Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum gewöhnlichen Aufenthalt der Kinder nach HKÜ bei gemeinsam beschlossener Übersiedlung
Leitsatz (amtlich)
1. Sollen Kinder mit den Eltern auf Dauer von Kanada nach Deutschland übersiedeln, so wird mit dem Umzug der gewöhnliche Aufenthalt der Kinder i.S.d. Art. 4 HKÜ in Deutschland begründet.
2. Nach dem Umzug der Kinder kann sich ein Elternteil nicht einseitig von der Vereinbarung der Übersiedlung lossagen. Das gilt auch dann, wenn nach der Übersiedlung die Ehe scheitert und ein Elternteil deshalb den vorgesehenen Umzug nach Deutschland nicht vornimmt.
Normenkette
HKÜ Art. 3-4, 12
Verfahrensgang
AG Karlsruhe (Beschluss vom 25.02.2008; Aktenzeichen 1 F 24/08) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des AG - FamG - Karlsruhe vom 25.2.2008 - 1 F 24/08 - wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin.
3. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Antragsteller begehrt die Herausgabe zweier Kinder nach den Vorschriften des Haager Übereinkommens über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung (HKÜ) zur Rückführung nach Kanada.
Die Parteien haben am 8.8.1997 in M./Kanada geheiratet. Der Antragsteller ist kanadischer Staatsangehöriger, die Antragsgegnerin ist Französin. Beide haben durch die Eheschließung jeweils zusätzlich die Staatsangehörigkeit ihres Ehepartners erlangt. Aus der Ehe sind die Kinder M., geb. 2001, und L., geb. 2002, hervorgegangen. Die Kinder teilen die Staatsangehörigkeit ihrer Eltern.
Die Parteien lebten seit 1996 zusammen in der Provinz Q. in Kanada. Der Antragsteller war Generaldirektor der Firma I. inc, die Antragsgegnerin war bei der Firma S. in M. beschäftigt. Ab dem Winter 2005/2006 überlegten die Parteien die Möglichkeit, mit der Familie nach Europa umzuziehen. Die Antragsgegnerin hatte die Aussicht, zu einer Firma in Deutschland zu wechseln. Der Antragsteller bewarb sich europaweit um verschiedene Stellen, u.a. auch bei einer Einrichtung der UNO. Die Antragsgegnerin erhielt dann die Zusage einer Anstellung bei der Firma S. in Deutschland. Daraufhin beschlossen die Parteien, dass die Familie nach Deutschland umziehen sollte. Im Sommer 2006 erkundigten sie sich im Großraum H. nach schulischen Möglichkeiten für die Kinder und meldeten diese für eine Vor- bzw. Grundschule in H. an. Im Herbst 2006 verkauften sie ihr Haus in der Provinz Q., Kanada, und mieteten für eine Übergangszeit dort eine Wohnung an. Da der Antragsteller noch bis November 2007 in Kanada beruflich gebunden war, beschlossen die Parteien, dass die Antragsgegnerin mit den Kindern vorab allein nach Deutschland umzieht. Am 30.6.2007 flogen die Antragsgegnerin und die Kinder nach P.. Die Kinder verbrachten die Sommerferien in einem Landhaus der Mutter der Antragsgegnerin in Frankreich. Am 13.7.2007 unterzeichneten die Parteien (der Antragsteller per Telefax aus Kanada) einen Mietvertrag über eine Wohnung in E.. Seit 10.9.2007 besuchen die Kinder eine Schule bzw. Vorschule in H..
Bei einer Audio-/Video-Sitzung der Parteien per Internet am 15.9.2007 wurde die vorgesehene Planung in Frage gestellt. Die Einzelheiten dieses Gespräches sind streitig. Nach Angaben des Antragstellers erklärte die Antragsgegnerin nach längerem Zögern, sie würde es für besser halten, wenn der Antragsteller nicht nach E. kommen würde, um bei ihnen zu wohnen. Nach Darstellung der Antragsgegnerin erklärte sie dem Antragsteller, sie wolle über die Ehe und die Gesamtsituation mit ihm reden; sie habe auch eine Trennung als Möglichkeit erwähnt, sei damals hierzu aber keinesfalls bereits entschieden gewesen.
Der Antragsteller flog unmittelbar darauf nach Deutschland. Die Parteien sprachen über die Ehesituation. Am 18.9.2007 kehrte der Antragsteller nach Kanada zurück. Am 27.9.2007 kam er - wie schon länger zuvor vereinbart - erneut nach Deutschland. Die Antragsgegnerin erklärte ihm, dass sie allein mit den Kindern in Deutschland bleiben wolle. Der Antragsteller kehrte am 13.10.2007 nach Kanada zurück.
Mit E-Mail vom 2.11.2007 teilte der Antragsteller der Antragsgegnerin mit, dass er mit dem Verbleib der Kinder in Deutschland nicht einverstanden sei, und forderte sie zur Rückkehr mit den Kindern nach Kanada auf. Inzwischen hat der Antragsteller in Kanada Ehescheidungsantrag gestellt.
Mit dem am 21.1.2008 beim AG Karlsruhe eingegangenen Antrag hat der Antragsteller die Herausgabe der Kinder zur Rückführung nach Kanada beantragt und vorgetragen:
Die Antragsgegnerin halte die Kinder widerrechtlich in Deutschland zurück. Sie habe sich einseitig zur Trennung entschlossen. Zwar habe er ursprünglich der Übersiedlung nach Deutschland zugestimmt. Diese Zustimmung zum Verbleib der Kinder in Deutschland habe er aber stillschweigend unter die Bedingung gestellt, dass die eheliche Gemeinschaft fortgeführt werde. Hätte er gewusst, dass die Antragsgegnerin die zunächs...