Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum Verfahren bei Weigerung der sorgeberechtigten Mutter, dass ihre Kinder im Vaterschaftsfestellungsprozess an einer gerichtlich angeordneten serologischen Blutgruppenuntersuchung mitwirken
Leitsatz (amtlich)
Ein teilweiser Entzug des Sorgerechts in Form des Ausschlusses der gesetzlichen Vertretung der Kinder im Abstammungsprozess ist nicht erforderlich, wenn sich die allein sorgeberechtigten Mutter unberechtigt weigert, dass ihre Kinder im Vaterschaftsfestellungsprozess an einer gerichtlich angeordneten serologischen Blutgruppenuntersuchung mitwirken. Für den Fall, dass ein (vermeintliches) Weigerungsrecht ausgeübt wird, verweist § 372a Abs. 2 ZPO vielmehr auf die entsprechende Anwendung der Vorschriften der §§ 386 bis 390 ZPO; danach findet ein Zwischenstreit über die Rechtmäßigkeit der Weigerung statt.
Normenkette
ZPO § 372a; BGB § 1666
Verfahrensgang
AG Karlsruhe (Beschluss vom 27.03.2006; Aktenzeichen 1 F 10/05) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Mutter und der Stadt K. - Jugendamt - wird der Beschluss des AG - FamG - Karlsruhe vom 27.3.2006 aufgehoben.
Gerichtsgebühren werden nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Der Geschäftswert wird auf 3.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. M.M. und die Beteiligte Ziff. 1 - die Mutter der Kinder Angelo und Antonio, beide geb. am 29.12.1998 - waren miteinander verheiratet. Die Ehe wurde mit Urteil vom 27.11.1997 geschieden. Aus der Ehe sind zwei Töchter hervorgegangen, die beim Vater leben. Im Mai 1998 heiratete die Beteiligte Ziff. 1 W., obwohl sie - so die Behauptung von M.M. - zu dem Zeitpunkt von ihm mit den Kindern Angelo und Antonio schwanger gewesen sei. W. ist nicht der biologische Vater der Kinder. Er ist zwischenzeitlich von der Beteiligten Ziff. 1 geschieden. Kontakt zu den Kindern Angelo und Antonio hat er nicht; er leistet auch keinen Unterhalt.
M.M. hat beim AG - FamG - Karlsruhe Klage erhoben mit dem Antrag, festzustellen, dass nicht W., sondern er der Vater der Kinder Angelo und Antonio sei. Auch nach der Scheidung habe er ein intimes Verhältnis zur Kindesmutter unterhalten.
Die Beteiligte Ziff. 1, die diesem Rechtsstreit nicht beigetreten ist, hat in diesem Verfahren vorgetragen, der Antrag entspreche nicht dem Kindeswohl ... Dass die Vaterschaft von M.M. in Betracht komme, könne sie nicht ausschließen, da er sie während der Empfängniszeit heftig bedroht sowie körperlich und sexuell misshandelt habe. Das mögliche Ergebnis, nämlich die Feststellung der Vaterschaft mit sämtlichen Folgen, würde für die Kinder eine Fortsetzung der traumatischen Erfahrung bedeuten. Die Erlebnisse seien für sie und die Kinder so tief greifend gewesen, dass es zu ihrem Schutz notwendig sei, dem Begehren des Klägers hinsichtlich der Vaterschaftsfeststellung entgegen zu treten.
Das AG - FamG - hat mit Beschluss vom 22.8.2005 die Einholung eines serologischen Blutgruppengutachtens zur Klärung der Frage, ob M.M. oder W. der Vater der beiden Kinder Angelo und Antonio ist, angeordnet. Mit Schriftsatz vom 4.10.2005 hat die Beteiligte Ziff. 1 mitgeteilt, sie mache für die Kinder und für sich von dem Weigerungsrecht gem. § 372a ZPO Gebrauch.
Daraufhin hat das AG mit Beschluss vom 27.3.2006 nach entsprechender Ankündigung der Beteiligten Ziff. 1 das Recht der Vertretung der Kinder im Verfahren wegen Anfechtung der Vaterschaft entzogen und auf einen Ergänzungspfleger, zu dem die Stadt Karlsruhe, Sozial- u. Jugendbehörde, bestimmt wurde, übertragen. Zur Begründung hat es ausgeführt, es bestehe ein erheblicher Interessengegensatz zwischen den Kindern und der Mutter. Das natürliche Recht der Kinder, ihre Abstammung zu kennen, werde durch die Weigerung der Mutter verletzt. Beachtliche Gründe, die dies rechtfertigen könnten, lägen nicht vor. Die geltend gemachten Angstzustände der Kinder seien im Streit über das Umgangsrecht zu berücksichtigen, Spannungen im Verhältnis der Mutter zum vermeintlichen Vater in einem Sorgerechtsstreit. Es sei völlig offen, ob es zu der von der Mutter angeführten gewaltsamen Zeugung der Kinder gekommen sei, zumal sie keine Anzeige erstattet habe. Da die Mutter eine Entfremdung ihrer Zwillingssöhne nach dem Modell der Entfremdung ihrer Zwillingstöchter befürchte, wolle sie diese verhindern, in dem sie bereits die Vaterschaftsfeststellung vereitele. Dadurch stelle sie ihre Interessen über die der von ihr vertretenen Kinder. Eine sachgerechte Vertretung der Kinder im Rechtsstreit sei nicht gewährleistet.
Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Beteiligten Ziff. 1 und des Jugendamts, die die Aufhebung des Beschlusses beantragen.
Die Mutter verweist darauf, dass ein Interessengegensatz nicht bestehe. Die Kinder könnten zu einem späteren Zeitpunkt selbst entscheiden, ob sie von ihrem Recht, die Abstammung zu erfahren, Gebrauch machen wollen. Sie, die Mutter, handele im Kindeswohlinteresse.
Das Jugendamt ist der Auffassung, eine Entziehung der elterlichen Sorge sei gesetzlich nicht zulässig, wenn es, wie vorliegend, um d...