Entscheidungsstichwort (Thema)
Zuständigkeit für Klagen auf Wildschadensersatz
Leitsatz (amtlich)
1. Die örtliche Zuständigkeit der AG bei Ansprüchen auf Wildschadensersatz richtet sich in Baden-Württemberg ausschließlich nach § 12 ZPO. Auf die Frage, wo das behördliche Vorverfahren geführt worden ist, kommt es nicht an.
2. Es ist nicht objektiv willkürlich, wenn das AG bei Ansprüchen auf Wildschadensersatz den Gerichtsstand der unerlaubten Handlung verneint.
Verfahrensgang
AG Stuttgart (Aktenzeichen 1 C 4049/03) |
AG Maulbronn (Aktenzeichen 2 C 108/02) |
Tenor
Als zuständiges Gericht wird das AG Stuttgart bestimmt.
Gründe
I. Die Kläger sind Eigentümer des S. bei Maulbronn. Der Beklagte ist Jagdausübungsberechtigter für das betreffende Gebiet. Die Kläger verlangen von dem Beklagten wegen Wildschäden, die zu verschiedenen Zeitpunkten auf ihren landwirtschaftlichen Flächen aufgetreten seien, Zahlung von Schadensersatz i.H.v. 3.242,47 Euro nebst Zinsen. Ein Teil der Wildschäden war Gegenstand jagdrechtlicher Vorverfahren, die zu verschiedenen Vorbescheiden seitens der Stadt Maulbronn geführt hatten.
Die Kläger haben wegen der von ihnen geltend gemachten Ansprüche Klage zum AG Maulbronn erhoben. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 12.3.2003 hat das AG darauf hingewiesen, es sei örtlich nicht zuständig, auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer unerlaubten Handlung gem. § 32 ZPO. Auf den Hilfsantrag der Kläger hat sich das AG Maulbronn mit Beschluss vom 14.5.2003 für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das AG Stuttgart verwiesen. Mit Beschluss vom 4.6.2003 hat das AG Stuttgart die Akten dem OLG Karlsruhe zur Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts vorgelegt. Zur Begründung hat das AG Stuttgart ausgeführt, der Verweisungsbeschluss des AG Maulbronn sei fehlerhaft und für das AG Stuttgart nicht bindend.
II. Örtlich zuständig ist das AG Stuttgart.
1. Das OLG Karlsruhe ist zur Entscheidung über die örtliche Zuständigkeit berufen gem. § 36 Abs. 2 ZPO. Die Voraussetzungen für eine Gerichtsstandsbestimmung gem. § 36 Abs. 1 Ziff. 6 ZPO liegen vor. Denn sowohl das AG Maulbronn als auch das AG Stuttgart haben sich rechtskräftig für unzuständig erklärt i.S.v. § 36 Abs. 1 Ziff. 6 ZPO.
2. Die örtliche Zuständigkeit des AG Stuttgart ergibt sich aus § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO. Der Verweisungsbeschluss des AG Maulbronn vom 14.5.2003 ist für das AG Stuttgart bindend. Auf die Frage, ob die der Verweisung zugrunde liegende Rechtsauffassung des AG Maulbronn zutreffend ist, kommt es nach dem Gesetz nicht an.
3. Die Verweisung wäre für das AG Stuttgart allerdings dann - entsprechend den hierzu entwickelten Rechtsprechungsgrundsätzen - ausnahmsweise nicht bindend, wenn der Verweisung jede rechtliche Grundlage fehlen würde, so dass sie als objektiv willkürlich erscheinen würde (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 23. Aufl. 2002, § 281 ZPO Rz. 17). Die Entscheidung des AG Maulbronn kann jedoch nicht als objektiv willkürlich bewertet werden.
a) Der Anspruch auf Wildschadensersatz gem. § 29 Bundesjagdgesetz (BJagdG) gegen den Jagdausübungsberechtigten ist ein zivilrechtlicher Anspruch, der im Zivilprozess geltend zu machen ist. Dementsprechend sind für die örtliche Zuständigkeit die Vorschriften der ZPO (§ 12 ff. ZPO) maßgeblich. Die Erforderlichkeit eines behördlichen Vorverfahrens durch die zuständige Gemeinde (§§ 29, 35 BJagdG, 32 BJagdG Baden-Württemberg) ändert an der zivilrechtlichen Rechtsnatur des Anspruchs und der Anwendbarkeit der Vorschriften der ZPO im Klageverfahren nichts. Wenn das erforderliche Vorverfahren durch die Stadt Maulbronn nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden sein sollte - wie der Beklagte im Hinblick auf einen Teil der geltend gemachten Ansprüche meint -, könnte dies Auswirkungen auf die Zulässigkeit der Klage haben; für die Frage, welches AG örtlich zuständig ist, ist die Durchführung des Vorverfahrens jedoch ohne Bedeutung.
b) Die örtliche Zuständigkeit bei Wildschäden ist - jedenfalls in Baden-Württemberg - nicht durch Spezialvorschriften geregelt, die den allgemeinen Vorschriften der ZPO vorgehen würden. § 23 Ziff. 2 d) GVG enthält für Wildschäden lediglich eine Regelung zur sachlichen Zuständigkeit (Zuständigkeit der AG unabhängig vorn Streitwert), jedoch keine Regelung zur örtlichen Zuständigkeit. In den Kommentierungen zur ZPO wird zwar teilweise auf landesrechtliche Sondervorschriften zur Zuständigkeit bei Wildschäden hingewiesen (vgl. beispielsweise Zöller/Vollkommer, 23. Aufl. 2002, § 32 ZPO Rz. 2). Für Baden-Württemberg gibt es eine solche Sondervorschrift jedoch nicht. § 25a LJagdG Baden-Württemberg und die Vorschriften der Durchführungsverordnung zum Landesjagdgesetz vom 5.9.1996 regeln zwar Einzelheiten des behördlichen Vorverfahrens. In § 22 der Durchführungsverordnung zum Landesjagdgesetz finden sich auch Regelungen zur gerichtlichen Zuständigkeit im Rahmen der Zwangsvollstreckung aus einem jagdrechtlichen Vorbescheid. Regelungen zur örtlichen Zuständigkeit im Erkenntnisverfahren finden sich in der Dur...