Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. willentliches Ausbleiben. Vertretungsvollmacht. elektronisches Dokument. Strafrecht
Leitsatz (amtlich)
Nachweis der Vertretungsvollmacht durch Ausdruck einer als Bilddatei übermittelten Vollmacht
1. Will der Angeklagte nicht zur Berufungshauptverhandlung erscheinen, steht dies einer darauf gestützten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand auch dann entgegen, wenn er auf eine Vertretung durch einen Verteidiger vertraut hat.
2. Die Vorlage eines Ausdrucks einer dem Verteidiger vom Angeklagten als Bilddatei übermittelten Vollmacht reicht auch dann zum Nachweis der Bevollmächtigung zur Vertretung aus, wenn die Übermittlung nicht auf einem sicheren Übetragungsweg gemäß § 32a StPO erfolgte (Abgrenzung zu OLG Karlsruhe - Senat - NStZ-RR 2021, 56 )
Normenkette
StPO § 329 Abs. 7, 1, § 44 S. 1
Verfahrensgang
LG Waldshut-Tiengen (Entscheidung vom 17.12.2020; Aktenzeichen 7 Ns 12 Js 1170/19) |
LG Waldshut-Tiengen (Entscheidung vom 01.02.2021; Aktenzeichen 7 Ns 12 Js 1170/19) |
Tenor
- Die sofortige Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Landgerichts Waldshut-Tiengen vom 01.02.2021 wird auf seine Kosten ( § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO ) als unbegründet verworfen.
- Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Waldshut-Tiengen vom 17.12.2021 aufgehoben.
- Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Strafkammer des Landgerichts Waldshut-Tiengen zurückverwiesen.
Gründe
I.
Nachdem gegen den Angeklagten zunächst ein Strafbefehl erlassen worden war, verurteilte ihn das Amtsgericht Waldshut-Tiengen am 05.11.2019 wegen Bedrohung in zwei tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit Beleidigung in zwei tateinheitlichen Fällen zu der Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 15 €. In der Verhandlung vor dem Landgericht Waldshut-Tiengen am 17.12.2020 über seine hiergegen eingelegte Berufung, zu der der Angeklagte unter Belehrung über die Folgen seines Ausbleibens geladen worden war, erschien nur der dem Angeklagten bestellte Verteidiger, nicht aber der Angeklagte selbst. Eine vom Verteidiger vorgelegte Vertretungsvollmacht erachtete das Landgericht im Hinblick darauf, dass die Vollmacht dem Verteidiger durch einfache E-Mail übermittelt worden war, nicht als ausreichenden Nachweis der Bevollmächtigung, so dass es die Berufung des Angeklagten gemäß § 329 Abs. 1 Satz 1 StPO ohne Verhandlung zur Sache verwarf. Das Verwerfungsurteil wurde dem Verteidiger am 22.12.2020 zugestellt. Am 29.12.2020 beantragte der Angeklagte mit Schriftsatz seines Verteidigers Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung unter Vorlage von Mailverkehr zwischen dem Angeklagten und seinem Verteidiger, worin der Verteidiger dem Angeklagten mitgeteilt hatte, dass eine Übersendung der Vertretungsvollmacht per E-Mail genüge. Gleichzeitig legte er Revision gegen das Urteil ein, mit der die Zurückweisung der vorgelegten Vollmacht beanstandet wird. Das Landgericht Waldshut-Tiengen lehnte den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit Beschluss vom 01.02.2021, der dem Verteidiger am 03.02.2021 zugestellt wurde, als unzulässig ab. Hiergegen richtet sich die am 03.02.2021 eingelegte sofortige Beschwerde des Angeklagten.
Die Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe hat mit ihrer Antragsschrift vom 08.03.2021, zu der der Verteidiger am 15.3.2021 eine Gegenerklärung abgegeben hat, beantragt, den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und die Revision als unbegründet zu verwerfen.
II.
Die gemäß §§ 46 Abs. 3 , 329 Abs. 7 Satz 1 StPO statthafte sofortige Beschwerde gegen die Zurückweisung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung ist zulässig, aber im Ergebnis unbegründet.
1. Offen bleiben kann, ob - wie dies das Landgericht im angefochtenen Beschluss vom 01.02.2021 angenommen hat - es bereits an der Zulässigkeit des gestellten Wiedereinsetzungsantrags fehlt.
a) Der Antrag wurde allerdings innerhalb der Frist von einer Woche nach Zustellung des Verwerfungsurteils gestellt ( § 329 Abs. 7 StPO ).
b) Mit dem Vorbringen, der Angeklagte habe im Vertrauen auf die Auskunft seines Verteidigers darauf vertraut, nach Erteilung der Vollmacht nicht zur Hauptverhandlung erscheinen zu müssen, ist auch ein Sachverhalt vorgetragen und durch Vorlage des Mailverkehrs glaubhaft (§§ 45 Abs. 2 Satz 1, 329 Abs. 7 Satz 1 StPO) gemacht, der grundsätzlich die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand begründen kann (OLG Hamburg StV 2021, 162 ).
c) Die Zulässigkeit des Wiedereinsetzungsantrags ist jedoch dadurch in Frage gestellt, dass der Mailverkehr zwischen dem Angeklagten und seinem Verteidiger, der Kern des Vorbringens zur Begründung des Antrags ist, ausweislich des Protokolls bereits Gegenstand der Erörterung in der Berufungshauptverhandlung war.
Zwar sind die Vorschriften über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nur anwendbar, wenn Gründe vorliegen, d...