Entscheidungsstichwort (Thema)

Bestellung eines Verteidigers im Wiederaufnahmeverfahren bei sofortiger Beschwerde mit ausländerrechtlichen Fragestellungen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Vorschrift des § 364 a StPO ist auch auf die Verteidigerbestellung im Verfahren der sofortigen Beschwerde anzuwenden.

2. Die Entscheidung über die Bestellung eines Verteidigers obliegt in diesen Fällen dem zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde berufenen Gericht; eine ablehnende Entscheidung ist mit der Beschwerde nach § 304 Abs. 1 StPO anfechtbar.

3. Bei tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeit der aufgeworfenen ausländerrechtlichen Fragestellung erscheint es ausgeschlossen, dass der Verurteilte ohne Mitwirkung eines Verteidigers in der Lage ist, sein Rechtsmittel sachgerecht zu begründen.

 

Verfahrensgang

LG Mosbach (Aktenzeichen 1 Qs 53/02)

 

Gründe

Das Amtsgericht A. verhängte gegen den Verurteilten mit rechtskräftigem Strafbefehl vom 15.03.1995 wegen wiederholten Verstoßes gegen eine Aufenthaltsbeschränkung nach § 56 AsylVfG die Geldstrafe von 15 Tagessätzen zu je 20,00 DM. Mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 30.01.2002 beantragte der Verurteilte die Wiederaufnahme des durch den Strafbefehl vom 15.03.1995 abgeschlossenen Strafverfahrens und die Beiordnung seines Verteidigers als Pflichtverteidiger im Wiederaufnahmeverfahren. Das Wiederaufnahmebegehren wird u. a. darauf gestützt, dass dem Amtsgericht bei Erlass des Strafbefehls nicht bekannt gewesen seien, dass Abschiebungen jugoslawischer Staatsangehöriger in ihr Heimatland zum Tatzeitpunkt aus tatsächlichen Gründen dauerhaft ausgeschlossen gewesen sei, weshalb der Verurteilte nach § 58 Abs. 4 Satz 1 3. Alt. AsylVfG den Geltungsbereich der Aufenthaltsgestattung ohne Erlaubnis habe vorübergehend verlassen dürfen.

Mit Beschluss vom 27.06.2002 lehnte das Amtsgericht M. die Verteidigerbestellung für das Wiederaufnahmeverfahren ab und verwarf den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens des Amtsgerichts A. als unzulässig. Gegen diesen Beschluss legte der Verurteilte, soweit der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens verworfen worden ist, fristgerecht sofortige Beschwerde und im Übrigen Beschwerde ein. Gleichzeitig beantragte er die Beiordnung seines Verteidigers als Pflichtverteidiger für das sofortige Beschwerdeverfahren. Dieses Gesuch wies das Amtsgerichts M. mit Beschluss vom 11.07.2002 zurück. Mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 12.07.2002 ersuchte der Verurteilte erneut um Beiordnung seines Verteidigers als Pflichtverteidiger im Beschwerdeverfahren. Mit Verfügung vom 19.08.2002 lehnte der Vorsitzende der Beschwerdekammer des Landgerichts M. den Antrag auf Pflichtverteidigerbestellung ab. Hiergegen richtet sich die mit Schriftsatz vom 04.09.2002 eingelegte Beschwerde des Verurteilten. Über die sofortige Beschwerde gegen die mit Beschluss des Amtsgerichts M. vom 27.06.2002 erfolgte Verwerfung des Wiederaufnahmeantrags ist bislang nicht entschieden.

Die Beschwerde gegen die Verfügung des Vorsitzenden vom 19.08.2002 ist zulässig und begründet.

§ 364 a StPO regelt die Voraussetzungen, unter welchen dem Verurteilten ein Verteidiger bestellt wird, allgemein für das Wiederaufnahmeverfahren. Da die Bestellung eines Verteidigers noch nach Einleitung des Wiederaufnahmeverfahrens etwa zur Teilnahme an der Beweisaufnahme nach § 369 StPO und zur Abgabe der Erklärung nach § 369 Abs. 4 StPO erfolgen kann (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO 45. Aufl. § 364 a Rdnr. 3; Gössel in Löwe/Rosenberg StPO 24. Aufl. § 364 a Rdnr. 4) und das zu einer abschließenden Entscheidung über Zulässigkeit oder Begründetheit des Wiederaufnahmebegehrens führende Beschwerdeverfahren nach § 372 StPO als Teil des Wiederaufnahmeverfahrens anzusehen ist, findet die Vorschrift des § 364 a StPO auch auf die Verteidigerbestellung im Verfahren der sofortigen Beschwerde Anwendung (ebenso allerdings ohne Begründung: KG NStZ 1991, 593). Die Entscheidung über die Bestellung eines Verteidigers obliegt in diesen Fällen dem zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde berufenen Gericht. Eine ablehnende Entscheidung ist mit der Beschwerde nach § 304 Abs. 1 StPO anfechtbar (vgl. OLG Karlsruhe GA 1976, 344; Kleinknecht/Meyer-Goßner a. a. O. Rdnr. 9). § 372 Satz 1 StPO gilt insoweit nicht (BGH NJW 1976, 431).

Dass über den Antrag auf Bestellung eines Verteidigers der Vorsitzende anstelle der hierzu berufenen Strafkammer entschieden hat, zwingt nicht dazu, die Sache nach Aufhebung der angefochtenen Verfügung an das Landgericht zurückzuverweisen. Vielmehr kann der Senat nach § 309 Abs. 2 StPO in der Sache selbst entscheiden. Der in der fehlenden funktionellen Zuständigkeit liegende Verfahrensmangel wird in der Beschwerdeinstanz ausgeglichen, da das Beschwerdeverfahren die uneingeschränkte Überprüfung der Erstentscheidung sowohl in tatsächlicher, als auch in rechtlicher Hinsicht ermöglicht und der Senat als Beschwerdegericht auch für die Entscheidung über einen Beschluss der Strafkammer gleichermaßen zuständig wäre (Sena...

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