Leitsatz (amtlich)
Der Streitwert einer Klage auf Feststellung der Verpflichtung, Leistungen aus einer Krankentagegeldversicherung für die ungewisse Dauer der Arbeitsunfähigkeit zu erbringen, bemisst sich unter Berücksichtigung eines Feststellungsabschlags von 20 % nach dem Bezug von 6 Monaten.
Normenkette
ZPO §§ 3, 9
Verfahrensgang
LG Mannheim (Beschluss vom 20.09.2005; Aktenzeichen 8 O 146/05) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des LG Mannheim vom 20.9.2005 - 8 O 146/05 - wie folgt abgeändert:
Der Streitwert wird auf 40.800 EUR festgesetzt (Klagantrag Ziff. 1: 16.200 EUR, Klagantrag Ziff. 2: 14.600 EUR, Vergleichsmehrwert: 10.000 EUR).
Gründe
Der Kläger hat bei Klageerhebung zunächst rückständiges Krankentagegeld für die Zeit vom 8.2.2005 bis zum 27.4.2005 verlangt und im Übrigen beantragt, festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet sei, über den 27.4.2005 hinaus bis zur Beendigung der Arbeitsunfähigkeit des Klägers Krankentagegeld zu bezahlen. Während des Rechtsstreits hat der Kläger seinen Anspruch sukzessive für die Zeit bis zum 19.7.2005 beziffert und die Leistungsklage auf insgesamt 16.200 EUR erweitert; den Feststellungsantrag hat der Kläger entsprechend angepasst. Erfolgt während des Rechtsstreits ein Übergang von der Feststellungsklage zur Leistungsklage sind die bis dahin fällig gewordenen Beträge jeweils zu addieren (Schwerdtfeger in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl. 2000, § 9 Rz. 11). Der Streitwert war danach auf 16.200 EUR festzusetzen.
Für die Streitwertberechnung bleiben dagegen die geltend gemachten Kosten für die außergerichtliche Tätigkeit des Rechtsanwalts (301,85 EUR) außer Acht. Soweit die dem späteren Prozessbevollmächtigten entstandene Geschäftsgebühr (RVG-VV 2400) nicht auf die Verfahrensgebühr (RVG-VV 3100) angerechnet wird, handelt es sich um Kosten als Nebenforderung, die den Streitwert nicht erhöhen (Zöller/Herget, ZPO, 25. Aufl. 2005, § 14 Rz. 14).
Der Streitwert des Feststellungsantrags war gem. § 3 ZPO auf 14.600 EUR festzusetzen, was unter Berücksichtigung eines Feststellungsabschlags von 20 % einem Bezug des Krankentagegeldes für die Dauer eines halben Jahres entspricht. Entgegen der Auffassung des LG war nicht in entsprechender Anwendung von §§ 3, 9 ZPO das Dreieinhalbfache des Jahresbezugs zugrunde zu legen. Nach der Rechtsprechung des BGH ist der Streitwert, wenn es um die Feststellung des Fortbestands einer Krankentagegeldversicherung geht, in entsprechender Anwendung von §§ 3, 9 ZPO anhand der vereinbarten Versicherungsprämie zu schätzen. Da es sich bei dieser Prämie um eine wiederkehrende Leistung handelt, ist bei der Schätzung die zeitbezogene Bewertungsvorgabe zu beachten, die der Gesetzgeber gem. § 9 ZPO mit dreieinhalb Jahren gemacht hat (BGH RuS 1996, 332). Im vorliegenden Fall hat der Kläger jedoch nicht beantragt, den Fortbestand des Vertrages auf unbestimmte Zeit festzustellen; Gegenstand der Feststellungsklage war vielmehr die Verpflichtung der Beklagten, Leistungen aus diesem Vertrag für die Dauer seiner Arbeitsunfähigkeit zu erbringen. Auf Fälle dieser Art ist § 9 ZPO nicht entsprechend anwendbar. Die Vorschrift setzt bei unmittelbarer Anwendung voraus, dass das geltend gemachte Recht seiner Natur nach erfahrungsgemäß eine Dauer von wenigstens dreieinhalb Jahren hat oder jedenfalls mit Rücksicht auf den Grad der Unbestimmtheit des Zeitpunkts, zu dem das den Wegfall des Rechts begründende Ereignis eintritt, eine solche Dauer haben kann. Für Rechte von typischerweise wesentlich kürzerer Laufzeit wäre der gesetzlich vorgegebene Wert, der dreieinhalbfache Jahresbezug, unangemessen hoch (Zöller/Herget, ZPO, 25. Aufl. 2005, § 9 Rz. 1; Schwerdtfeger in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl. 2000, § 9 Rz. 4). Während ein Versicherungsvertrag regelmäßig auf unbestimmte Zeit geschlossen wird und deshalb - wenn sein Fortbestand festgestellt werden soll - die entsprechende Anwendung der Bewertungsvorgaben des § 9 ZPO gerechtfertigt ist, liegt die regelmäßige Bezugsdauer von Krankentagegeld deutlich unter dreieinhalb Jahren, mag eine solcher Zeitraum in Einzelfällen auch nicht ausgeschlossen sein. Bei der gebotenen typisierenden Betrachtung erscheint dem Senat die Ermittlung des Streitwerts unter Zugrundelegung einer halbjährigen Bezugsdauer angemessen. Anhaltspunkte dafür, dass im konkreten Fall diese Bezugsdauer nicht ausreichend gewesen wäre, liegen nicht vor.
Soweit das LG den Vergleichsmehrwert hinsichtlich der einvernehmlichen Aufhebung des Versicherungsvertrages gem. § 3 ZPO auf 10.000 EUR festgesetzt hat, ist dies nicht zu beanstanden.
Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 68 Abs. 3 GKG).
Fundstellen
Haufe-Index 1492135 |
ZfS 2006, 647 |
AGS 2006, 453 |
RVGreport 2006, 360 |
VK 2006, 142 |
NJOZ 2006, 2408 |
OLGR-Süd 2006, 406 |