Leitsatz (amtlich)
Hatte das erkennende Strafgericht wegen Aussichtslosigkeit einer Entziehungskur von der Unterbringung des Verurteilten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) abgesehen, so hindert schon die Sperrwirkung des Strafurteils, an die (von dem Verurteilten im Strafvollzug fortgesetzte) Verweigerung oder den Abbruch einer Alkoholtherapie die Rechtsfolge der nachträglichen Unterbringung des Verurteilten in einer Justizvollzugsanstalt nach § 1 StrUBG zu knüpfen.
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Justizvollzugsanstalt M. gegen den Beschluss des Landgerichts - Strafvollstreckungskammer - M. vom 26. April 2002 bleibt als prozessual überholt und damit gegenstandslos unentschieden.
Gründe
I.
Mit Schrift vom 11. 02. 2002 beantragte die Justizvollzugsanstalt M. , in der S. damals zeitige Freiheitsstrafen verbüßte, beim Landgericht - Strafvollstreckungskammer - M. , gegen S. das Verfahren nach dem Straftäter-Unterbringungsgesetz -StrUBG- (GBl. BW 2001, 188) durchzuführen, dem Verurteilten einen Rechtsanwalt als Beistand zu bestellen, zur Gefährlichkeit des Verurteilten die Gutachten von zwei Sachverständigen einzuholen und zu gegebener Zeit Termin zur öffentlichen Verhandlung zu bestimmen. Der Antrag ist dem Verurteilten am 04. 03. 2002 eröffnet worden. Am 11. 03. 2002 ordnete der Vorsitzende der Strafvollstreckungskammer dem Verurteilten den von ihm gewählten Beistand bei. Auf Hinweis der Strafvollstreckungskammer vom selben Tage ergänzte die Justizvollzugsanstalt mit Schrift vom 15. 03. 2002 ihren Vortrag zur fraglichen Bereitschaft des Verurteilten, sich einer rückfallvermeidenden Alkoholentwöhnungsbehandlung zu unterziehen. Der Beistand des Verurteilten reichte die Akten nach Einsichtnahme mit Eingang beim Landgericht am 11. 04. 2002 zurück.
Mit Beschluss vom 26. 04. 2002 - noch vor Eingang des dahingehenden Antrags des Beistands des Verurteilten am 02. 05. 2002 - hat die Strafvollstreckungskammer die Eröffnung des Verfahrens auf Unterbringung des Verurteilten nach dem StrUBG abgelehnt. Gegen die ihr - nur formlos - mitgeteilte und am 13. 05. 2002 zugegangene Entscheidung der Strafvollstreckungskammer hat die Justizvollzugsanstalt mit am 21. 05. 2002 beim Landgericht eingegangener Schrift vom 17. 05. 2002 sofortige Beschwerde eingelegt und diese begründet. Mit Verfügung vom 04. 06. 2002 hat das Landgericht die Akten dem Senat zur Entscheidung vorgelegt. Der Beistand des Verurteilten, dem der Senat die Rechtsmittelschrift der Justizvollzugsanstalt übermittelt und hierzu Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat, beantragt mit Schriftsatz vom 10. 06. 2002, die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.
Der Verurteilte ist am 11. 06. 2002 nach vollständiger Verbüßung der gegen ihn mit Urteil des Landgerichts O. vom 05. 02. 1996 (KLs ) und mit Urteil des Landgerichts S. vom 28. 05. 1998 (KLs ) erkannten Freiheitsstrafen aus der Strafhaft entlassen worden.
II.
Das Rechtsmittel der Justizvollzugsanstalt ist durch die Entlassung des Verurteilten aus der Strafhaft am 11. 06. 2002 prozessual überholt und damit gegenstandslos geworden. Die bei Einlegung zulässige sofortige Beschwerde der Justizvollzugsanstalt (§ 3 Abs. 4 StrUBG) bleibt sonach unentschieden (vgl. nur Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO 45. Aufl. Rdnr. 17 vor § 296). Die angefochtene Entscheidung kann aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen nicht mehr ungeschehen gemacht werden und ist daher nicht mehr anfechtbar. § 1 Abs. 1 StrUBG setzt für die Anordnung der Unterbringung eines Strafgefangenen in einer Justizvollzugsanstalt voraus, dass der Strafgefangene zeitige Freiheitsstrafe verbüßt (und zwar im Zeitpunkt der Anordnung). Die Einhaltung dieser schon ihrem Wortlaut nach eindeutigen und einer erweiternden Auslegung nicht zugänglichen (BVerfG NStZ 1995, 275) Vorschrift des freiheitsbeschränkenden Gesetzes ist Verfassungsgebot (vgl. etwa auch BVerfG NJW 2001, 2247 zu Auslegung und Anwendung der Bestimmung des § 454a Abs. 2 StPO). Die Regelung knüpft an eine Strafverbüßung in einer baden-württembergischen Justizvollzugsanstalt an. Nichtinhaftierte (rückfallgefährdete) Straftäter können mit dem StrUBG nicht erfasst werden (Gesetzentwurf der Landesregierung LT-Drucks. 12/5911 Begründung S. 9/10; Goll/Wulf ZRP 2001, 284, 285). Verfassungsrechtlich ist es geboten, das Anordnungsverfahren so rechtzeitig einzuleiten, als sichergestellt sein muss, dass das Verfahren vor dem geplanten Entlassungszeitpunkt vollständig (und zwar bis zur Rechtskraft) durchgeführt ist (so wohl auch Würtenberger/Sydow NVwZ 2001, 1201, 1204; a. M. OLG Naumburg B. v. 16. 04. 2002 - 1 Ws 140/02 - zu § 1 Abs. 1 UBG SA; dass. B. v. 23. 04. 2002 - 1 Ws 120/02 -). Insbesondere wäre es unzulässig, den Verurteilten nach Ablauf der Haftzeit allein deshalb nicht zu entlassen, weil das gerichtliche Anordnungsverfahren für die nachträgliche Unterbringung noch nicht abgeschlossen werden konnte (Würtenberger/Sydow a. a. O. ; vgl. auch BVerfGE 42, 1; zum Erlass eines Sicherungshaftbefehls OLG Nürnberg B. v. ...