Entscheidungsstichwort (Thema)

Antrag. Nachlasspflegschaft

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Das für eine Beteiligtenstellung und Antragsberechtigung erforderliche eigene unmittelbare Interesse der Beschwerdeführerin als Nachlaßgläubigerin ergibt sich ohne weiteres aus §§ 1975, 1981 Abs. 2 BGB. Danach dient die Anordnung der Nachlaßverwaltung gerade dem Zweck der Befriedigung der Nachlaßgläubiger, weshalb auch jedem einzelnen dieser Gläubiger das Recht eingeräumt ist, die Anordnung der Nachlaßverwaltung zu beantragen.

2. Infolge der dem Nachlaßverwalter zustehenden Verfügungsbefugnis über den Nachlaß (§ 1984 Abs. 1 S. 2 BGB) können, was keiner weiteren Begründung bedarf, berechtigte Interessen des Nachlaßgläubigers durch pflichtwidrige Handlungen in erheblichem Maße gefährdet oder beeinträchtigt werden. Schon deshalb muß der Nachlaßgläubiger das Recht haben, Anordnungen des Gerichts im Verfahren der Nachlaßverwaltung zu erwirken, die äußerstenfalls bis zur Entlassung des Nachlaßverwalters gehen können.

 

Normenkette

BGB §§ 1975, 1981 Abs. 2, § 1984 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Freiburg i. Br. (Beschluss vom 18.11.1988; Aktenzeichen 4 AR 4/88)

 

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Frau … wird der Beschluß der 4. Zivilkammer des Landgerichts Freiburg vom 18.11.1988 – 4 AR 4/88 – aufgehoben.

2. Das Gesuch der Nachlaßgläubiger in auf Ablehnung des Nachlaßrichters Notariatsdirektor … wegen Besorgnis der Befangenheit wird für begründet erklärt.

3. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

 

Tatbestand

I.

Durch gemeinschaftliches notarielles Testament vom 16.10.1979 setzten sich die Beschwerdeführerin und deren Ehemann gegenseitig zu unbeschränkten Alleinerben ein. Der Ehemann ist am 27.9.1986 verstorben. Die Beschwerdeführerin sowie alle Abkömmlinge des Erblassers, mit Ausnahme des Sohnes …, haben die Erbschaft ausgeschlagen. Auf Antrag des Alleinerben hat das Nachlaßgericht am 16.7.1987 die Nachlaßverwaltung angeordnet und zum Nachlaßverwalter den vom Alleinerben vorgeschlagenen Steuerberater … in … bestimmt.

Der Erblasser hat in notarieller Urkunde des Notariats Lörrach vom 20.9.1973 (III H 1510/73) mit Zustimmung der Beschwerdeführerin dem Sohn … in Vorwegnähme der Erbfolge eine umfangreiche Schenkung gemacht. Der Vertrag wurde damals von dem nunmehr zuständigen Nachlaßrichter als Notar beurkundet. Ober den Inhalt dieses Vertrages besteht zwischen der Beschwerdeführerin und ihrem Sohn sowie dem Nachlaßverwalter Streit. Die Beschwerdeführerin hat Ansprüche gegen den Nachlaß geltend gemacht.

Die Beschwerdeführerin hat beim Nachlaßgericht die Entlassung des Nachlaßverwalters wegen einer Reihe angeblicher Pflichtverletzungen beantragt und den zuständigen Nachlaßrichter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Durch Beschluß vom 18.11.1988 hat das Landgericht Freiburg das Ablehnungsgesuch als unstatthaft zurückgewiesen, weil kein Verfahren vorliege, an dem die Antragstellerin beteiligt sei.

Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde, die eine unmittelbare materielle Betroffenheit des Nachlaßgläubigers durch die Entscheidung über die Abberufung des Nachlaßverwalters geltend macht und das Vorbringen zu den Ablehnungsgründen ergänzt.

 

Entscheidungsgründe

II.

Das in entsprechender Anwendung von § 46 Abs. 2 ZPO zulässige, form- und fristgerecht eingelegte Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.

1. Zu Unrecht hat das Landgericht die Beschwerdeführerin als außenstehende Dritte behandelt und sie infolgedessen nicht als befugt angesehen, einen Antrag auf Entlassung des Nachlaßverwalters zu stellen.

a) Das für eine Beteiligtenstellung und Antragsberechtigung erforderliche eigene unmittelbare Interesse der Beschwerdeführerin als Nachlaßgläubigerin ergibt sich ohne weiteres aus §§ 1975, 1981 Abs. 2 BGB. Danach dient die Anordnung der Nachlaßverwaltung gerade dem Zweck der Befriedigung der Nachlaßgläubiger, weshalb auch jedem einzelnen dieser Gläubiger das Recht eingeräumt ist, die Anordnung der Nachlaßverwaltung zu beantragen. Es versteht sich aber von selbst, daß die berechtigten Interessen des Nachlaßgläubigers nicht schon allein dadurch gewahrt sind, daß diese Maßnahme beschlossen wird, sondern es auch wesentlich auf eine rechtmäßige und sachgerechte Ausübung des Amtes durch den Nachlaßverwalter ankommt. Infolge der dem Nachlaßverwalter zustehenden Verfügungsbefugnis über den Nachlaß (§ 1984 Abs. 1 S. 2 BGB) können, was keiner weiteren Begründung bedarf, berechtigte Interessen des Nachlaßgläubigers durch pflichtwidrige Handlungen in erheblichem Maße gefährdet oder beeinträchtigt werden. Schon deshalb muß der Nachlaßgläubiger das Recht haben, Anordnungen des Gerichts im Verfahren der Nachlaßverwaltung zu erwirken, die äußerstenfalls bis zur Entlassung des Nachlaßverwalters gehen können,

b) Demgegenüber greifen die aus der Verweisung auf die Vorschriften über das Vormundschaftsrecht hergeleiteten Erwägungen das Landgerichts nicht durch. Zwar befindet sich die Kammer in Übereinstimmung mit der von Soergel-Stein (BGB 11. Aufl., § 1985 Rn....

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