Leitsatz (amtlich)

Zur Bestimmung der angemessenen Barabfindung der ausgeschlossenen Minderheitsaktionäre beim "squeeze out" gemäß § 327 b AktG.

Der Börsenkurs - ermittelt als Durchschnittskurs innerhalb einer dreimonatigen Referenzperiode vor der Bekanntmachung der Maßnahme - bildet grundsätzlich die Untergrenze der Abfindung. Es handelt sich um eine absolute Untergrenze, die nicht - auch nicht geringfügig - unterschritten werden darf. Bei der Berechnung des Durchschnittskurses ist von § 5 WpÜG-AngebotsVO auszugehen.

Eine Unterschreitung des Börsenkurses kommt ausnahmsweise in Betracht, wenn der Börsenkurs nicht den Verkehrswert der Aktie widerspiegelt. Dies gilt insbesondere im Fall der Marktenge. Ob eine Marktenge vorliegt, ist anhand der Kriterien des § 5 Abs. 4 WpÜG-AngebotsVO zu beurteilen.

Zur Unternehmensbewertung nach der Ertragswertmethode.

Auf Beschwerdeverfahren in Spruchsachen, die in erster Instanz vor dem 01.09.2009 eingeleitet wurden (Art. 111 FGG-RG), und in denen die Beschwerde nach dem 01.09.2003 eingelegt wurde (§ 17 Abs. 2 SpruchG), sind § 12 Abs. 1 SpruchG in der bis 31.08.2009 geltenden Fassung (sofortige Beschwerde) sowie die Verfahrensvorschriften des FGG a. F. anwendbar.

 

Normenkette

AktG §§ 327a, 327b; WpÜG-AngebotsVO § 5; SpruchG §§ 12, 17; FGG-RG Art. 111

 

Verfahrensgang

LG Mannheim (Beschluss vom 28.05.2015; Aktenzeichen 21 AktE 1/03)

 

Tenor

I. Auf die sofortigen Beschwerden der Antragsteller zu 5, 7, 8, 10, 15, 16, 17, 18 und 19 wird der Beschluss des Landgerichts Mannheim vom 28.05.2015 - Az. 21 AktE 1/03 - im Kostenpunkt aufgehoben und in Ziffer 1. und 2. wie folgt abgeändert:

1. Die für die am 29.08.2002 beschlossene Übertragung der Minderheitsaktionäre der Antragsgegnerin zu 2 - A2 AG - auf die Antragsgegnerin zu 1 - A1 AG - als Hauptaktionärin (Squeeze Out) zu gewährende Barabfindung wird auf 270,60 EUR pro Aktie festgesetzt.

Die gegen die Antragsgegnerin zu 2 gerichteten Anträge auf Festsetzung einer angemessenen Abfindung werden als unzulässig abgewiesen.

2. Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Vertreters der außenstehenden Aktionäre trägt die Antragsgegnerin zu 1. Die Antragsgegnerin zu 1 trägt darüber hinaus die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller zur Hälfte. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.

II. Die weitergehenden sofortigen Beschwerden der Antragsteller zu 5, 7, 8, 10, 15, 16, 17, 18 und 19 werden zurückgewiesen.

III. Die Antragsgegnerin zu 1 trägt die im Beschwerdeverfahren entstandenen Gerichtskosten einschließlich der Kosten des gemeinsamen Vertreters der außenstehenden Aktionäre.

Die außergerichtlichen Kosten der im Beschwerdeverfahren beteiligten Antragsteller 5, 7, 8, 10, 15, 16, 17, 18 und 19 trägt die Antragsgegnerin zu 1 zur Hälfte. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.

IV. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 200.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

Die Antragsgegnerin zu 1) ist Hauptaktionärin der Antragsgegnerin zu 2). In der Hauptversammlung der Antragsgegnerin zu 2) vom 29.8.2002 ist die Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre auf die Antragsgegnerin zu 1) beschlossen worden. Die Barabfindung wurde in dem Beschluss auf 270 EUR festgesetzt. Der Beschluss ist am 15.11.2002 in Handelsregister des Amtsgerichts M. eingetragen worden. Die Eintragung dieses Beschlusses ist am 12.12.2002 im Bundesanzeiger als alleinigem Gesellschaftsblatt bekannt gemacht worden.

Die Antragsteller zu 1) bis 22) - ehemals 1) bis 18) - und der Vertreter der außenstehenden Aktionäre haben sinngemäß beantragt,

die angemessene Barabfindung gem. § 327 f. Abs. 1 Satz 2 AktG zu bestimmen und die durch die Hauptversammlung vom 29.8.2002 beschlossene Barabfindung gerichtlich höher festzusetzen und auszusprechen, dass der Erhöhungsbetrag mit 2 % über dem jeweiligen Basiszinssatz zu verzinsen ist und zwar von der Eintragung des Übertragungsbeschlusses in das Handelsregister an.

Wegen der Details der zum Teil unterschiedlichen Anträge wird auf die Darstellung im angefochtenen Beschluss Bezug genommen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen, die Barabfindung sei unangemessen niedrig festgesetzt worden. Da der Sachverständige bestätigt habe, dass der Börsenkurs zum Stichtag mit 276,70 EUR höher als die festgesetzte Barabfindung gewesen sei, sei die Barabfindung gerichtlich entsprechend festzusetzen. Der Börsenkurs im Drei-Monats-Zeitraum vor dem fraglichen Beschluss sei zu berücksichtigen. Dieser habe über 270 EUR gelegen. Das Argument der Marktenge, mit dem die Gegenseite die Maßgeblichkeit des Börsenkurses aushebeln wolle, sei verfehlt. Sich aus der Mehrheitsbeteiligung ergebende Synergieeffekte seien zu berücksichtigen. Bei der Bewertung sei fehlerhaft nicht bedacht worden, dass der Minderheitsaktionär durch den Squeeze-out seine nicht bewerteten Potentiale und Chancen verliere. Auch die für den Hauptaktionär durch den Squeeze-out geschaffenen Vorteile wie beispielweise der Wegfall von kostenträchtigen Hauptversammlungen...

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