Entscheidungsstichwort (Thema)
Terminsverlegungsantrag in der Corona-Krise
Leitsatz (amtlich)
1. Ist ein Rechtsanwalt aus gesundheitlichen Gründen langfristig und auf nicht absehbare Zeit daran gehindert, einen Gerichtstermin oder einen vom Sachverständigen anberaumten Ortstermin wahrzunehmen, ist die Ablehnung eines Antrags auf Terminsaufhebung durch den Einzelrichter nicht zu beanstanden. Es ist der Partei zuzumuten, dass sie in einem solchen Fall die Leistungen eines anderen Anwalts in Anspruch nimmt, sei es als Vertreter des Prozessbevollmächtigten oder sei es durch einen Anwaltswechsel.
2. Ist der Rechtsanwalt auf Grund von Vorerkrankungen in besonderem Maße darauf angewiesen, Risiken einer Corona-Infektion zu vermeiden, gilt für die Behandlung eines Antrags auf Terminsaufhebung nichts anderes, wenn andere Rechtsanwälte - unter Berücksichtigung der Anordnungen des Gerichts zum Infektionsschutz während des Termins - in der Lage wären, am Termin teilzunehmen.
3. Die prozessual korrekte Ablehnung des Antrags einer Partei, den vom Sachverständigen anberaumten Ortstermin aufzuheben, rechtfertigt keine Ablehnung des Einzelrichters wegen Besorgnis der Befangenheit.
Normenkette
ZPO §§ 42, 227 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Konstanz (Aktenzeichen Me 4 O 351/18) |
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des Landgerichts Konstanz vom 10.12.2020 - Me 4 O 351/18 - wird zurückgewiesen.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
I. Der Beklagte wendet sich mit seiner sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Konstanz vom 10.12.2020, mit welchem das Landgericht das Ablehnungsgesuch gegen den Einzelrichter, Richter S., für unbegründet erklärt hat.
Der Kläger verlangt im Verfahren vor dem Landgericht von dem Beklagten die Zahlung rückständiger Pachtzinsen aus einem Vertrag über die Verpachtung einer Gaststätte. Einen mit der Klage zunächst ebenfalls gestellten Räumungsantrag haben die Parteien nach der Räumung und Herausgabe des Pachtobjekts übereinstimmend für erledigt erklärt.
Mit Schriftsatz vom 15.07.2020 bat der Prozessbevollmächtigte des Beklagten für die anstehende mündliche Verhandlung um bestimmte sitzungspolizeiliche Anordnungen zum Schutz der Beteiligten im Hinblick auf die Corona-Pandemie. Aus verschiedenen Gründen, die der Prozessbevollmächtigte im Einzelnen darlegte, bestehe für ihn im Falle einer Infektion ein besonders hohes Risiko für einen schweren oder letalen Verlauf einer Corona-Erkrankung. Mit Verfügung vom 16.07.2020 kam der Einzelrichter des Landgerichts dieser Bitte nach und traf verschiedene Anordnungen für die Durchführung der mündlichen Verhandlung. In der mündlichen Verhandlung vom 21.07.2020 waren beide Prozessbevollmächtigte und zwei Vorstandsmitglieder des klagenden Vereins anwesend. Die Verhandlung wurde unter Beachtung der vom Einzelrichter angeordneten Schutzmaßnahmen durchgeführt.
Mit Beschluss vom 21.07.2020 ordnete der Einzelrichter im Hinblick auf vom Beklagten geltend gemachte Mängel des Pachtobjekts die Einholung eines Sachverständigengutachtens an. Zur Erstellung des Gutachtens bestimmte der Sachverständige am 05.10.2020 einen Ortstermin auf den 29.10.2020. Im Ortstermin sollte die Lüftungsanlage des Pachtobjekts in Augenschein genommen und untersucht werden. Mit Schreiben vom 16.10.2020 an den Sachverständigen teilte der Prozessbevollmächtigte des Beklagten mit, er könne an dem Ortstermin nicht teilnehmen, da eine Teilnahme an einem Ortstermin, zumal in einem geschlossenen Raum, bzw. im Heizkeller des Objekts, für ihn ein gesundheitlich nicht kalkulierbares Risiko darstelle. Ein erforderlicher Mindestabstand zu anderen Personen von fünf Meter könne bei dem Ortstermin nicht sichergestellt werden. Er stehe für die Durchführung eines Ortstermins erst dann wieder zur Verfügung, wenn sich "das Pandemiegeschehen.... nicht mehr exponentiell entwickelt." Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten übersandte eine Kopie dieses Schreibens an das Landgericht.
Mit Verfügung vom 16.10.2020 traf der Einzelrichter des Landgerichts im Hinblick auf den anstehenden Ortstermin eine prozessleitende Anordnung:
1. Es ist dafür Sorge zu tragen, dass im Rahmen des Ortstermins jedweder Körperkontakt unterbleibt und - soweit möglich - dauerhaft ein Abstand von mindestens 1,5 Metern zwischen den beteiligten Personen eingehalten wird.
2. Alle am Ortstermin teilnehmenden Personen haben vor Beginn des Ortstermins ihre Hände ausreichend zu desinfizieren.
3. Im Rahmen des Ortstermins ist von Beginn an durchgängig und von jedem Beteiligten ein geeigneter Mund-Nasen-Schutz zu tragen.
4. Der Aufenthalt in Innenräumen ist auf das absolute Mindestmaß zu beschränken. Sollte gleichwohl ein Aufenthalt in einem Innenraum notwendig sein, ist auf eine ausreichende Belüftung zu achten. Idealerweise sind sämtliche Fenster dauerhaft großzügig zu öffnen. Anderenfalls ist zumindest ein regelmäßiges Stoßlüften durchzuführen.
Die Klägerseite hat sicherzustellen, dass die vom Gericht an...