Entscheidungsstichwort (Thema)
Räumung und Herausgabe
Verfahrensgang
AG Freiburg i. Br. (Aktenzeichen 3 C 1572/91) |
LG Freiburg i. Br. (Aktenzeichen 3 S 335/91) |
Tenor
Die in § 564 b Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 BGB bestimmte Wartefrist ist bei Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses unter Berufung auf ein berechtigtes Interesse im Sinne des Satzes 1 der Vorschrift (Eigenbedarf) des für die Wohnung ausschließlich nutzungsberechtigten Miteigentümers jedenfalls dann einzuhalten, wenn
- dem Miteigentümer bei Erwerb des Bruchteilseigentums an dem Hausgrundstück eine bestimmte Wohnung zur ausschließlichen Nutzung zugewiesen worden ist und
- diese Nutzungsregelung ebenso wie der dauernde Ausschluß des Aufhebungsverlangens nach § 1010 BGB im Grundbuch eingetragen sind,
- aufgrund des Kaufvertrages innerhalb von drei Jahren nach § 3 WEG Wohnungseigentum gebildet werden soll und
- bei Abschluß des Kaufvertrages die Abgeschlossenheitsbescheinigung bereits vorgelegen hat.
Gründe
Die Kläger verlangen die Räumung und Herausgabe einer Vier-Zimmer-Wohnung nebst Kelleranteil im Anwesen S.straße … in … G. welche die Beklagten seit dem 15.07.1978 gemietet haben. Nach dem Tode des ursprünglichen Vermieters wurde das Grundstück durch Vertrag vom 01.06.1989 an einen Immobilienkaufmann verkauft. Dieser beschaffte die Abgeschlossenheitsbescheinigung für die im Hause gelegenen Wohnungen. Danach bot mit Schreiben vom 08.08.1989 eine andere Immobilienfirma den Beklagten die von ihnen bewohnte Wohnung zum Erwerb an mit dem Hinweis, daß die Wohnungen des Anwesens „in Eigentumsmaßnahmen aufgeteilt und veräußert werden”. Statt der Beklagten haben die Kläger mit notariellem Vertrag vom 07.12.1989 an dem Anwesen einen Miteigentumsanteil von je 89,5/1000, insgesamt also 179/1000 gekauft.
In diesem Vertrag wurde vereinbart, daß die Kläger als Miteigentümer die von den Beklagten bewohnte Erdgeschoßwohnung, einen Kellerraum und einen Pkw-Abstellplatz allein nutzen sollten und das Recht, die Aufhebung der Gemeinschaft zu verlangen, ausgeschlossen werde. Die Kläger verpflichteten sich weiter gegenüber dem Verkäufer und sämtlichen künftigen Miteigentümern, innerhalb von drei Jahren nach § 3 WEG Wohnungs- und Teileigentum zu begründen. Die nähere Ausgestaltung sollte durch künftige Vereinbarungen sämtlicher Miteigentümer erfolgen. Im Falle der Nichteinigung war der Verkäufer berechtigt und bevollmächtigt, die Teilungserklärung samt den Bestimmungen zur Regelung des Gemeinschaftsverhältnisses mit Wirkung für und gegen alle Miteigentümer einseitig nach §§ 315 ff BGB zu treffen. Der Übergang von Besitz, Nutzung und Lasten an die Kläger erfolgte zum 01.01.1990.
Am 23.03.1990 wurden die Kläger als Miteigentümer im Grundbuch eingetragen. Gleichzeitig wurde die Belastung ihres Bruchteilseigentums mit der Nutzungsregelung und dem Ausschluß des Rechts auf Aufhebung der Gemeinschaft nach § 1010 BGB zu Gunsten der anderen Miteigentümer eingetragen. Entsprechende Belastungen zu Gunsten anderer Erwerber waren im notariellen Vertrag vorgesehen und sind in der Folgezeit auch vorgenommen worden.
Mit Schreiben des Prozeßbevollmächtigten der Kläger vom 29.11.1990 kündigten sämtliche Miteigentümer des Anwesens die von den Beklagten bewohnte Wohnung zum 30.11.1991 unter Hinweis auf den Eigenbedarf der Kläger, der dargelegt wurde. Zuvor hatten die Kläger bereits mit Schreiben vom 27.03.1990 und mit Schreiben ihrer Prozeßbevollmächtigten vom 27.09.1990 wegen Eigenbedarfs gekündigt.
Die Kläger sind der Auffassung, daß die Wartefrist des § 564 b Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 BGB nicht eingehalten werden müsse, da noch kein Wohnungseigentum begründet worden sei und die Zuweisung des alleinigen Nutzungsrechts dem nicht gleichstehe. Die Beklagten haben die Auffassung vertreten, die Kläger seien nicht aktivlegitimiert, weil nur alle Miteigentümer gemeinsam zur Geltendmachung des Räumungs- und Herausgabeverlangens befugt seien. Im übrigen sei die dreijährige Sperrfrist zu beachten, da es sich bei der vertraglichen Konstruktion um eine Umgehung der Vorschrift des § 564 b Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 BGB handele.
Durch Urteil vom 14.08.1991 hat das Amtsgericht Freiburg die Klage mit der Begründung abgewiesen, es verstoße gegen Treu und Glauben, wenn die rechtliche Ausgestaltung des Kaufvertrages zu einer Nichtanwendung der Dreijahresfrist führe.
Mit ihrer Berufung verfolgen die Kläger ihr Herausgabe- und Räumungsbegehren weiter, das sie nur noch auf die namens und in Vollmacht der Eigentümergemeinschaft ausgesprochene Kündigung vom 29.11.1990 stützen. Hilfsweise verlangen sie die Herausgabe an die Gemeinschaft der Miteigentümer.
Die Beklagten wiederholen ihren erstinstanzlichen Vortrag.
Das Landgericht hat dem Senat folgende Frage zum Rechtsentscheid vorgelegt:
Darf eine Gemeinschaft von Miteigentümern, die an einem Hausgrundstück jeweils Bruchteilseigentum unter Zuweisung je einer bestimmten Wohnung samt Nebenräumen zur ausschließlichen Nutzung erworben haben, ein bereits vor dem Erwerb bestehendes Mietverhältnis unter ...