Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand: Organisatorische Vorkehrungen in einem Rechtsanwaltsbüro zur Erledigung mündlicher Einzelanweisungen
Leitsatz (redaktionell)
Die allgemein oder auch konkret und zusätzlich erteilte Anweisung, dass Fristen sofort nach der mündlichen Anweisung, und zwar vor jeder anderen Tätigkeit, in den Fristenkalender einzutragen sind, bzw. die Weisung des Rechtsanwalts an die Mitarbeiterin, sie möge die Eintragung im Fristenkalender sofort erledigen, stellen keine organisatorische Vorkehrung dagegen dar, dass die mündliche Einzelanweisung nicht erledigt. wird.
Die mündliche Einzelanweisung stellt ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten dar, das gemäß § 85 Abs. 2 ZPO der Partei zuzurechnen ist.
Normenkette
FGG § 22 Abs. 2 S. 2; ZPO §§ 233, 85 Abs. 2
Verfahrensgang
AG Bruchsal (Beschluss vom 07.05.2007; Aktenzeichen 2 F 160/06) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Beschwerde des Vaters gegen den Beschluss des AG - FamG - Bruchsal vom 7.5.2007 - 2 F 160/06 - wird verworfen.
2. Der Antrag des Vaters auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist wird zurückgewiesen.
3. Der Vater trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
4. Der Beschwerdewert wird auf 3.000 EUR festgesetzt.
5. Der Mutter wird raten- und beitragsfreie Prozesskostenhilfe für den 2. Rechtszug bewilligt und Rechtsanwalt L., F., zu den Bedingungen eines im Bezirk des Prozessgerichts niedergelassenen Rechtsanwalts beigeordnet.
Gründe
I. Der angegriffene Beschluss wurde den erstinstanzlichen Verfahrensbevollmächtigten des Vaters am 22.5.2007 zugestellt (I 533). Die rechtzeitig eingelegte Beschwerde wurde mit am 27.7.2007 bei dem OLG eingegangenem Schriftsatz begründet, dem ein Wiedereinsetzungsantrag beigefügt war. Zu dessen Begründung wird ausgeführt, aus nicht mehr nachvollziehbaren Gründen habe eine erfahrene und äußerst zuverlässige Mitarbeiterin am 4.6.2007 die mündliche Einzelanweisung des sachbe-arbeitenden Rechtsanwalts nicht befolgt, die genau bezeichnete Beschwerdebegründungsfrist nebst Vorfrist von einer Woche im Fristenkalender und in der Akte zu notieren. Im vorliegenden Fall sei durch die konkrete und zusätzliche Anweisung, die Frist sofort zu notieren, damit sie nicht vergessen werde, eine zusätzliche Vorkehrung getroffen worden, die Durchführung der mündlichen Einzelanweisung sicherzustellen. Es bestehe in der Kanzlei die generelle Anweisung, auf die die Mitarbeiter turnusmäßig hingewiesen würden, nach einer mündlichen Anweisung des Rechtsanwalts Fristen sofort, und zwar vor jeder anderen Tätigkeit, in den Fristenkalender einzutragen und die Fristnotierung zusätzlich danach in der Handakte im Aktenvorblatt gut sichtbar zu vermerken. Die Mutter beantragt die Zurückweisung der Beschwerde.
II.1. Die Beschwerde gegen den Beschluss des FamG Bruchsal vom 7.5.2007 ist gem. §§ 621 Abs. 1 Nr. 1, 621e Abs. 3 S. 2, 520 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 ZPO zu verwerfen, da der Beschwerdebegründungsschriftsatz nicht innerhalb der ab 22.5.2007, der Zustellung des Beschlusses an den erstinstanzlichen Verfahrensbevollmächtigten des Vaters, laufenden 2-Monatsfrist, sondern erst am 27.7.2007 begründet worden ist.
2. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist ist gem. §§ 22 Abs. 2 FGG, 233 ZPO unbegründet. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Partei ohne ihr Verschulden verhindert war, die versäumte Frist einzuhalten. Es liegt ein Verschulden des Verfahrensbevollmächtigten vor, das gem. §§ 22 Abs. 2 S. 2 FGG, 85 Abs. 2 ZPO der Partei zuzurechnen ist.
Nach der Rechtsprechung des BGH (NJW 2004, 688 m.w.N.) müssen in einer Anwaltskanzlei organisatorische Vorkehrungen dagegen getroffen sein, dass eine mündliche Einzelanweisung über die Eintragung einer an eine Fachangestellte nur mündlich mitgeteilten Berufungsfrist (hier: Begründungsfrist) in Vergessenheit gerät und die Fristeintragung deshalb unterbleibt. Dies kann durch eine Kontrolle der Fristeintragung erreicht werden, beispielsweise in Form einer Wiedervorla-geanweisung, wozu auch deren Vermerk gehört. Hierbei übersieht der Senat nicht, dass ein Rechtsanwalt grundsätzlich darauf vertrauen darf, dass eine zuverlässige Büroangestellte eine konkrete Einzelanweisung befolgt. Dieser Grundsatz gilt jedoch nicht ausnahmslos. Betrifft die Anweisung einen so wichtigen Vorgang wie die Eintragung einer Rechtsmittelfrist und wird sie nur mündlich erteilt, müssen in der Kanzlei ausreichende organisatorische Vorkehrungen dagegen getroffen sein, dass die Anweisung in Vergessenheit gerät und die Fristeintragung unterbleibt. In einem solchen Fall bedeutet das - wie hier - Fehlen jeder geeigneten Sicherung einen entscheidenden Organisationsmangel (BGH, a.a.O., NJW-RR 2004, 1361, je m.w.N.).
Über solche geeignete Organisationsmaßnahmen verhält sich der Wiedereinsetzungsantrag und dessen Begründung nicht. Allein die allgemeine oder auch konkret und zusätzlich er...