Leitsatz (amtlich)
Führen die Mitglieder einer Zivilkammer beim LG untereinander Gespräche wegen einer Vielzahl von anhängigen Parallelverfahren mit zum Teil identischem Parteivortrag und versuchen sie, unter Austausch ihrer Argumente zu verschiedenen sich stellenden Rechtsfragen eine einheitliche Linie zu finden, so ist der schließlich den Einzelfall entscheidende originäre Einzelrichter nicht schon deshalb voreingenommen und befangen, weil er auf die Rechtsauffassung der Zivilkammer hinweist und sich für seine Entscheidung an dieser orientiert.
Normenkette
ZPO § 42 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Karlsruhe (Beschluss vom 13.11.2012; Aktenzeichen 10 O 759/11) |
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss der 10. Zivilkammer des LG Karlsruhe vom 13.11.2012 - 10 O 759/11 - betreffend das Ablehnungsgesuch gegen Richter am LG Dr. H. wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
3. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 39.654,93 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 27.3.2012 hat der Kläger den zur Entscheidung des Rechtsstreits berufenen Einzelrichter der 10. Zivilkammer des LG Karlsruhe Richter am LG Dr. H. wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Zur Begründung hat er ausgeführt, er habe deshalb Anlass, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln, weil die fünf der 10. Zivilkammer des LG angehörenden Richter sich in der Woche vor dem 18.1.2012 abgesprochen und sich für alle Parallelverfahren (damit auch für den hier zur Entscheidung stehenden Rechtsstreit) auf die einheitliche Linie geeinigt hätten, aus dem BaFin-Bericht ergebe sich (entgegen den Angaben auf Blatt 35 oben dieses Berichts), die Beklagte hätte Kenntnis von der arglistigen Täuschung der Erwerber durch die Verwendung des sog. Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrags ihnen gegenüber gehabt. Diese dem Kläger nachteilige Absprache, weil die Erlangung von Kenntnis des Berichts damit zugleich den Lauf der Verjährungsfrist in Bezug auf gegen die Beklagte gerichtete Schadensersatzansprüche auslösen solle, sei willkürlich und von der sachfremden Erwägung getragen, eine Beweisaufnahme zu vermeiden. Diese Vorgehensweise werde dadurch bestätigt, dass der abgelehnte Richter auf Hinweis des Prozessbevollmächtigten des Klägers in anderer Sache, dass der BaFin-Bericht anders verstanden werden müsse, wie sich aus Blatt 35 oben des Berichts ergebe, an seiner Auffassung festgehalten und erklärt habe, er müsse sonst Zeugen hören.
Der Kläger müsse daher davon ausgehen, der abgelehnte Richter habe sich mit den weiteren Richtern der Kammer abgesprochen, zur Umgehung einer Beweisaufnahme den Inhalt des BaFin-Berichts willkürlich auszulegen und geradezu in sein Gegenteil zu verkehren, und er habe dieses willkürliche Verständnis des Berichts in der Kammer verabredet.
Zur weiteren Begründung seines Befangenheitsantrags hat sich der Kläger auf Entscheidungen, Verfügungen und Vorgehensweisen der Richter der Kammer und des abgelehnten Richters in verschiedenen Parallelverfahren bezogen.
Der abgelehnte Richter hat sich dienstlich geäußert. Es sei zutreffend, dass er in verschiedenen mündlichen Verhandlungen jeweils seine vorläufige Rechtsauffassung zu verschiedenen Einzelfragen geäußert habe, welche nach seiner Kenntnis stets im Einklang gestanden habe mit der in mehreren Beratungen gefundenen Auffassung der gesamten 10. Zivilkammer, bestehend aus fünf Richtern. Auf seine dienstliche Stellungnahme vom 2.4.2012 wird ergänzend Bezug genommen.
Nach Erledigung weiterer Ablehnungsgesuche (vgl. Senatsbeschluss vom 23.10.2012 - 17 W 49/12) hat die Kammer durch den hier angefochtenen Beschluss vom 13.11.2012 das Befangenheitsgesuch gegen Richter am LG Dr. H. als unbegründet zurückgewiesen. Der Kläger habe Befangenheitsgründe nicht glaubhaft gemacht. Ein Ablehnungsgrund ergebe sich insbesondere nicht daraus, dass der Richter in parallelen Angelegenheiten zu einer auch im vorliegenden Verfahren relevanten Streitfrage eine vorläufige Einschätzung geäußert und diese auch den vom Kläger näher bezeichneten Entscheidungen zugrunde gelegt habe. Unerheblich sei dabei, ob die geäußerte Rechtsauffassung des Richters fehlerhaft sei oder nicht; denn die Befangenheitsablehnung sei grundsätzlich kein Instrument zur Fehler- und Verfahrenskontrolle.
Allein aus einer ständigen Rechtsprechung eines Gerichts beziehungsweise Richters könne bei einer objektiv und vernünftig urteilenden Partei nicht die Besorgnis entstehen, der zur Entscheidung berufene Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen und unparteiisch gegenüber. Das Ablehnungsverfahren diene nicht dazu, einer Partei die Handhabe zu geben, einen ihr genehmen, nämlich ihrem Anliegen gewogenen Richter auszuwählen. Es solle nur verhindern, dass ein Richter entscheidet, der die zur Entscheidung stehenden Fragen im Lichte der ihm unterbreiteten Argumente nicht unvoreingenommen und kritisch prüfe und den Eindruck hervorrufe, in seiner...