Entscheidungsstichwort (Thema)

Mutwilligkeit. PKH. Vaterschaftsanfechtungsverfahren. Anfechtung der Ehelichkeit. Prozeßkostenhilfe

 

Leitsatz (amtlich)

Da es im Ehelichkeitsanfechtungsverfahren (jetzt Vaterschaftsfeststellungsverfahren) dem beklagten Scheinvater verwehrt ist, über den Streitgegenstand durch Vergleich, Anerkenntnis oder Geständnis zu verfügen, er somit den Rechtsstreit nicht vermeiden kann und bei unstreitigem Sachverhalt das gleiche Ziel wie das klagende Kind verfolgt, bedeutet es eine erfolgversprechende und in der Regel nicht mutwillige Rechtsverteidigung im Sinn des 114 ZPO, wenn er dem klägerischen Feststellungsantrag nicht entgegentritt.

 

Normenkette

ZPO § 114

 

Verfahrensgang

AG Maulbronn (Beschluss vom 26.02.1998; Aktenzeichen I C 832/97)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Beklagten wird der Beschluß des Amtsgerichts Maulbronn vom 26.02.1998 (I C 832/97) aufgehoben.

 

Tatbestand

I.

Die am 04.07.1997 geborene Klägerin hat im Wege der Ehelichkeitsanfechtungsklage die Feststellung begehrt, daß sie nicht das eheliche Kind des Beklagten ist, der seit 13.12.1996 von ihrer Mutter rechtskräftig geschieden ist. Der Beklagte, der übereinstimmend mit der Klägerin vorgetragen hat, daß er seit April 1995 von seiner geschiedenen Ehefrau getrennt gelebt und mit ihr keine intimen Kontakte mehr hatte, ist der Klage nicht entgegengetreten. Mit am 24.09.1997 beim Amtsgericht eingegangenem Antrag hat der Beklagte die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe beantragt. Nachdem ein vom Amtsgericht eingeholtes DNA-Abstammungsgutachten vom 13.11.1997 zum Ergebnis gekommen ist, daß der Beklagte als Erzeuger der Klägerin auszuschließen ist, hat das Amtsgericht – hierauf gestützt – mit Urteil vom 11.12.1997 der Klage stattgegeben. Den Antrag des Beklagten auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe hat das Amtsgericht mit Beschluß vom 26.02.1998 wegen Fehlens der hinreichenden Erfolgsaussicht seiner Rechtsverteidigung zurückgewiesen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde des Beklagten, der das Amtsgericht mit Beschluß vom 22.04.1998/03.06.1998 nicht abgeholfen hat.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Beschwerde ist gemäß § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO zulässig. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses.

Ob im Ehelichkeitsanfechtungsverfahren dem der Klage nicht entgegentretenden Beklagten Prozeßkostenhilfe bewilligt werden kann, ist in Literatur und Rechtsprechung umstritten (zum Meinungsstand vgl. Zöller/Philippi, ZPO, 20. Aufl., § 114 Rn. 53; Baumbach/Hartmann, ZPO, 56. Aufl., § 114 Rn. 104; OLG Karlsruhe, Beschluß vom 30.09.1991, FamRZ 1992, 221). Der Senat schließt sich der Meinung ein, daß im Ehelichkeitsanfechtungsverfahren auch eine Prozeßbeteiligung des Beklagten, der dem Feststellungsantrag nicht entgegentritt, eine erfolgversprechende und in der Regel nicht mutwillige Rechtsverteidigung ist (so auch der 4. Zivilsenat des OLG Karlsruhe, a.a.O. und der 11. Zivilsenat, Der Amtsvormund 1989, 92 ff.). Als maßgebliche Erwägung wird hierfür angeführt, daß die Nichtehelichkeit des Kindes allein durch die Ehelichkeitsanfechtungsklage geltend gemacht werden kann (hier nach den §§ 1593, 1599 BGB a.F.) und es dem Beklagten verwehrt ist, über den Streitgegenstand durch Vergleich, Anerkenntnis oder Geständnis zu verfügen. Er kann, worauf der 4. Zivilsenat (a.a.O.) zu Recht hinweist, den Rechtsstreit nicht vermeiden und verfolgt bei unstreitigem – gleichwohl beweisbedürftigem – Sachverhalt das gleiche Ziel wie der Kläger des Verfahrens. Auch ist die Stellung als – der Klage nicht entgegentretender – Beklagter im Ehelichkeitsanfechtungsverfahren nicht sachlich begründet, sondern formaler Natur, denn wer von den beiden Parteien die Position des Klägers und diejenige des Beklagten einnimmt, ist letztlich von der Zufälligkeit bestimmt, wer als erster Klage erhebt. Dem kann nicht entgegengehalten werden, hieraus folge nicht Erforderlichkeit und Schutzbedürfnis für eine nur formale „Rechtsverteidigung” der beklagten Partei (so OLG Düsseldorf, NJW-RR 1996, 1157). Vielmehr wäre es auch mit Blick auf die Bedeutung des Statusverfahrens ein Widerspruch der Rechtsordnung in sich selbst, einerseits den Beklagten, auch wenn er sich nicht wehren will, in einen Prozeß hineinzuziehen, ihm andererseits aber die Wahrung seiner Rechte mangels Erfolgsaussicht zu versagen (so zutreffend Zöller/Philippi, a.a.O.; OLG Köln, FamRZ 1996, 1289, 1290).

Demnach kann die hinreichende Erfolgsaussicht der Rechtsverteidigung des Beklagten i.S.d. § 114 ZPO nicht verneint werden. Damit, ob auch die persönlichen Voraussetzungen der Bewilligung gegeben sind, hat sich das Amtsgericht – aus seiner Sicht zu Recht – bisher nicht befaßt. Hierüber hat das Amtsgericht in eigener Zuständigkeit zu entscheiden.

Danach war der Beschluß vom 26.02.1998 aufzuheben und die Sache an das Amtsgericht zurückzugeben.

 

Unterschriften

Dr. Thalmann Vors. Richter am Oberlandesgericht, Runge Richterin am Oberlandesgericht, May Richter am Oberlandesgericht

 

Fundstellen

Haufe-Index 1345094

FamRZ 1999, 1286

NJ...

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