Leitsatz (amtlich)
Die Befugnis zur Übermittlung von Sozialdaten zur Durchführung eines Strafverfahrens nach § 73 SGB X ist nicht auf die Übermittlung von Sozialdaten des Beschuldigten beschränkt.
Tenor
Die Beschwerde der Deutschen Rentenversicherung Bund gegen den Beschluss des Landgerichts M. vom 25. August 2006 wird kostenpflichtig (§ 473 Abs. 1 Satz 1 StPO) als unbegründet verworfen.
Gründe
Die Staatsanwaltschaft M. erhob am 24.02.2006 gegen den Angeschuldigten wegen des Vorwurfs der fahrlässigen Tötung in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung in jeweils drei tateinheitlichen Fällen Anklage zum Landgericht M. Dem Angeschuldigten liegt zur Last, er habe als Bauherr und verantwortlicher Bauunternehmer bei der Errichtung des Rohbaues des Wohnhauses D.straße in B. im Frühjahr 1967 pflichtwidrig dazu beigetragen, dass bei der Bodenplatte des an der Gebäuderückseite im ersten Obergeschoss erstellten Balkons die statisch erforderliche Zugbewehrung nicht eingebaut worden sei. Dieser Mangel habe in vorhersehbarer Weise dazu geführt, dass die Balkonplatte am 28.07.2005 abgebrochen sei, wodurch drei Menschen getötet und drei weitere zum Teil erheblich verletzt worden seien.
Das nach Anklageerhebung mit der Sache befasste Landgericht M. hat im Zwischenverfahren mit Beschluss vom 25.08.2006 die Übermittlung der bei der BfA - Deutsche Rentenversicherung Bund - gespeicherten Namen und derzeitigen Anschriften aller noch lebenden, im Januar und Februar 1967 bei der Firma G. O. Bauunternehmen beschäftigt gewesenen Arbeitnehmer angeordnet. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Deutschen Rentenversicherung Bund, mit welcher geltend gemacht wird, die angeordnete Übermittlung diene einer der Rasterfahndung vergleichbaren Ermittlungsmaßnahme und sei daher rechtswidrig. Mit Beschluss vom 11.09.2006 hat das Landgericht auf Antrag der Beschwerdeführerin die Vollziehung der Übermittlungsanordnung vom 25.08.2006 ausgesetzt und gleichzeitig der Beschwerde nicht abgeholfen.
Das Rechtsmittel ist mit Blick auf die sich aus der Regelung des § 67 d Abs. 2 Satz 1 SGB X ergebenden grundsätzlichen Verantwortlichkeit der übermittelnden Stelle für die Rechtmäßigkeit der Übermittlung zulässig (vgl. Hauck/Noftz Sozialgesetzbuch SGB X § 73 Rdnr. 41; Walz in Borchert/Hase/Walz Gemeinschaftskommentar zum Sozialgesetzbuch - Schutz der Sozialdaten § 73 Rdnr. 37). Es bleibt in der Sache indes ohne Erfolg.
Das Landgericht hat die Übermittlung der im angefochtenen Beschluss näher bezeichneten Sozialdaten (§ 67 SGB X) im Ergebnis zu Recht angeordnet.
a)
Allerdings erscheint es zweifelhaft, ob die angeordnete Datenübermittlung - wie im angefochtenen Beschluss der Strafkammer - auf die Regelung des § 73 Abs. 2 SGB X i. V. m. § 72 Abs. 1 Satz 2 SGB X gestützt werden kann. Denn die erbetene Mitteilung von Namen und derzeitigen Anschriften der im Januar und Februar 1967 bei der Firma G. O. Bauunternehmen beschäftigt gewesenen Arbeitnehmer führt über die Übermittlung der unmittelbar angeforderten Identifizierungsdaten hinaus notwendigerweise auch zu einer partiellen Offenlegung der Beschäftigungszeiten der betreffenden Arbeitnehmer. Damit wird aber der in den §§ 73 Abs. 2, 72 Abs. 1 Satz 2 SGB X festgelegte beschränkte Katalog der nach dieser Befugnisnorm übermittlungsfähigen Sozialdaten überschritten. Die abschließenden Entscheidung dieser Frage kann im vorliegenden Fall indessen dahingestellt bleiben. Denn die den angefochtenen Beschluss tragende Übermittlungsbefugnis ergibt sich jedenfalls aus der Vorschrift des § 73 Abs. 1 SGB X.
b)
Nach der Bestimmung des § 73 Abs. 1 SGB X ist eine Übermittlung von Sozialdaten zulässig, soweit sie zur Durchführung eines Strafverfahrens wegen eines Verbrechens oder wegen einer sonstigen Straftat von erheblicher Bedeutung erforderlich ist. Diese Voraussetzungen liegen vor.
Das Übermittlungsersuchen erfolgt in dem vor dem Landgericht M. im Zwischenverfahren anhängigen Strafverfahren gegen den Angeschuldigten. Gegenstand dieses Verfahrens ist der Vorwurf der tateinheitlich begangenen fahrlässigen Tötung und fahrlässigen Körperverletzung jeweils dreier Menschen. Bereits die gravierenden Tatfolgen verleihen dem verfahrensgegenständlichen Vergehen ein besonderes Gewicht. Da nach dem Anklagevorwurf die Regeln der Baukunst in grober Weise verletzt wurden und das Tatgeschehen darüber hinaus das Vertrauen der Allgemeinheit in die Standsicherheit von Gebäuden nachhaltig berührt, besteht zudem ein besonderes öffentliches Interesse an der Aufklärung des Sachverhalts. Unter Berücksichtigung dieser den Einzelfall prägenden Umstände handelt es sich bei der dem Strafverfahren gegen den Angeschuldigten zu Grunde liegenden Tat um eine Straftat von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 73 Abs. 1 SGB X (vgl. Hauck/Noftz aaO § 73 Rdnr. 18; Scholz im Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht Stand 42. Erg. § 73 Rdnr. 8; vgl. auch Schäfer in Löwe/Rosenberg StPO 25. Aufl. § 98 a Rdnr. 27). Die Übermittlung der erbetenen Sozialdaten ist des ...