Leitsatz (amtlich)

Die Verpflichtung zur Verschwiegenheit und das korrespondierende Recht, das Zeugnis im Zivilprozess nach § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu verweigern, besteht nicht schon wegen einer Absprache im Anstellungsvertrag eines Zeugen. Dies setzt voraus, dass tatsächlich ein Geheimnis vorliegt, also eine Tatsache, die ihm Zusammenhang mit dem Geschäftsbetrieb steht, nicht offenkundig ist und nur einem eng begrenzten Personenkreis bekannt ist, und dass die Gesellschaft ein nach objektiven Kriterien zu bestimmendes berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung hat.

 

Normenkette

GmbHG § 85; ZPO § 383 Abs. 1 Nr. 6

 

Verfahrensgang

LG Karlsruhe (Urteil vom 02.09.2005; Aktenzeichen 2 O 152/04)

 

Tenor

I. Auf die sofortige Beschwerde der Kläger wird das Zwischenurteil des LG Karlsruhe vom 2.9.2005 - 2 O 152/04 - geändert.

Die Verweigerung des Zeugnisses durch den Antragsgegner ist nicht berechtigt.

II. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Zwischenstreits.

III. Der Streitwert für den Beschwerderechtszug wird auf 30.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Kläger haben von der Beklagten eine Eigentumswohnung erworben und begehren mit der Behauptung, ihnen sei eine ständige, infolge einer mit unzureichendem Gefälle verlegten Abwasserleitung entstehende Geruchsbelästigung beim Kauf arglistig verschwiegen worden, Schadensersatz wegen Nichterfüllung nach § 463 BGB a.F. Sie haben sich wegen der Kenntnis der Beklagten vom Mangel auf das Zeugnis des Antragstellers berufen, der beim Verkauf der Wohnanlage an die Beklagte 1998 Geschäftsführer der damaligen Verkäuferin (D. P. Wohnbau GmbH) gewesen ist und den Vertrag für diese abgeschlossen hat.

Dementsprechend hat das LG am 29.10.2004 beschlossen, durch Vernehmung dieses Zeugen Beweis über die Behauptung der Kläger zu erheben, der Beklagte sei im Rahmen des Kaufvertrags von Vertretern der Fa. D.P. Wohnbau GmbH über den Mangel aufgeklärt worden. Nachdem der Zeuge zunächst schriftliche Auskünfte (§ 377 ZPO) gegeben hatte, hat das LG ihn gem. 273 ZPO mit dem voraussichtlichen Beweisthema wie im Beschl. v. 29.10.2004 zum Termin geladen. Der Antragsgegner hat sich auf ein Zeugnisverweigerungsrecht berufen, weil er nach seinem Dienstvertrag als Vorstand der W. R.-M. AG (Rechtsnachfolgerin der Fa. D. P. Wohnbau GmbH) und Geschäftsführer dieses Unternehmens zur Verschwiegenheit auch nach Beendigung des Dienstverhältnisses über alle vertraulichen Angelegenheiten der Gesellschaft, insb. über Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse verpflichtet sei.

Das LG hat mit Zwischenurteil vom 2.9.2005, auf das wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes Bezug genommen wird, die Zeugnisverweigerung für berechtigt erklärt.

Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Kläger.

II.1. Über die Weigerung eines Zeugen vor dem zu seiner Vernehmung bestimmten Termin und den Antrag der Klägerseite, über die Berechtigung dieser Weigerung zu entscheiden (in der Rüge der Kläger, die Weigerung sei unzulässig, liegt der erforderliche Antrag; Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., § 387 Rz. 2) hat das LG durch Zwischenurteil zu entscheiden. Parteien des Zwischenstreits sind allerdings allein die Kläger und der Zeuge, nicht aber die Beklagte, die auf den Zeugen verzichtet hat (Schriftsatz vom 14.7.2005). In ihrem Antrag, die Beschwerde zurückzuweisen ist ein Beitritt zum Zwischenstreit auf Seiten des antragstellenden Zeugen zu sehen.

2. Die sofortige Beschwerde ist kraft ausdrücklicher Vorschrift (§ 387 Abs. 3 ZPO) statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie ist begründet.

a) Das LG geht zutreffend davon aus, dass der Antragsteller als (ehemaliger) Geschäftsführer einer GmbH unter den Personenkreis fällt, der nach § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigt sein kann. Dort ist dieser Kreis dahin beschrieben, dass den ihm angehörende Personen kraft ihres Amtes, Stands oder Gewerbes Tatsachen anvertraut sind, deren Geheimhaltung durch ihre Natur oder durch gesetzliche Vorschrift geboten ist. § 85 GmbHG stellt die unbefugte Offenbarung eines Geheimnisses der Gesellschaft, namentlich eines Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisses u.a. durch einen Geschäftsführer unter Strafe und ist nach ganz herrschender Meinung die gesetzliche Vorschrift, die die Zugehörigkeit eines (auch ehemaligen) Geschäftsführers einer GmbH zu dem Personenkreis begründet, der zur Verweigerung des Zeugnisses nach § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO berechtigt sein kann (Scholz/Tiedemann, GmbHG, 9. Aufl., § 85 Rz. 23; Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., § 383 Rz. 20; Damrau in MünKomm/ZPO, 2. Aufl., § 383 Rz. 38; OLG Koblenz v. 5.3.1987 - 6 W 38/87, AG 1987, 184 = GmbHR 1987, 276 = NJW-RR 1987, 809; OLG München v. 18.6.1997 - 29 W 1352/97, GmbHR 1999, 122 = OLGReport München 1998, 209 = NJW-RR 1998, 1495, m.w.N.; a.A. Schulze/Osterloh in Baumbach/Hueck, GmbHG, 17. Aufl., § 85 Rz. 21). Anvertraut im Sinn der Bestimmung ist nicht nur, was dem Zeugen im engeren Sinn anvertraut worden ist, sondern alles, was er aufgrund seiner Vertrauensstellung oder im Zusammenhang ...

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