Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Ermittlung der Bezüge eines Ein-Firmen-Vertreters im Hinblick auf die Verdienstgrenze aus § 5 Abs. 3 S. 1 ArbGG sind weder Provisionsvorschüsse oder gewährte Darlehen, sondern nur die tatsächlich verdienten Provisionen zu berücksichtigen. Auch bei Provisionsansprüchen, die infolge Aufrechnung erloschen sind, ist von "bezogener" Vergütung i.S.v. § 5 Abs. 3 S. 1 ArbGG auszugehen.

2. Aus dem Wortlaut von § 5 Abs. 3 S. 1 ArbGG folgt, dass Ersatzleistungen des Unternehmers die Bezüge des Ein-Firmen-Vertreters nur dann erhöhen, wenn sie "auf Grund des Vertragsverhältnisses" erfolgen. Der Handelsvertreter muss grundsätzlich alle Aufwendungen selbst tragen. Entsprechend können nur solche Ausgaben verdienstmindernd berücksichtigt werden, zu denen er aufgrund des Handelsvertretervertrages selbst verpflichtet ist.

 

Normenkette

ZPO § 3; GVG §§ 13, 17a Abs. 4 S. 3; ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 3a, § 5 Abs. 3 S. 1; HGB §§ 84, 92a

 

Verfahrensgang

LG Heidelberg (Beschluss vom 08.03.2006; Aktenzeichen 5 O 258/05)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 12.02.2008; Aktenzeichen VIII ZB 51/06)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des LG Heidelberg vom 8.3.2006 - 5 O 258/05 - wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.739,31 EUR festgesetzt.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin fordert von dem Beklagten die Rückzahlung vorgeschossener Handelsvertreterprovisionen.

Die Klägerin betreibt ein Unternehmen, das sich mit der Beratung über Versicherungen, Vermögensanlagen und Finanzierungen befasst. Die Parteien schlossen am 8.8.2000 mit Wirkung zum 1.10.2000 einen sog. "Mitarbeitervertrag", der mit Wirkung zum 1.2.2002 durch den "X Consultant Vertrag" vom 21.1.2002 ersetzt wurde. Das Vertragsverhältnis endete aufgrund der Kündigung des Beklagten zum 31.12.2002.

Die Klägerin vertritt die Auffassung, der Beklagte sei für sie als selbständiger Handelsvertreter tätig geworden, so dass der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten eröffnet sei. Dass die Klägerin dem Beklagten in den letzten 6 Monaten vor dem Ende des Vertragsverhältnisses keine Provisionszahlungen mehr geleistet habe, sei durch die Aufrechnung von Provisionsrückzahlungsansprüchen gegen die endgültigen Provisionsansprüche des Beklagten begründet, die durchschnittlich mehr als 1.000 EUR im Monat betragen hätten. Die tatsächliche Nichtzahlung sei unerheblich. Bei der Berechnung des Durchschnitts der Provisionsansprüche des Beklagten seien dessen betriebliche Aufwendungen, insb. für ein Notebook, nicht zu berücksichtigen. Der Beklagte meint hingegen, er sei als abhängiger Arbeitnehmer der Klägerin anzusehen. Hieraus folge die Zuständigkeit der ArbG.

Mit Beschluss vom 8.3.2006, auf dessen Gründe wegen aller weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird, hat das LG Heidelberg den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gem. § 13 GVG für zulässig erachtet.

Hiergegen wendet sich der Beklagte mit der sofortigen Beschwerde, der die Klägerin entgegengetreten ist und der das LG nicht abgeholfen hat.

II. Die gem. § 17a Abs. 4 S. 3 GVG, §§ 567, 569 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist nicht begründet.

Der Rechtsstreit ist nicht gem. §§ 48 ArbGG, 17a GVG an das ArbG zu verweisen. Ob eine Streitigkeit dem bürgerlichen Recht zuzuordnen und damit der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gem. § 13 GVG eröffnet ist, hängt von der Natur des Rechtsverhältnisses ab, aus dem der Klaganspruch hergeleitet wird. Da die Klägerin den Streitgegenstand bestimmt, ist Grundlage der Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs ihr Sachvortrag (OLG Düsseldorf OLGReport Düsseldorf 2005, 540 ff. m.w.N.). Dabei kommt es jedoch nicht auf die Bewertung des Sachverhalts durch die Klägerin, sondern darauf an, ob sich das Klagebegehren nach den zu seiner Begründung vorgetragenen Tatsachen bei objektiver Würdigung aus einem Sachverhalt herleitet, der nach dem bürgerlichen Recht zu beurteilen ist (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 30.3.2004 - 1 W 20/04).

I. Die Zuständigkeit der ArbG ergibt sich nicht bereits aus § 84 Abs. 2 HGB i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 3a ArbGG. Dies wäre nur dann der Fall, wenn der Beklagte als Angestellter anzusehen wäre.

Nach den vertraglichen Vereinbarungen der Parteien im Mitarbeitervertrag (§ 2 Abs. 1) und "X Consultant Vertrag" (§ 1 Abs. 1) war der Kläger allerdings selbständiger Gewerbetreibender i.S.v. §§ 84 ff. HGB (Handelsvertreter). Die Frage, ob eine selbständige Tätigkeit i.S.d. § 84 HGB vorliegt, ist anhand eines Gesamtbildes von Vertragsgestaltung einerseits und Vertragshandhabung andererseits zu bestimmen (OLG Saarbrücken OLGReport Saarbrücken 2004, 572 ff. m.w.N.) Dabei ist zu prüfen, ob der Beklagte seine Tätigkeit im Wesentlichen frei gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen konnte (§ 84 Abs. 1 S. 2 HGB). Neben den im Gesetz selbst genannten Gesichtspunkten von Ort, Zeit sowie Art und Weise der Tätigkeit ist dabei insb. auch abzuwägen, ob und inwi...

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