Leitsatz (amtlich)
Ein Spruchverfahren zur Bestimmung einer angemessenen Abfindung nach einem regulären Delisting ist auch dann unstatthaft, wenn das Verfahren vor der Entscheidung des BGH vom 8.10.2013 (II ZB 26/12 - "Frosta") eingeleitet wurde. Gründe des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit stehen der Zurückweisung des Antrags als unzulässig nicht entgegen.
Tatbestand
Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die Frage, ob die Überprüfung einer nach einem regulären Delisting angebotenen Barabfindung im Spruchverfahren auch nach der Entscheidung des BGH v. 8.10.2013 - II ZB 26/12 - ("Frosta" = NJW 2014, 146) noch fortzuführen ist.
Die Aktien der GeneScan Europe AG (im Folgenden: GeneScan) waren im geregelten Markt der Frankfurter Wertpapierbörse notiert. Die Antragsteller waren und sind Minderheitsaktionäre, die Antragsgegnerin Mehrheitsaktionärin mit über 90 % der Aktien. Mit Einladung zur Hauptversammlung vom 4.6.2009 schlug die Verwaltung der GeneScan gemäß vorheriger Ad-hoc-Ankündigung vom 20.5.2009 den Aktionären vor, die Ermächtigung des Vorstands zum Antrag auf Widerruf der Zulassung der Aktien der Gesellschaft zum geregelten Markt an der Frankfurter Wertpapierbörse (reguläres Delisting) zu beschließen. Der Einladung beigefügt war das Angebot der Antragsgegnerin, die Aktien der übrigen Aktionäre zu einem Stückpreis von 577,19 EUR zu erwerben. Die Hauptversammlung stimmte dem Beschlussvorschlag am 16.7.2009 zu. Auf Antrag des Vorstands der GeneScan widerrief die Frankfurter Wertpapierbörse mit am 11.11.2009 bekannt gemachter Entscheidung die Börsenzulassung der GeneScan mit Wirkung vom 11.2.2010 und stellte den amtlichen Handel ein. In der Folge fand nurmehr sporadischer Handel mit Aktien der GeneScan im allgemeinen Freiverkehr der Börse Stuttgart statt.
Die Antragsteller halten die angebotene Barabfindung i.H.v. 577,19 EUR für unangemessen niedrig und haben ein Spruchverfahren angestrengt. Das LG hat die Anträge mit angegriffenem Beschluss vom 2.4.2014 als unzulässig abgewiesen. Nach der Frosta-Entscheidung des BGH sei für eine Fortführung des Spruchverfahrens kein Raum. Der Widerruf der Börsenzulassung zum regulären Handel führe nicht zu einer Beeinträchtigung des Aktieneigentums i.S.v. Art. 14 Abs. 1 GG (BVerfGE 132, 99). Seine frühere Rechtsprechung (BGHZ 153, 47 - "Macrotron") habe der BGH aufgegeben. Die Kosten des Verfahrens und die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller hat das LG der Antragsgegnerin auferlegt, weil diese durch ihr Abfindungsangebot den Anlass für das von den Antragstellern eingeleitete Spruchverfahren geschaffen habe.
Die Beschwerdeführer halten die Fortführung des Spruchverfahrens für geboten. Die - zu einem bloßen Downgrading ergangene - Frosta-Rechtsprechung des BGH sei auf den Streitfall eines regulären Delisting nicht anwendbar. Jedenfalls bereits laufende Spruchverfahren seien aus Gründen des Vertrauensschutzes nicht erfasst. Vorliegend habe zudem die Antragsgegnerin selbst ein Abfindungsgebot unterbreitet und auf die Möglichkeit der Überprüfung im Spruchverfahren hingewiesen, sie habe sich damit (vertraglich) selbst gebunden. Schließlich sei die kapitalmarktrechtliche Frist für den Widerruf der Börsenzulassung namentlich im Hinblick auf die Möglichkeit der Überprüfung des Abfindungsangebots im Spruchverfahren von sechs auf drei Monate verkürzt worden (§ 39 Abs. 2 Satz 5 BörsG i.V.m. § 61 Abs. 3 Börsenordnung für die Frankfurter Wertpapierbörse in der zum Zeitpunkt des Widerrufs geltenden Fassung, im Folgenden: § 61 BörsO Frankfurt a.F.). Diese Vorschriften wirkten anlegerschützend (§ 39 Abs. 2 Satz 2 BörsG).
Die Antragsgegnerin verteidigt die Entscheidung des LG in der Hauptsache unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens. Hinsichtlich der ihr auferlegten außergerichtlichen Kosten der Beschwerdeführer erhebt sie Anschlussbeschwerde. Ihre Belastung sei insoweit unbillig, nachdem sie erstinstanzlich vollumfänglich obsiegt habe und bereits die Kosten des Verfahrens trage. Die Beschwerdeführer beantragen die Zurückweisung der Anschlussbeschwerde.
Das LG hat den Beschwerden mit Beschluss vom 7.5.2014 nicht abgeholfen. Der Vertreter der außenstehenden Aktionäre hat sich den Beschwerden der Antragsteller angeschlossen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerden der Antragsteller Ziff. 30, 33, 34, 35 und 44 sind gem. §§ 12 Abs. 1, 17 Abs. 1 SpruchG i.V.m. §§ 58 ff. FamFG zulässig, insbesondere binnen Monatsfrist erhoben worden. In der Sache bleiben sie jedoch ohne Erfolg.
Das Spruchverfahren ist unstatthaft. Der freiwillige Rückzug einer Aktiengesellschaft von der Börse durch den Widerruf der Zulassung ihrer Aktien zum Börsenhandel (Delisting) eröffnet kein Spruchverfahren zur Überprüfung der Angemessenheit einer angebotenen Abfindung (BGH NJW 2014, 146 - "Frosta"). Dies gilt auch für - wie hier - bereits vor dem Zeitpunkt der Frosta-Entscheidung des BGH (8.10.2013) rechtshängig gemachte Spruchverfahren (OLG Düsseldorf ZIP 2015, 123; OLG München ZIP 2015...