Entscheidungsstichwort (Thema)
gemeinschaftliche Nebenklagevertreter
Leitsatz (amtlich)
1. Die Regelung des § 397b StPO ist als Kann-Vorschrift ausgestaltet und belässt dem Gericht sowohl ein Entschließungs- als auch ein Auswahlermessen. Gleichgelagerte Interessen werden nach der ausdrücklichen gesetzlichen Vorgabe in § 397b Absatz 1 Satz 2 StPO in der Regel bei Nebenklägern anzunehmen sein, die nahe Angehörige desselben Getöteten sind (§ 395 Absatz 2 Nummer 1 StPO).
2. Nicht jeder Interessenunterschied begründet schon einen Interessenwiderstreit. Gleichgelagerte Interessen im Sinne der Neuregelung setzen keine Interessengleichheit oder vollständige Einigkeit der Nebenkläger voraus. Unterschiedlich weit gehende Interessen verschiedener Nebenkläger stehen der Annahme gleichgelagerter Interessen nicht entgegen.
3. Bei der gemäß § 397b Absatz 1 StPO zu treffenden Auswahlentschediung sind nach der Intention des Gesetzgebers weder eine "Waffengleichheit" der einzelnen Nebenkläger noch ein "besonderes Vertrauen" zum selbst gewählten Beistand bestimmende Gesichtspunkte. Im Gegensatz zur in § 142 StPO n.F. geregelten Auswahl des zu bestellenden Pflichtverteidigers, bei welcher der bezeichnete Verteidiger regelmäßig zu bestellen ist, kommt dem objektiven Vorliegen gleichgelagerter Interessen der verschiedenen Nebenkläger maßgebliche Bedeutung zu. Eine Bindung des Gerichts an die jeweilige Wahl der verschiedenen Nebenkläger würde der gesetzlichen Regelung, mehreren Nebenklägern einen vom Gericht zu bestimmenden gemeinschaftlichen Rechtsanwalt als Beistand zu bestellen, ersichtlich zuwiderlaufen. Einen übereinstimmenden Antrag der betroffenen Nebenkläger hinsichtlich des auszuwählenden Nebenklägervertreters sieht das Gesetz gerade nicht vor.
Normenkette
StPO § 397b Abs. 1 S. 1-2, § 395 Abs. 2, § 397a Abs. 1 Nr. 2
Verfahrensgang
LG Freiburg i. Br. (Entscheidung vom 14.04.2020; Aktenzeichen 3/20 1 Ks 90 Js 15715/19) |
Tenor
Die Beschwerde des Nebenklägers C. gegen den Beschluss des Landgerichts F. vom 14.04.2020 in Verbindung mit der Nichtabhilfeentscheidung der Vorsitzenden vom 27.04.2020 wird kostenpflichtig (§ 473 Abs. 1 Satz 1 StPO) als unbegründet verworfen.
Gründe
I.
Die Staatsanwaltschaft F. hat unter dem 09.03.2020 eine Antragsschrift im Sicherungsverfahren gemäß § 413 StPO gegen A. eingereicht, nach der dieser hinreichend verdächtig ist, im nicht ausschließbaren Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20 StGB) einen Menschen getötet zu haben, ohne Mörder zu sein, und damit den Tatbestand des Totschlags verwirklicht zu haben. Dem Beschuldigten liegt zur Last, am der ihm flüchtig bekannten O. in deren Wohnungsflur aus unbekanntem Motiv mit unbedingtem Vernichtungswillen mit einem Fleischermesser durch elf wuchtige Stiche drei so tiefgreifende Verletzungen beigebracht zu haben, dass diese binnen weniger Augenblicke noch am Tatort verblutete. Die Tat wurde jedenfalls teilweise vor den Augen der Kinder des Opfers, dem zur Tat sechs Jahre alten D. und der zur Tatzeit 14 Jahre alten B., ausgeführt.
Der Beschwerdeführer ist der Ehemann der Getöteten.
Mit Beschluss vom 17.03.2020 hat das Landgericht F., Frau B., vertreten durch Rechtsanwältin X., unter Zulassung als Nebenklägerin (§ 396 Abs. 2 StPO) auf ihren Antrag gem. § 397a Abs. 1 Nr. 2 (2. Alt.) StPO Rechtsanwältin X. beigeordnet.
Mit Verfügung vom selben Tag hat die Vorsitzende Rechtsanwalt Y. darauf hingewiesen, dass der von ihm vertretene C. noch keine Nebenklageanschlusserklärung abgegeben habe. Im Hinblick auf einen möglichen Beiordnungsantrag nach § 397a Abs. 1 Nr. 2 StPO werde darauf hingewiesen, dass der Nebenklägerin und Tochter der Getöteten B. mit Beschluss vom selben Tage Frau Rechtsanwältin X. beigeordnet worden sei, so dass sich eine Erstreckung dieser Beiordnung nach § 397b StPO anbiete. Um eine zeitnahe Rückmeldung werde gebeten.
Mit Beschluss vom 02.04.2020 hat das Landgericht F. das Hauptverfahren eröffnet und die Antragsschrift der Staatsanwaltschaft F. vom 09.03.2020 zur Hauptverhandlung vor der Großen Strafkammer - Schwurgericht - zugelassen.
Mit Schriftsatz vom 02.04.2020 teilte Rechtsanwalt Z. mit, dass er nunmehr als Nebenklägervertreter auftrete und Herr Rechtsanwalt Y. das Mandat niederlegen werde. Unter Bezugnahme auf einen Antrag des Kollegen Y. vom 10.03.2020 (der am 18.03.2020 beim Landgericht eingegangen war) beantragte er die Zulassung der Nebenklage von Herrn C. unter Beiordnung von Rechtsanwalt Z. als Beistand. Zugleich wurde beantragt, dem Antragsteller für die Vertretung der Nebenklage Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Der Nebenkläger leide noch immer psychisch unter den Folgen der Tat. Ihm sei nicht zumutbar, seine Interessen mit dem notwendigen persönlichen Einsatz ohne anwaltlichen Beistand zu vertreten.
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 14.04.2020 hat das Landgericht F. Herrn C., vertreten durch Rechtsanwalt Y. und Rechtsanwalt Z., unter Zulassung als Nebenkläger (§ 396 Abs. 2 StPO) gem. § 397a Abs. 1 Nr. 2 (2. Alt.) Rechtsanwältin X. beigeordn...