Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum Vergleichsmehrwert im Zivilprozess
Leitsatz (amtlich)
Vereinbaren die Parteien durch Vergleich die Übertragung des Besitzes an einer Eigentumswohnung in einem Fall, in dem außergerichtlich nur ein geringer Teil des Kaufpreisanspruchs u.a. wegen geltend gemachter Mängel streitig und die vollständige Kaufpreiszahlung unstreitig vertraglich vereinbarte Voraussetzung der Besitzübertragung ist, wird der Mehrwert des Vergleichs nicht gem. § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG i.V.m. § 6 ZPO durch den Wert der Eigentumswohnung bestimmt, sondern ist auf den Wert des streitigen Teils der Kaufpreisforderung zu begrenzen.
Normenkette
GG Art. 2; GKG § 48 Abs. 1 S. 1, § 68 Abs. 1 S. 1; RVG § 32 Abs. 2 S. 1; ZPO § 6
Verfahrensgang
LG Karlsruhe (Beschluss vom 08.12.2022; Aktenzeichen 3 O 41/22) |
Tenor
1. Die Streitwertbeschwerde der Klägervertreter gegen den Beschluss des Landgerichts Karlsruhe vom 08.12.2022, Az. 3 O 41/22, wird zurückgewiesen.
2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Die Klägervertreter begehren mit ihrer Streitwertbeschwerde die Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts in Höhe von 541.000 EUR entsprechend des für die streitgegenständliche Wohnung vereinbarten Kaufpreises. Im mittlerweile durch Vergleich beendeten Rechtsstreit machten die Kläger gegen den Beklagten Verzugsschäden wegen der verspäteten Fertigstellung der von den Klägern gekauften Eigentumswohnung geltend. Konkret war die Klage auf Zahlung von 8.850 EUR für bereits eingetretene Verzugsschäden (Kosten der weiter bewohnten Mietwohnung) und auf Feststellung der Ersatzpflicht für darüber hinausgehende Schäden, die die Kläger insbesondere in Gestalt von Bereitstellungszinsen erwarteten, gerichtet.
Mit Beschluss vom 21.11.2022 wurde das Zustandekommen folgenden Vergleichs festgestellt:
1. Die Kläger bezahlen an den Beklagten als Abschlagszahlung einen Betrag in Höhe von 470.670,00 EUR Zug-um-Zug gegen Herausgabe der Wohnungs- und Hausschlüssel und Besitzübergabe an der streitgegenständlichen Wohnung .... Die Zahlung erfolgt auf das bei der .... mit der IBAN ... geführte Konto unter Angabe des Verwendungszweckes ....
2. Der Beklagte verpflichtet sich, unverzüglich die Schlüssel zur streitgegenständlichen Wohnung seinen Prozessbevollmächtigten zu treuen Händen zu übergeben und seine Prozessbevollmächtigten unwiderruflich anzuweisen, die Schlüssel an die Kläger herauszugeben, wenn die Zahlung gem. Ziffer 1 erfolgt ist. Die Zahlung gem. Ziffer 1 ist erst fällig, wenn die Prozessbevollmächtigten des Beklagten in Textform bestätigen, dass sie im treuhänderischen Besitz der Wohnungs- und Haustürschlüssel der streitgegenständlichen Wohnung sind und dass sie vom Beklagten unwiderruflich angewiesen worden sind, die Schlüssel an die Kläger gegen Vorlage eines Zahlungsbelegs zu übergeben.
3. Die Parteien sind sich darüber einig, dass den Klägern zur Abgeltung des Verzugsschadens ein Betrag in Höhe von 30.000,00 EUR zusteht, den sie von der Zahlung des Gesamtkaufpreises in Abzug bringen können und welchen der Beklagte bei der Schlussrechnung als Abschlagszahlung durch Aufrechnung berücksichtigen wird.
4. Mit diesem Vergleich ist der mit der Klage verfolgte Anspruch der Kläger auf Verzugsschaden abgegolten.
5. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Das Landgericht hat den Streitwert im angefochtenen Beschluss auf 31.568,22 EUR und den Vergleichsmehrwert auf 45.838 EUR festgesetzt. Der festgesetzte Mehrwert entspricht der Differenz zwischen dem vereinbarten Kaufpreis von 541.000 EUR und der vereinbarten Abschlagszahlung von 470.670 EUR abzüglich des Betrags von 24.492 EUR entsprechend des Umfangs, in dem der mit 30.000 EUR zugunsten der Kläger vereinbarte Verzugsschadensersatzanspruch in die Streitwertfestsetzung eingeflossen ist.
Der Beklagte ist der Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts entgegengetreten.
II. Die Streitwertbeschwerde der Klägervertreter ist gem. § 68 Abs. 1 Satz 1, Satz 3, § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG, § 32 Abs. 2 Satz 1 RVG zulässig, aber unbegründet.
1. Zu Recht hat das Landgericht keinen Vergleichsmehrwert von 541.000 EUR festgesetzt.
Bei der Bemessung des Vergleichsmehrwerts ist ausschlaggebend, welcher zwischen den Parteien bestehende Streit durch den Vergleich beigelegt wurde und nicht, worauf die Parteien sich verglichen haben. Zwischen den Parteien stand im Ausgangspunkt ersichtlich weder der Anspruch des Beklagten auf Zahlung des vereinbarten Kaufpreises noch der Anspruch der Kläger auf Besitzeinräumung im Streit. Streitig waren vielmehr, wie aus dem schriftsätzlich gehaltenen Vortrag zur Abnahme und den geltend gemachten Mängeln sowie aus dem als Anlage vorgelegten Schreiben der Beklagtenvertreter vom 03.11.2022 hervorgeht, einige Umstände, denen die Parteien einen Wert von 40.330 EUR beigemessen haben, was sich entsprechend im Vergleich niedergeschlagen hat (vereinbarter Kaufpreis von 541.000 EUR abzüglich der vereinbarten Abschlagszahlung von 470.670 EUR abzügli...