Leitsatz (amtlich)

Das der Vollstreckungsbehörde bei der Entscheidung über die Zurückstellung der Strafe gemäß § 35 Abs. 1 BtMG eingeräumte Ermessen ist weitgehend eingeschränkt, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen des § 35 Abs. 1 und 3 BtMG erfüllt sind und Zurückstellungshindernisse nicht bestehen.

 

Tenor

Auf den Antrag des Verurteilten T. L. werden die Entschließung der Staatsanwaltschaft K. - Zweigstelle P. - vom 09.08.2007 - 641 VRS 641Js 622/98 - und der Beschwerdebescheid der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe vom 28.08.2007 aufgehoben.

Die Staatsanwaltschaft wird verpflichtet, den Antragsteller unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu bescheiden.

Das Verfahren ist gebührenfrei. Von den außergerichtlichen Kosten des Antragstellers hat die Staatskasse die Hälfte zu tragen.

Der Geschäftswert wird auf 3.000,-- Euro festgesetzt.

 

Gründe

I.

Der jetzt fünfzig Jahre alte Antragsteller wurde durch das Urteil des Amtsgerichts M. vom 03.06.1998 wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge mit der Freiheitsstrafe von zwei Jahren belegt, die er gegenwärtig verbüßt. Anschließend ist die Vollstreckung von erheblichen Reststrafen aus Urteilen des Amtsgerichts H. vorgesehen. Endstrafentermin wäre der 24.03.2011. Dem Urteil des Amtsgerichts M. lag zugrunde, dass der Antragsteller als Strafgefangener in der JVA H. ca. 43 Gramm Heroinzubereitung in Besitz gehabt hatte. Wegen seiner starken Heroinabhängigkeit sah es das Gericht als möglich an, dass die Voraussetzungen des § 21 StGB erfüllt waren.

Am 02.07.2007 stellte der drogenabhängige Verurteilte hinsichtlich der Reststrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts M. den Antrag, gemäß § 35 BtMG von der weiteren Vollstreckung zum Zwecke der Durchführung einer stationären Drogentherapie abzusehen. Diesem Antrag versagte das Amtsgericht M. mit Beschluss vom 31.07.2007 die Zustimmung, und die Staatsanwaltschaft lehnte ihn mit der Verfügung vom 09.08.2007 deshalb und wegen früherer fehlgeschlagener Therapieversuche ab. Der von ihm gegen diesen Bescheid eingelegten Beschwerde gab die Generalstaatsanwaltschaft in ihrem Bescheid vom 28.08.2007 keine Folge. Neben dem Fehlen der gerichtlichen Zustimmung stützt die Generalstaatsanwaltschaft ihren Bescheid darauf, dass bei dem Antragsteller eine "generell vorhandene kriminelle Anlage zum Tragen kommt". Auch sei die vom Antragsteller ins Auge gefasste Therapieeinrichtung "Elrond" wegen seiner Unzuverlässigkeit, die sich aus den weiteren Verurteilungen ergebe, ungeeignet.

Gegen den Bescheid der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe vom 28.08.2007 wendet sich der Verurteilte mit seinem am 24.09.2007 eingegangenen Antrag auf gerichtliche Entscheidung durch das Oberlandesgericht.

II.

Der gemäß §§ 23ff. EGGVG zulässige Antrag ist begründet.

Der Vollstreckungsbehörde steht bei ihrer Entscheidung über die Zurückstellung der Strafvollstreckung zur Durchführung einer Drogentherapie gemäß § 35 BtMG ein Ermessen und hinsichtlich der dabei zu prüfenden Tatbestandsvoraussetzungen, Kausalität der Betäubungsmittelabhängigkeit für die abgeurteilten Taten und Therapiewilligkeit des Antragstellers (Körner BtMG, 6. Aufl., § 35 Rdnr. 299), ein Beurteilungsspielraum zu. Gemäß § 28 Abs. 3 EGGVG hat der Senat die Entschließung der Vollstreckungsbehörde auf Rechtsfehler bei der Anwendung gesetzlicher Bestimmungen, auf Ermessensfehler und darauf zu überprüfen, ob ihr ein zutreffend und vollständig ermittelter Sachverhalt unter Einhaltung der Grenzen des Beurteilungsspielraums zugrunde gelegt ist (Körner aaO, Rdnr 375; ständige Senatsrechtsprechung, z.B. StV 2002, 263).

Der Bescheid der Vollstreckungsbehörde, der in derjenigen Gestalt der Prüfung des Senats unterliegt, die er durch das Vorschaltverfahren gewonnen hat, hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Seine Begründung lässt besorgen, dass die Vollstreckungsbehörde und auch das die Zustimmung versagende Amtsgericht von ihrem Ermessen keinen dem Zweck des § 35 BtMG entsprechenden Gebrauch gemacht haben. Da die Vollstreckungsbehörde ihren Bescheid auch auf die fehlende gerichtliche Zustimmung stützt, war auch diese Entscheidung des Amtsgerichts in die Überprüfung auf Ermessensfehler hin einzubeziehen.

Zutreffend geht die Vollstreckungsbehörde ersichtlich davon aus, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 35 Abs. 1 BtMG - mit Ausnahme des Zustimmungserfordernisses - erfüllt sind: Die Tat des Antragstellers ist auf Grund einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen, der Antragsteller ist therapiebereit, ein Therapieplatz steht zur Verfügung. Zurückstellungshindernisse bestehen auch in Gestalt der weiteren zur Vollstreckung anstehenden Urteile des Amtsgerichts H. nicht, da die zu vollstreckenden Strafen bzw. Strafreste jeweils zwei Jahre nicht übersteigen und die Staatsanwaltschaft H. offenbar zur Zurückstellung der Vollstreckung dieser Strafen bereit ist.

Sind aber die Voraussetzungen des § 35 BtMG...

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