebt in der Schweiz. Die Antragstellerin erhält für die Kinder jeweils Unterhaltsvorschuss in Höhe von 180 EUR monatlich (Juli 2012 bis Juni 2015), von 192 EUR (Juni bis Dezember 2015) und von 194 EUR (Januar bis Juli 2016).
Der Antragsgegner lebt im grenznahen Basel und hat dort ein Einkommen aus einer halbschichtigen Tätigkeit in Höhe von 2.000 CHF brutto. Netto ergibt dies eine Auszahlung von 1.778 CHF, für die Krankenversicherung sind monatlich 283,40 CHF aufzuwenden, außerdem waren im Rahmen des Selbstbehalts im Jahre 2013 insgesamt weitere 459,50 CHF aufzuwenden.
Die Antragstellerin macht geltend, der Antragsgegner sei zu einer vollschichtigen Tätigkeit verpflichtet, dann könne er den Mindestunterhalt leisten.
Der Antragsgegner macht geltend, er könne keine weitere Tätigkeit ausüben, da er an Depressionen leide. Er befinde sich deshalb auch in ärztlicher Behandlung. Im Übrigen seien in der Schweiz erhöhte Lebenshaltungskosten zu berücksichtigen. Eine Verletzung der Erwerbsobliegenheit sei ihm nicht vorzuwerfen.
Das Familiengericht hat ein Sachverständigengutachten eingeholt. Der Sachverständige Professor Dr. E., Universitätsklinikum für Psychiatrie und Psychosomatik in F., kam mit Datum vom 04.06.2013 zu dem Ergebnis, dass der Antragsgegner aktuell wegen einer depressiven Episode im Rahmen einer rezidivierenden depressiven Störung nicht in der Lage sei, mehr als halbschichtig zu arbeiten. Es handle sich aber nicht um einen dauerhaften Zustand, da bei noch nicht ausgeschöpften Therapiemöglichkeiten von einer Therapierbarkeit der Störung auszugehen sei.
Das Familiengericht hat mit dem angefochtenen Beschluss vom 08.04.2014 den Antragsgegner verpflichtet, für die beiden Kinder den jeweiligen Mindestunterhalt der jeweiligen Altersstufe zu zahlen. Der Antragsgegner habe nicht ausreichend dargelegt, dass er zur Erbringung des Mindestunterhalts nicht in der Lage sei. Eine Behandlung habe der Antragsgegner lediglich behauptet, nicht aber belegt. Er sei daher als leistungsfähig zu behandeln. Der Beschluss...