Leitsatz (amtlich)
1.
Die Vollzugsanstalt darf den Strafgefangenen im Rahmen ihrer Vollzugsplanung nicht auf die Gewährung von Lockerungen im Rahmen der Verlegung in eine Sozialtherapeutische Anstalt verweisen, wenn eine solche nicht in Betracht kommt.
2.
Der Begriff der Missbrauchsgefahr in § 11 Abs. 2 StVollzG beurteilt sich je nach der begehrten bzw. gewährten Lockerungsform unterschiedlich, insbesondere kann eine solche Besorgnis dann zu verneinen sein, wenn dem Verurteilten nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 1. Alt. StVollzG lediglich begleitete Ausgänge unter Aufsicht (Ausführungen) gewährt werden sollen.
3.
Der Gefangene hat zwar keinen Anspruch auf Aufnahme einer bestimmten Behandlungsmaßnahme in die Vollzugsplanung, er hat jedoch ein Recht auf fehlerfreien Ermessensgebrauch. Das gerade bei einem gefährlichen Gewalt- und Sexualstraftäter Geltung beanspruchende Gebot der bestmöglichen Sachaufklärung gebietet deshalb eine nähere Prüfung aller in Betracht kommenden Behandlungsmöglichkeiten jedenfalls dann, wenn abzusehen ist, dass sich der ursprünglich seitens der Anstalt ins Auge gefasste Behandlungsansatz aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht verwirklichen lassen wird.
Tenor
1.
Auf die Rechtsbeschwerde des Verurteilten werden der Beschluss des Landgerichts - Strafvollstreckungskammer - U. vom 4. September 2008 und Ziffer 7 der Fortschreibung des Vollzugsplans der Justizvollzugsanstalt U. vom 05. Dezember 2007 aufgehoben.
2.
Die Justizvollzugsanstalt U. wird verpflichtet, den Vollzugsplan unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats zu dem oben genannten Punkt neu fortzuschreiben.
3.
Die Staatskasse trägt die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens und die dem Verurteilten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen.
4.
Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 100,- EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der 1955 geborene X. wurde durch Urteil des Landgerichts E. vom 19.09.1984, rechtskräftig seit 29.01.1985, wegen Mordes in Tateinheit mit Vergewaltigung zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt, weil er am 12.12.1983 in C. die ihm bekannte 43-jährige A. zunächst vergewaltigt und dann aus Angst vor Entdeckung mit einem Stein erschlagen hatte. Durch Beschluss des Landgerichts U. vom 11.11.1996, rechtskräftig seit 14.03.1997 nach Maßgabe des Beschlusses des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 13.03.1997 (1 Ws 356/96 L), wurde festgestellt, dass die besondere Schwere der Schuld die Vollstreckung der lebenslangen Freiheitsstrafe bis zur Verbüßung von 19 Jahren gebietet.
Bereits vor dieser Tat war X. durch Urteil des Landgerichts E. vom 14.10.1971 wegen Mordes in Tateinheit mit schwerem Raub zu einer Jugendstrafe von 8 Jahren und 6 Monaten verurteilt worden. Zugleich war seine Unterbringung in einer Heil- oder Pflegeanstalt angeordnet worden. Die Jugendstrafe verbüßte er bis 25.03.1975 in der Justizvollzugsanstalt S., wurde sodann bis 04.12.1977 im Psychiatrischen Landeskrankenhaus in Z. untergebracht und danach zur Verbüßung der restlichen Jugendstrafe in die Justizvollzugsanstalt U. verlegt. Nachdem ein Gutachten des Psychiatrischen Landeskrankenhauses V. zu dem Ergebnis gekommen war, dass eine Tatwiederholung aufgrund der Nachreifung des Verurteilten unwahrscheinlich sei, wurde die Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung ausgesetzt und der Verurteilte am 29.10.1979 aus der Haft entlassen.
Der Gefangene befindet sich nunmehr aufgrund des Urteils des Landgerichts E. vom 19.09.1984 seit 12.12.1983 in Haft. 15 Jahre waren am 10.12.1998 verbüßt, auch die Mindestverbüßungszeit von 19 Jahren ist am 10.12.2002 abgelaufen. Im Zeitraum von 10.10.2002 bis 16.08.2006 befand sich der Verurteilte in der Sozialtherapeutischen Anstalt Baden-Württemberg. Ausweislich des dortigen Berichts vom 19.01.2004 waren erste, leichte Fortschritte erkennbar, allerdings war man der Auffassung, dass der Verurteilte aufgrund seiner Vorgeschichte und der Persönlichkeitsstörung weiterhin genau beobachtet werden müsse. Nach einem seitens der Sozialtherapeutischen Anstalt eingeholten kriminalprognostischen Gutachten des Ärztlichen Direktors der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie/Psychosomatik Dr. O. vom 19.12.2005 wurde ausweislich eines Schreibens der Sozialtherapeutischen Anstalt Baden-Württemberg vom 6.3.2006 an die Staatsanwaltschaft E. zunächst weiter geprüft, ob und ggf. ab wann mit Lockerungsmaßnahmen begonnen werden könne. Zu solchen kam es jedoch nicht , weil am 16.08.2006 die Rückverlegung des Verurteilten in die Justizvollzugsanstalt U. erfolgte. Dies wurde damit begründet, dass die Möglichkeiten der sozialtherapeutischen Behandlung erschöpft seien, beim Verurteilten aber weiterhin nahezu unveränderbare Defizite bestünden, die mit den zur Verfügung stehenden therapeutischen Mitteln nicht behandelt werden könnten und kriminalprognostisch relevant seien.
Auf die Rechtsbeschwerde des Verurteilten hatte der Senat bereits mit Beschluss vom 02.10.2007 (1 Ws 64/07L) den Beschluss des Landgerichts - Strafvollstreckungskammer - U. ...