Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindesunterhalt. Bedarf. Verbrauchergeldparität. Unterhaltsabänderung. Prozeßkostenhilfe
Leitsatz (amtlich)
Bei der Bedarfsbestimmung eines in Tschechien lebenden minderjährigen Unterhaltsklägers kann für den Zeitraum von Juli 1996 bis zum Jetztzeitpunkt unter Berücksichtigung der Verbrauchergeldparität eine Bedarfskorrektur von rund 1/4 vorgenommen werden (hier: Kürzung des im Inland geschuldeten monatlichen Kindesunterhaltes um 23 % von 500 DM auf 385 DM).
Normenkette
BGB § 1601 ff
Tenor
Der Beklagten wird Prozeßkostenhilfe für den zweiten Rechtszug versagt.
Gründe
Der Beklagten war Prozeßkostenhilfe für das Berufungsverfahren zu verweigern, da ihr Rechtsmittel keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 114 ZPO).
Soweit die Beklagte darauf abhebt, sie sei wegen der inzwischen (wann?) eingetretenen Rechtskraft des Scheidungsurteils nicht mehr passiv legitimiert, kann dem nicht gefolgt werden. Die Prozeßstandschaft dauert über den Eintritt der Rechtskraft der Ehescheidung hinaus bis zum Abschluß des Unterhaltsprozesses fort, wenn dem Elternteil – wie hier – die elterliche Sorge übertragen worden ist (vgl. BGH, FamRZ 1990, 283).
Zu Recht hat das Familiengericht eine wesentliche Änderung der Verhältnisse infolge des Aufenthaltswechsel des Kindes ins Ausland bejaht. Auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen.
Für ihre Behauptung, bereits bei Abschluß des notariellen Vertrags vom 5.12.1994, in dem der Unterhalt für das gemeinsame Kind mit monatlich 500 DM bestimmt ist, seien die Parteien von ihrer Rückkehr mit dem Kind nach Tschechien ausgegangen, hat die Beklagte keinen Beweis angeboten.
Es kann dahinstehen, ob hier bereits die Anwendung tschechischen Unterhaltsrechts zu einem geringeren Unterhalt führt. Bei der Bedarfsbestimmung des im Ausland lebenden berechtigten Kindes ist jedoch unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Kaufkraft zu ermitteln, welcher Betrag erforderlich ist, um den Bedarf im Ausland zu befriedigen. Einen groben Vergleichsmaßstab bietet hierfür die vom Familiengericht herangezogene vergleichende Länderübersicht, der die Durchschnittslöhne der verarbeitenden Industrie zugrundeliegen. Danach entspricht der Unterhaltsbedarf in Tschechien dem inländischen zu zwei Dritteln (vgl. Rahm/Breuer, Handb. des Familiengerichtsverf. VIII Rn. 327). Allerdings gestattet der vom Statistischen Bundesamt angestellte, monatlich erscheinende internationale Vergleich der Preise für die Lebenshaltung eine genauere Umrechnung (vgl. Rahm/Breuer, a.a.O., Rn. 325 a). Der Wert der Verbrauchergeldparität gibt an, welcher DM-Betrag erforderlich ist, um die gleichen Gütermengen bestimmter Qualität (Warenkorb) im Inland zu erwerben, die man im Ausland für eine ausländische Geldeinheit erhält. Die Umrechnung nach Verbrauchergeldparitäten erfolgt in Fällen wie dem vorliegenden, in dem die Verbrauchergeldparität durch das Statistische Bundesamt nach deutschem Schema (vgl. Auskunft v. 1.8.1997, II 35, 43, 47, 51) ermittelt ist, nach folgender Formel:
(Devisenkurs/Verbrauchergeldparität) × 100
Weicht – wie hier – die Verbrauchergeldparität vom Devisenkurs ab und ist sie höher, bedeutet dies einen Kaufkraftgewinn bzw. bei Abweichung nach unten einen Kaufkraftverlust beim Umtausch von DM in ausländische Währung und Verwendung in dem betreffenden Land (vgl. das der Ausk. v. 1.8.1997 des Statistischen Bundesamts beigefügte Merkblatt zur Umrechnung, II 39). Der erforderliche Zuschlag bzw. Abschlag in Prozent auf Verbrauchergeldbeträge zum Ausgleich von Kaufkraftgewinnen oder -verlusten, die beim Umtausch der DM in andere Währungen entstehen, kann nach folgender Formel berechnet werden:
(Devisenkurs/Verbrauchergeldparität) × 100 – 100
Zur Erleichterung der Korrekturberechnung für den Unterhalt unter Berücksichtigung der Abweichung der Verbrauchergeldparität vom Devisenkurs kann jedoch auf die von Gutdeutsch/Zieroth erstellten Tabellen (FamRZ 1993, 1152, 1155) zurückgegriffen werden.
Für den vorliegenden Fall ergibt sich danach bei einer durchschnittlichen Abweichung der Verbrauchergeldparität von rund 32 % in der Zeit von Juli 1996 bis Dezember 1996 und von rund 28 % im Jahr 1997 eine Bedarfskorrektur um 23 % (Gutdeutsch/Zieroth, a.a.O., Tabelle I, 1. Spalte). Bei einem Unterhaltsbedarf von monatlich 500 DM bedeutet dies einen Abschlag von 115 DM. Es ergibt sich ein Unterhaltsbetrag von 385 DM, mithin ein um monatlich 35 DM höherer Unterhaltsanspruch als der vom Familiengericht zuerkannte.
Der Beklagten kann für einen Berufungsantrag entsprechend dieser Differenz jedoch gleichwohl keine Prozeßkostenhilfe gewährt werden, da insoweit die Berufungssumme gemäß § 511 a Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht erreicht würde; denn der Wert der Beschwer der Beklagten beträgt gemäß § 9 Satz 1 ZPO (nur) 1.470 DM (= 35 × 12 × 3,5).
Unterschriften
Dr. Thalmann Vors. Richter am Oberlandesgericht, Schlett Richter am Amtsgericht, Runge Richterin am Oberlandesgericht
Fundstellen
Haufe-Index 1343681 |
FamRZ 1998, 1531 |