Entscheidungsstichwort (Thema)
Sonderbedarf. Umzugskosten
Leitsatz (amtlich)
1. Sonderbedarf i.S. des 1613 Abs. 2 BGB setzt einen unregelmäßigen und außergewöhnlichen hohen Bedarf voraus.
2. Unregelmäßig ist ein Bedarf, der bis zu seinem Eintritt aus der Sicht der Parteien bei objektiver Betrachtungsweise nicht einkalkuliert werden konnte. Daß die Parteien ihn tatsächlich vorausgesehen bzw. zum Gegenstand ihrer Erörterung gemacht haben, ist nicht entscheidend. Vielmehr ist ausschlaggebend, ob der Bedarf bis zu seinem Entstehen bei der Verwendung der bis dahin zur Verfügung stehenden Einkünfte hätte angespart werden können.
3. Gleiches gilt auch für die Frage, ob ein Bedarf als außergewöhnlich hoch anzusehen ist, wobei die Höhe der laufenden Unterhaltsrente sowie die sonstigen Einkünfte des Berechtigten und der Lebenszuschnitt der Beteiligten zu berücksichtigen sind.
Normenkette
BGB § 1613 Abs. 2
Tenor
Der Antrag des Beklagten, das Ruhen des Berufungsverfahren bis zur Erledigung des Rechtsstreits wegen Trennungsunterhalt (2 F 152/96 des Amtsgerichts Karlsruhe-Durlach) anzuordnen, wird abgelehnt.
Gründe
Im vorliegenden Verfahren macht die Klägerin – im Wege der Teilklage – Umzugskosten, und zwar einen Betrag von 8.000 DM aus der Rechnung vom 22.6.1994 des Speditionsunternehmens geltend für den von ihr anläßlich der Trennung am 20.6.1994 durchgeführten Umzug aus der Ehewohnung im Haus des Beklagten.
Der Beklagte beantragt, das Ruhen des Verfahrens wegen der noch beim Familiengericht anhängigen Klage auf Zahlung von Trennungsunterhalt anzuordnen.
Die Voraussetzungen der Anordnung des Ruhens des Verfahrens gemäß § 252 ZPO sind nicht gegeben, da es an dem hierfür erforderlichen beiderseitigen Antrag der Parteien fehlt.
Das Verfahren war auch nicht von Amts wegen gemäß § 148 ZPO bis zur Erledigung des beim Amtsgericht – Familiengericht – Karlsruhe-Durlach (2 F 152/96) anhängigen Rechtsstreits der Parteien wegen Trennungsunterhalts auszusetzen.
Die Entscheidung in jenem Verfahren ist nicht – auch nicht zumindest teilweise – vorgreiflich für die Entscheidung, die in diesem Berufungsverfahren ergehen soll.
Dort hat die Klägerin Trennungsunterhalt für die Zeit vom 15.8.1994 bis 31.3.1995 verlangt. Die Zuerkennung von Trennungsunterhalt ist wegen des Zeitraums, für den die Klägerin Unterhalt begehrt, für die vorliegende Frage, ob ein Sonderbedarf für den davorliegenden Umzug gegeben und zu welchen Anteilen er von dem Unterhaltsberechtigten oder Unterhaltsverpflichteten zu tragen ist, nicht entscheidend.
Tatbestandlich setzt Sonderbedarf voraus, daß der Bedarf unregelmäßig und zugleich außergewöhnlich hoch ist (vgl. BGH, FamRZ 1982, 145, 146; Kalthoener/Büttner, NJW-Schriften, Heft 22, 6. Aufl., Rn. 279). Für die Beurteilung dieser Voraussetzungen wird in Rechtsprechung und Schrifttum – soweit ersichtlich – auf die Zeit bis zum Eintritt des Bedarfs abgehoben. „Unregelmäßig” ist ein Bedarf, wenn er plötzlich auftritt und nicht mit Wahrscheinlichkeit vorauszusehen war und deshalb bei der Bemessung der laufenden Unterhaltsrente nicht berücksichtigt werden konnte (BGH, a.a.O., 146). Es gibt daher keinen „laufenden Sonderbedarf” (Kalthoener/Büttner, a.a.O., Fußn. 11). Maßgebend ist, ob die Ausgaben bis zu ihrem Eintritt aus der Sicht der Parteien bei objektiver Betrachtungsweise hätten einkalkuliert werden können. Daß die Parteien sie tatsächlich vorausgesehen haben und sie Gegenstand der Erörterung im Unterhaltsrechsstreit oder bei einem Vergleichsabschluß waren (vgl. Kalthoener/Büttner, a.a.O., Rn. 280 und die dort zit. Materialien zum Gesetzgebungsverfahren), ist nicht entscheidend. Danach ist ausschlaggebend, ob der Bedarf bis zu seinem Entstehen bei der Verwendung des bis dahin zur Verfügung stehenden Einkommens bereits hätte berücksichtigt und Rücklagen hätten gebildet werden können. Eine nachträgliche Umlegung der Kosten auf einen längeren Zeitraum kommt nicht in Betracht (BGH, a.a.O., 146). Es kommt daher nicht darauf an, ob der Berechtigte aufgrund der für einen nachfolgenden Zeitraum titulierten Unterhaltsbeträge dann in der Lage ist, den Bedarf ganz oder zum Teil abzudecken, sondern ob sich der Berechtigte auf die Einzelausgabe vorher einstellen konnte.
Gleiches gilt auch für die Frage, ob der Bedarf als außergewöhnlich hoch anzusehen ist. Denn auch dies hängt von der Höhe der laufenden Unterhaltsrente, die so zu bemessen ist, daß sie sämtliche voraussehbaren Bedürfnisse abdeckt und hinreichend Spielraum für eine vernünftige Planung voraussehbarer größerer Aufwendungen beläßt (vgl. BGH, FamRZ 1983, 689, 691; Staudinger/Kappe, BGB, 12. Aufl., Rn. 75), sowie von den sonstigen Einkünften des Berechtigtenund dem Lebenszuschnitt der Beteiligten ab (vgl. BGH, FamRZ 1983, 29, 30 zu Umzugskosten).
Ob allerdings die Klägerin tatsächlich noch während des Zusammenlebens Beträge für die Umzugskosten hätte zurücklegen können, muß für die hier zu entscheidende Frage der Aussetzung des Verfahrens nicht abschließend beantwortet werden.
Allerdin...