Entscheidungsstichwort (Thema)
Ehescheidung
Verfahrensgang
AG Schwetzingen (Beschluss vom 23.06.1998; Aktenzeichen 2 F 50/98) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluß des Amtsgerichts – Familiengericht – Schwetzingen vom 23.06.1998 (2 F 50/98) aufgehoben.
2. Der Antragstellerin wird für den ersten Rechtszug unter Beiordnung von Rechtsanwalt … Prozeßkostenhilfe bewilligt. Sie hat keine Raten auf die Prozeßkostenhilfe zu zahlen.
Tatbestand
I.
Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 26.03.1998 (AS. 1) Prozeßkostenhilfe für die von ihr beabsichtigte Scheidung beantragt. Nach Hinweis des Familiengerichts, daß unter dem Aktenzeichen 3 F 21/92 bereits ein Scheidungsverfahren beim Amtsgericht Schwetzingen anhängig sei, das seit dem 10.05.1993 ruhe, hat die Antragstellerin in dem früher anhängig gemachten Scheidungsverfahren ihren Antrag am 28.04.1998 zurückgenommen.
Durch Beschluß vom 23.06.1998 (AS. 14 ff.) hat das Familiengericht das Gesuch der Antragstellerin um Prozeßkostenhilfe für das neue Scheidungsverfahren wegen Mutwillens zurückgewiesen, da die Antragstellerin sich widersprüchlich verhalten habe, indem sie einerseits den früheren Scheidungsantrag zurückgenommen, andererseits bereits zuvor neuen Scheidungsantrag gestellt habe.
Ihre hiergegen am 14.08.1998 (AS. 21) eingelegte Beschwerde hat die Antragstellerin damit begründet, daß es nach mehreren Versöhnungsversuchen ihr nicht zuzumuten sei, im Rahmen des Versorgungsausgleichs auf Rentenanwartschaften aus einem Zeitraum von sechs Jahren (1992 bis 1998) zu verzichten.
Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Entscheidungsgründe
II.
Die gemäß § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO zulässige Beschwerde ist begründet, der Antragstellerin ist Prozeßkostenhilfe zu bewilligen. Die Antragstellerin, die Sozialhilfe bezieht, ist wirtschaftlich nicht in der Lage, die Kosten der Prozeßführung aufzubringen, ihr Scheidungsantrag hat hinreichende Erfolgsaussicht und erscheint nicht mutwillig, § 114 ZPO.
Eine Rechtsverfolgung ist dann mutwillig, wenn eine verständige, nicht hilfsbedürftige Partei ihre Rechte nicht in gleicher Weise verfolgen würde (OLG Nürnberg, FamRZ 1995, 371; OLG Karlsruhe, FamRZ 1995, 1504; Zöller/Philippi, ZPO, 21. Aufl., § 114, Rn. 30), da die Prozeßkostenhilfe eine weitgehende Gleichstellung, nicht aber eine Besserstellung bezweckt und deshalb nicht dazu mißbraucht werden darf, Prozesse zu ermöglichen, die eine verständige, die Prozeßkosten in ihre Überlegung einbeziehende Partei nicht führen würde. Zwar kann Mutwille vorliegen, wenn für einen neuen Scheidungsantrag Prozeßkostenhilfe beantragt und zuvor ein früher gestellter Scheidungsantrag ohne Versöhnung und bei fortbestehender Zerrüttung zurückgenommen wird (Schwab/Maurer, Handbuch des Scheidungsrechts, 3. Aufl., I, Rn. 181; OLG Karlsruhe, 16. Zivilsenat, FamRZ 1998, 485, 486). Dies ist hier jedoch nicht der Fall, da die Antragstellerin für ihr Verhalten nachvollziehbare Gründe angibt.
Ausweislich eines Schriftsatzes des Prozeßbevollmächtigten der Antragstellerin vom 22.04.1993 im Verfahren 3 F 21/92 (AS. 17 dieser Akte) lebten die Parteien zum damaligen Zeitpunkt wieder in ehelicher Gemeinschaft, weshalb das Ruhen des Verfahrens beantragt wurde. Bei Fortführung des ursprünglichen Scheidungsverfahrens wäre als Ende der Ehezeit gemäß § 1587 Abs. 2 BGB der 31.05.1992 zugrunde zulegen (Zustellung des Scheidungsantrags am 27.06.1992, AS. 7) trotz danach nochmals erfolgter Versöhnung der Parteien und langjährigem Ruhen des Verfahrens (vgl. Johann/Henrich/Hahne, EheR, 3. Aufl., § 1587 BGB Rn. 30). Die Antragstellerin, die ebenso wie der Antragsgegner türkische Staatsangehörige ist, hat zwischenzeitlich auch ausdrücklich beim Amtsgericht gemäß Art. 17 Abs. 1 u. Abs. 3 S. 2 i.V.m. Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB einen Antrag auf Durchführung des Versorgungsausgleichs nach deutschem Recht gestellt. Bei dieser Sachlage hätte auch eine Partei, die selbst die Kosten des Verfahrens aufzubringen hat, in Erwartung erheblich höherer zu ihren Gunsten auszugleichender Rentenanwartschaften den früheren Scheidungsantrag trotz seit fünf Jahren fortbestehender Trennung zurückgenommen und einen neuen Scheidungsantrag gestellt. Hinzukommt, daß die Antragstellerin in dem früheren Verfahren keine Prozeßkostenhilfe beantragt hatte, sondern diese Verfahrenskosten von ihr selbst getragen wurden und so die Staatskasse nicht doppelt belastet wird.
Im Hinblick auf den Sozialhilfebezug hat die Antragstellerin keine Raten auf die Prozeßkostenhilfe zu zahlen.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlaßt (§ 127 Abs. 4 ZPO).
Unterschriften
May Richter am Oberlandesgericht, Runge Richterin am Oberlandesgericht, Großmann Richterin am Amtsgericht
Fundstellen
Haufe-Index 1516360 |
FamRZ 1999, 1669 |
NJWE-FER 1999, 280 |