Entscheidungsstichwort (Thema)
Freistellung von den Kosten für Dolmetscher bezüglich von Gesprächen zwischen Beschuldigtem und seinem Wahlverteidiger
Leitsatz (redaktionell)
Auch wenn dem Beschuldigten ein Pflichtverteidiger bestellt wurde, hat er dem Grunde nach Anspruch auf Erstattung von Dolmetscherkosten für die Gespräche mit seinem Wahlverteidiger.
Verfahrensgang
LG Freiburg i. Br. (Entscheidung vom 23.06.2009; Aktenzeichen 7 Ns 620 Js 1535/09) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde des Verurteilten wird der Beschluss des Landgerichts F. vom 23. Juni 2009 aufgehoben.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Verurteilten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.
Gründe
I. Das Amtsgericht - Schöffengericht - F. verurteilte I. E. C. O. am 07.05.2009 wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu der Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten. Die dagegen gerichtete, auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Berufung des Verurteilten verwarf das Landgericht F. mit seit 30.07.2009 rechtskräftigem Urteil vom 22.07.2009. Dem der deutschen Sprache nicht mächtigen Verurteilten, gegen den Untersuchungshaft angeordnet war, war antragsgemäß am 26.03.2009 ein Pflichtverteidiger bestellt worden, der das Mandat zuvor als gewählter Verteidiger geführt hatte. Am 28.04.2009 hatte sich ein weiterer, am 18.03.2009 bevollmächtigter (Wahl-)Verteidiger für den Verurteilten legitimiert.
Am 12.06.2009 beantragte dieser für den Verurteilten beim Amtsgericht F., die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Dolmetschers für Gespräche mit dem Angeklagten und die Übernahme der dadurch erforderlichen Kosten festzustellen und reichte gleichzeitig - mit der Bitte um Ausgleich und Kostenanweisung - zwei Rechnungen über Dolmetscherkosten in Höhe von insgesamt 65,46 Euro ein, die durch die Hinzuziehung von ihm gewählter Dolmetscher zu zwei Mandantengesprächen angefallen waren. Nach Einholung einer insoweit ablehnenden Stellungnahme des Bezirksrevisors wies das seinerzeit bereits mit der Hauptsache befasste Landgericht F. in dem angefochtenen Beschluss vom 23.06.2009 den Feststellungsantrag - unter Hinweis auf die ordnungsgemäße und ausreichende Verteidigung des Verurteilten durch den Pflichtverteidiger - als unbegründet zurück. Hiergegen wendet sich der Verurteilte mit am 14.07.2009 bei Gericht eingekommener Beschwerde, der das Landgericht mit Beschluss vom 04.08.2009 nicht abgeholfen hat.
II. Die Beschwerde ist zulässig und führt in der Sache zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung.
Art. 6 Abs. 3 Lit. e EMRK räumt dem der Gerichtssprache nicht mächtigen Angeklagten bzw. Beschuldigten unabhängig von seiner finanziellen Lage für das gesamte Strafverfahren und damit auch für vorbereitende Gespräche mit einem Verteidiger einen Anspruch auf unentgeltliche Zuziehung eines Dolmetschers ein, auch wenn kein Fall notwendiger Verteidigung im Sinne des § 140 StPO oder des Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK gegeben ist (BGHSt 46, 178). Nach innerstaatlichem Verfassungsrecht folgt dieser Anspruch aus dem Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG: Einem Angeklagten, der die Gerichtssprache nicht versteht oder sich nicht in ihr ausdrücken kann, dürfen keine Nachteile im Vergleich zu einem dieser Sprache kundigen Angeklagten entstehen (BVerfG NJW 2004, 50). Mit den Grundsätzen eines fairen Verfahrens und dem Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG ist es darüber hinaus nicht vereinbar, die Inanspruchnahme eines Dolmetschers für Mandantengespräche durch einen Verteidiger von der vorherigen Bewilligung durch das Tatgericht abhängig zu machen (BVerfG aaO.). Eines nachträglichen, besonderen Ausspruchs über die von Verfassungs wegen gebotene, grundsätzliche Kostentragungspflicht der Staatskasse im Sinne einer Kostengrundentscheidung bedarf es - auch für den Fall der Verurteilung des Angeklagten - ebenfalls nicht; sie ergibt sich unmittelbar aus Nr. 9005 Abs. 4 KV GKG (OLG München StraFo 2008, 88; OLG Brandenburg StraFo 2005, 415; KK-Gieg, StPO, 6. Aufl., Rn 2 zu § 464c, Meyer-Goßner, StPO, 52. Aufl., Rn 2 zu § 464c; a.A. OLG Düsseldorf StRR 2007, 163). Der Staat kann die zu seinem Schutz notwendige Überprüfung der Erforderlichkeit geltend gemachter Dolmetscherkosten im Rahmen des jeweiligen Kostenfestsetzungs- und Kostenerstattungsverfahrens vornehmen (BVerfG, aaO.; OLG München, aaO., OLG Brandenburg, aaO.).
Einer Entscheidung des Landgerichts über den Feststellungsantrag des Verurteilten bedurfte es daher nicht, insbesondere stellt der angefochtene Beschluss vor diesem Hintergrund keine - nur mit sofortiger Beschwerde anfechtbare (§ 464 Abs. 3 Satz 1 StPO) - Kosten- und Auslagenentscheidung im Sinne der §§ 464 ff. StPO dar. Statthaftes Rechtsmittel war somit - mangels ausdrücklicher anderer gesetzlicher Regelung (Meyer-Goßner, aaO., Rn 1 zu § 311) - die unbefristete Beschwerde (§ 304 S...