Entscheidungsstichwort (Thema)

Streitwerterhöhende Hilfsaufrechnung bei Vergleich

 

Leitsatz (amtlich)

Keine Streitwerterhöhung durch Hilfsaufrechnung bei Beendigung des Rechtsstreits nach außergerichtlichem Vergleich.

 

Normenkette

GKG § 45 Abs. 4

 

Verfahrensgang

LG Freiburg i. Br. (Beschluss vom 01.08.2012; Aktenzeichen 1 O 444/11)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Streithelferin Ziff. 2 wird der Streitwertbeschluss des LG Freiburg vom 1.8.2012 (1 O 444/11) dahin abgeändert, dass in Nr. 1 des Beschlusses der Streitwert auf EUR 45.000 festgesetzt wird.

2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I. Der Rechtsstreit wurde nach außergerichtlicher Einigung der Parteien durch Klagerücknahme mit Verzicht auf gegenseitige Kostenanträge beendet. Mit dem angefochtenen Beschluss hat das LG Freiburg den Gebührenstreitwert unter Hinzurechnung einer hilfsweise aufgerechneten Gegenforderung von EUR 12.637,71 auf EUR 57.637,71 festgesetzt. Dagegen hat die Streithelferin Ziff. 2 Beschwerde eingelegt, mit dem Begehren, die Hilfsaufrechnung nicht zu berücksichtigen und den Streitwert auf EUR 45.000 festzusetzen. Das LG hat der Beschwerde mit Beschluss vom 27.9.2012 nicht abgeholfen, weil es bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise entscheidend darauf ankomme, ob die Gegenforderung durch den Vergleich endgültig erledigt worden sei, wovon im Streitfall mangels anderweitigen Vorbringens auszugehen sei.

II. Die gem. § 68 Abs. 1 GKG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde ist begründet. Das Beschwerdegericht teilt die Auffassung der Beschwerdeführerin, dass bei außergerichtlicher Beilegung des Streits mit anschließender Klagerücknahme wie hier die Voraussetzungen für eine Erhöhung des Streitwerts um eine im Prozess hilfsweise zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung nach § 45 Abs. 3 und 4 GKG nicht erfüllt sind.

Nach § 45 Abs. 3 GKG erhöht sich der Streitwert im Falle der Hilfsaufrechnung um den Wert der bestrittenen Gegenforderung, soweit eine der Rechtskraft fähige Entscheidung über sie ergeht. Bei einer Erledigung des Rechtsstreits durch Vergleich ist diese Bestimmung entsprechend anzuwenden (§ 45 Abs. 4 GKG). Nach herrschender Meinung in Literatur und Rechtsprechung gilt dies nur für den Prozessvergleich, nicht aber für einen außergerichtlich geschlossenen Vergleich (OVG Nordrhein-Westfalen B. v. 16.7.2008 - 14 E 931/08, juris; OVG Lüneburg B. v. 24.5.2011 - 10 OA 32/11, juris; OLG Hamm B. v. 12.8.2003 - 23 W 120/03, OLGR 2004, 14; OLG Koblenz JurB 1977, 1264, 1267 zu § 19 Abs. 3 S. 2 GKG a.F.; Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 13. Aufl., Rz. 5509; Meyer, Gerichtskosten der streitigen Gerichtsbarkeiten und des Familienverfahrens, 12. Aufl., § 45 Rz. 41; wohl auch Binz/Dörndorfer, Gerichtskostengesetz, 2. Aufl., § 45 Rz. 34). Dieser Auffassung folgt auch das Beschwerdegericht. Für sie spricht der Wortlaut "Erledigung des Rechtsstreits durch Vergleich". Denn nur der Prozessvergleich beendet den Rechtsstreit unmittelbar (BGH NJW 2002, 1503; Schneider/Herget, a.a.O., Rz. 5466; Meyer, a.a.O.), während nach Abschluss eines außergerichtlichen Vergleichs die Beendigung des Rechtsstreits eine gesonderte prozessuale Parteierklärung voraussetzt (z.B. Klagerücknahme, übereinstimmende Erledigungserklärung u. Ä.). Dem LG ist zuzugeben, dass bei der Bemessung des Streitwerts wirtschaftliche Gesichtspunkte von maßgeblicher Bedeutung sind und es deshalb auch darauf ankommt, dass die im Streit gewesene Gegenforderung endgültig geklärt ist. Dies allein rechtfertigt aber nicht, die als Ausnahmevorschrift zu § 45 Abs. 3 GKG eng auszulegende Bestimmung des Abs. 4 über ihren Wortlaut hinaus entsprechend auf außergerichtliche Vergleiche anzuwenden. Zwar ist auch der Prozessvergleich keine "der Rechtskraft fähige Entscheidung" i.S.d. § 45 Abs. 3 GKG, er steht einer solchen Entscheidung aber insofern näher, als er im Gegensatz zum außergerichtlichen Vergleich einen Vollstreckungstitel darstellt (§ 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Darüber hinaus könnte die Berücksichtigung außergerichtlicher Vergleiche praktische Erschwerungen aufwerfen, weil das Gericht deren Inhalt häufig nicht kennt, weil ihm nur die prozessbeendigende prozessuale Erklärung mitgeteilt wird. Dann sind das Gericht und die am Rechtsstreit, aber nicht am Vergleich Beteiligten auf Spekulationen angewiesen, ob und inwieweit eine im Prozess hilfsweise aufgerechnete Gegenforderung durch die außergerichtliche Einigung erledigt wurde oder nicht. Mit Recht beanstandet die Beschwerdeführerin gerade dies auch im vorliegenden Fall. Das Beschwerdegericht sieht nach allem keine Notwendigkeit, den Anwendungsbereich des § 45 Abs. 4 GKG entgegen des Wortlauts und der herrschenden Meinung auf außergerichtliche Vergleiche auszudehnen. Der angegriffene Beschluss war deshalb im Sinne der Beschwerde abzuändern.

Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet, § 68 Abs. 3 GKG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 3604185

NJW-RR 2013, 638

JurBüro 2013, 249

MDR 2013, 42...

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