Entscheidungsstichwort (Thema)

Nutzung der Ehewohnung nach Scheidung: Verfahrenswert bei Antrag auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung

 

Leitsatz (amtlich)

Der Wert eines Verfahrens auf Zahlung künftiger Nutzungsentschädigung für die Zeit nach Rechtskraft der Scheidung ist mit dem Jahreswert des monatlich geforderten Betrags zu bemessen. Bei Antragstellung fällige Beträge sind hinzuzurechnen.

 

Normenkette

BGB § 745 Abs. 2; FamGKG §§ 35, 39 Abs. 1-2, § 40 Abs. 1 S. 1, § 42 Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG Konstanz (Aktenzeichen 2 F 91/21)

 

Tenor

Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.619 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Durch den von beiden Beteiligten mit Beschwerde und Anschlussbeschwerde angegriffenen Beschluss des Amtsgerichts Konstanz vom 07.06.2023 (2 F 91/21) wurde die Antragsgegnerin verpflichtet, an den Antragsteller rückständige Nutzungsvergütung in Höhe von 5.499,89 EUR und laufende Nutzungsvergütung für die Zeit ab 01.11.2022 in Höhe von 625 EUR monatlich zu zahlen.

Gegen die erstinstanzliche Entscheidung wandte sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde vom 12.07.2023, mit der er die Verpflichtung der Antragsgegnerin begehrte, an ihn rückständige Nutzungsvergütung für den Zeitraum vom 10.12.2020 bis 31.10.2022 in Höhe von 6.006,05 EUR und laufende Nutzungsvergütung für die Zeit ab 01.11.2022 in Höhe von 562,50 EUR, ab 01.07.2023 in Höhe von 532,50 EUR und ab 01.01.2024 in Höhe von 435 EUR jeweils monatlich zu zahlen.

Die Antragsgegnerin verfolgte mit ihrer Beschwerde und Anschlussbeschwerde gemäß Schriftsätzen ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 12.07.2023 und 08.09.2023 das Ziel, dass ihre Verpflichtung zur Zahlung rückständiger Nutzungsentschädigung auf 4.232,55 EUR und die laufende Nutzungsentschädigung für die Zeit ab 01.11.2022 auf monatlich 562,50 EUR, ab 01.04.2023 auf monatlich 410 EUR und ab 01.07.2023 auf monatlich 403 EUR reduziert werde.

II. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren folgt aus §§ 35, 39 Abs. 1 und 2, 40 Abs. 1 Satz 1, 42 Abs. 1 FamGKG.

1. Nach § 40 Abs. 1 Satz 1 FamGKG bestimmt sich der Verfahrenswert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Im Fall wechselseitig eingelegter Rechtsmittel werden die geltend gemachten Ansprüche zusammengerechnet, soweit sie nicht denselben Gegenstand betreffen (§ 39 Abs. 2 mit Abs. 1 Satz 1 und 3 FamGKG).

Sind beide Parteien in erster Instanz teilweise unterlegen und verfolgen ihre ursprünglichen Anliegen mit gegenläufigen Rechtsmittelanträgen weiter, so sind die Rechtsmittelanträge nach den jeweils maßgeblichen Kriterien zu bewerten und die ermittelten Werte anschließend zu addieren (BeckOK/Schindler, Kostenrecht, Stand: 01.01.2024, § 47 GKG Rn. 2). Der Beschwer kommt im Anwendungsbereich des § 40 Abs. 1 Satz 1 FamGKG keine wertbestimmende und insbesondere keine wertbegrenzende Wirkung zu, weil die Norm den Wert des Rechtsmittelzuges allein am Rechtsmittelantrag anknüpft (BeckOK/Schindler, a.a.O., § 47 GKG Rn. 11).

Bilden - wie hier - nacheheliche Ansprüche auf Nutzungsentschädigung gemäß § 745 Abs. 2 BGB den Gegenstand des Verfahrens, bemisst sich deren Bewertung nach §§ 35, 42 Abs. 1 FamGKG, wobei sich die Bewertung der bei Antragstellung bereits fälligen Beträge nach § 35 FamGKG richtet und der Wert der künftig fällig werdenden Beträge gemäß § 42 Abs. 1 FamGKG nach billigem Ermessen zu bestimmen ist (OLG Brandenburg vom 23.06.2020 - 15 UF 15/20, juris Rn. 15 m.w.N.). § 48 FamGKG findet keine Anwendung (so aber OLG Hamm vom 08.01.2013 - 6 UF 96/12, juris Rn. 8), da der Streit um die nacheheliche Zahlung von Nutzungsentschädigung gemäß § 745 Abs. 2 BGB keine Ehewohnungssache im Sinne von § 200 FamFG, sondern eine sonstige Familienstreitsache nach § 266 Abs. 1 FamFG darstellt.

Bei der Ausfüllung des in § 42 Abs. 1 FamGKG eröffneten Ermessens ist auf die in § 51 Abs. 1 Satz 1 FamGKG enthaltene Wertung zurückzugreifen und der 12-fache Monatswert der geltend gemachten monatlichen Nutzungsentschädigung heranzuziehen (OLG Hamm vom 20.07.2023 - 5 UF 78/23, juris Rn. 3; OLG Frankfurt vom 30.09.2021 - 6 UF 87/21, juris Rn. 7; OLG Braunschweig vom 21.03.2017 - 1 UF 106/16, juris Rn. 14 ff.; OLG Naumburg vom 02.09.2014 - 3 UF 229/13, juris Rn. 13, und vom 07.12.2017 - 3 W 15/17, juris Rn. 7; Prütting/Helms/Dürbeck, FamFG, 6. Auflage 2023, § 200 Rn. 8; Musielak/Borth/Frank/Frank, FamFG, 7. Auflage 2022, § 42 FamGKG Rn. 9). Die Beschränkung des Werts für die Geltendmachung wiederkehrender Unterhaltsleistungen auf den für die ersten zwölf Monate nach Einreichung des Antrags geforderten Betrag dient dem Zweck, die anfallenden Gebühren auf ein sozial verträgliches Maß zu beschränken und das Kostenrisiko für die Beteiligten überschaubar zu halten (BeckOK/Neumann, Kostenrecht, Stand: 01.04.2024, § 51 FamGKG Rn. 4; Toussaint, Kostenrecht, 54. Auflage 2024, § 51 FamGKG Rn. 1). Dieser Schutzzweck lässt sich auf Streitigkeiten betreffend die an den Miteigentümer-Ehegatten zu zahlende Entschädigung für die nacheheliche Nutzung gemeinsam erworbenen Wohnraum...

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