Leitsatz (amtlich)
1. Ein selbständiger Handelsvertreter, der in einem Strukturvertrieb bestimmte Produkte vertreibt, ist Unternehmer i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 6 UWG.
2. Ein Handelsunternehmen, das Produkte im Direktmarketing verkauft, und ein Handelsvertreter, der selbst im Direktmarketing tätig ist, sind Mitbewerber i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG, soweit sie als Nachfrager nach gleichartigen Dienstleistungen auf dem Markt auftreten. Das ist der Fall, wenn sowohl das Handelsunternehmen als auch der Handelsvertreter Mitarbeiter oder selbständige Vertriebspartner für den Direktvertreib suchen.
Verfahrensgang
LG Offenburg (Aktenzeichen 2 O 290/08) |
Tenor
Der Prozesskostenhilfeantrag des Beklagten wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Die Verfügungsklägerin (im Folgenden: Klägerin) handelt im Wege des sog. Network-Marketing, bei dem selbständige Geschäftspartner ihre Produkte an Endkunden vertreiben, mit Nahrungsergänzungsmitteln, Parfum, Kosmetikartikeln und Accessoires. Der Vertrieb durch selbständige Geschäftspartner ist in der Form eines hierarchischen Strukturvertriebs organisiert. Die Vertriebspartner auf einer höheren Ebene der Struktur erhalten Provisionen nicht nur für die von ihnen selbst vermittelten Geschäfte, sondern auch für die Geschäfte, welche von Vertriebspartnern einer unteren Ebene der Struktur vermittelt werden, wenn diese Vertriebspartner der unteren Ebene von dem Vertriebspartner der oberen Ebene für die Vertriebstätigkeit geworben wurden. Vertragliche Beziehungen bestehen hierbei allerdings nur zwischen der Klägerin und ihren jeweiligen Vertriebspartnern ("Teampartnern"). Hingegen bestehen in diesem Vertriebssystem keine vertraglichen Beziehungen zwischen einem Teampartner auf einer oberen Ebene der Struktur und den von ihm geworbenen Vertriebspartner einer unteren Ebene.
Der Verfügungsbeklagte (im Folgenden: Beklagte) war für die Klägerin als Vertriebspartner tätig. Mit Schreiben vom 24.6.2008 kündigte die Klägerin das Vertragsverhältnis mit dem Beklagten. Die Parteien streiten - in einem anderen Rechtsstreit - um die Wirksamkeit dieser Kündigung.
Der Beklagte hatte während seiner Tätigkeit für die Klägerin u.a. Herrn S. als weiteren Vertriebspartner für die Klägerin geworben. Am 16.7.2008 schickte der Beklagte an S. - der zu dieser Zeit weiter für die Klägerin tätig war - eine E-Mail, u.a. mit folgendem Inhalt:
"... nachdem meine bisherigen Auftraggeber anscheinend finanzielle Schwierigkeiten haben und die Auszahlung der Provisionen sich teilweise sehr arg hinauszögert bzw. zum Teil gar nicht bezahlt wird, musste ich mich nach einem neuen Vertragspartner umschauen.
Durch Zufall wurde mir ein Geschäft angeboten, in dem ich das, was ich bei dem letzten Network-Unternehmen in zwei ½ Jahren erreichte, innerhalb von 1 ½ Monate, also 6 Wochen erreichte.
Ich bin kein besonderer Held, denn das, was ich kann, kannst Du erst recht!
Melde Dich einfach, komm zum Gespräch und prüfe das Business. Dann kannst Du Dich immer noch entscheiden oder aber mit ruhigen Gewissen sagen: Nein!
Egal, was Du bisher gemacht hast, egal was Du bisher machst, das Neue beißt sich nicht mit dem Alten, bzw. derzeitigen Business".
Die Klägerin hat dies zum Anlass genommen, gegen den Beklagten den Erlass einer einstweiligen Verfügung zu beantragen. Das LG hat - nach mündlicher Verhandlung - antragsgemäß eine einstweilige Verfügung wie folgt erlassen:
Auf Antrag der Verfügungsklägerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung dem Verfügungsbeklagten bei Meldung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EURO, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten für jeden Fall der Zuwiderhandlung untersagt, im geschäftlichen Verkehr zum Vertrieb von Produkten an Vertriebspartner der Antragstellerin ohne deren zumindest mutmaßliche Einwilligung E-Mails, in denen für die Tätigkeit im Vertrieb eines anderen Unternehmens geworben wird, zu versenden und/oder versenden zu lassen, insbesondere mit folgendem Inhalt:
"... nachdem meine bisherige Auftraggeber anscheinend finanzielle Schwierigkeiten haben und die Auszahlung der Provisionen sich teilweise sehr arg hinauszögert bzw. zum Teil gar nicht bezahlt wird, musste ich mich nach einem neuen Vertragspartner umschauen.
Durch Zufall wurde mir ein Geschäft angeboten, in dem ich das, was ich bei dem letzten Network-Unternehmen in zwei ½ Jahren erreichte, innerhalb von 1 ½ Monate, also 6 Wochen erreichte.
Ich bin kein besonderer Held, denn das, was ich kann, kannst Du erst recht!
Melde Dich einfach, komm zum Gespräch und prüfe das Business. Dann kannst Du Dich immer noch entscheiden oder aber mit ruhigen Gewissen sagen: Nein!
Egal, was Du bisher gemacht hast, egal was Du bisher machst, das Neue beißt sich nicht mit dem Alten, bzw. derzeitigen Business".
Gegen das Urteil des LG vom 18.9.2008 richtet sich die Berufung des Beklagten. Er ist der Meinung, der Klägerin stehe der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht zu. Sie sei schon deshalb nicht berechtigt, einen solchen Anspruch geltend zu machen, weil die Klägerin und der Beklagt...